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Dr. Rudolf Voderholzer, Bischof von Regensburg
Predigt zur Priesterweihe am
27. Juni 2015 (hl. Kyrill von Alexandrien) im Hohen Dom St. Peter in Regensburg
Lesung: 2 Tim 4,1-5, Evangelium:
Mt 5,13-19
„Verkünde das Wort, tritt dafür
ein, ob man es hören will oder nicht!"
Diese Worte aus dem Zweiten Timotheusbrief (4,2), liebe Weihekandidaten,
liebe Schwestern und Brüder im Herrn, sind für die heutige Liturgie
ausgewählt, weil sie zunächst ein Licht werfen auf den Heiligen
des Tages. Der heilige Kyrill von Alexandrien hat das Wort Gottes unerschrocken
verkündet. Als Patriarch von Alexandrien in Ägypten ist er am
27. Juni des Jahres 444 gestorben. Und wir dürfen diesen Tag als seinen
wahren und endgültigen Geburtstag für das ewige Leben feiern.
„Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will
oder nicht!", das wird aber auch unseren Neupriestern heute ans Herz gelegt,
da sie durch Gebet und Handauflegung zum priesterlichen Dienst und zur
vollmächtigen Verkündigung des Evangeliums bestellt werden.
Der heilige Kyrill nimmt einen bedeutenden Platz in der Dogmen-
und Frömmigkeitsgeschichte ein, denn sein Wirken, seine leidenschaftliche
Verkündigung prägt unsere Gebetssprache bis auf den heutigen
Tag.
Unsere Weihekandidaten und die Priester wissen das natürlich
aus dem Studium, aber es ist wichtig auch für Sie alle. Dass wir nämlich
zu Maria nicht nur sagen: Mutter Jesu, oder Mutter Christi,
sondern „Theotokos" („Gottesmutter"),
Mutter Gottes, und dass wir es sagen dürfen, dass wir
es zu Recht sagen, diese Einsicht haben wir vor allem dem heiligen Kyrill
von Alexandrien zu verdanken. Wie kam es dazu?
Bild links: So sahen die Seherkinder
von Mettenbuch die heilige Gottesmutter Maria mit dem Jesuskind in einer
großen Hostie
Wer ist Jesus, der von Maria
geboren wurde?
Man wird es sich so vorstellen müssen: Schon seit seinen Kindheitstagen
war dem späteren Bischof das Gebet vertraut, das das älteste
bekannte Gebet zu Maria überhaupt ist: „Unter
deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesmutter" (GLneu 5,7).
Das Gebet ist schon für das dritte Jahrhundert in Alexandrien
bezeugt, war also schon zu Zeiten des heiligen Kyrill durch eine lange
Gebetstradition geheiligt. Die Anrede Mariens als Gottesmutter oder als
„Gottesgebärerin" (Theotokos), wie man noch deutlicher sagen muss,
erregte nun aber plötzlich Anstoß in der neuen Reichshauptstadt
Konstantinopel, die in Konkurrenz zu Alexandrien trat.
Nestorius, der Patriarch von Konstantinopel und frühere Mönch
aus Antiochien, begann, öffentlich in seinen Predigten den Titel Gottesmutter
anzugreifen. Er behauptete, man müsse zu Maria wenn schon nicht „Menschenmutter",
so doch wenigstens Christotokos, Christusgebärerin, sagen, um deutlich
zwischen Gottheit und Menschheit Jesu zu unterscheiden.
Das forderte den Widerspruch des Kyrill heraus. Natürlich schwang
die Rivalität zwischen Alexandrien und Antiochien bzw. Konstantinopel
mit. Aber letztlich ging es doch um die Sache. Erstens kann auch ein Patriarch
von Konstantinopel nicht einfach ein uraltes Gebet kritisieren. Und zweitens,
was noch wichtiger ist, steht die Frage auf: Behauptet Nestorius damit
nicht, dass Jesus Christus nicht von Anfang an Gott und Mensch war in der
einen Person? Ist er erst später auch noch Gott geworden? Oder meint
Nestorius vielleicht sogar, dass Empfangenwerden, Geborenwerden, mit einer
Frau in dieser Weise in Berührung kommen, dem Gottessohn nicht würdig
sei?
Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., sagt in
einer Interpretation des Konzils von Ephesus: „Der Nestorianismus konstruiert
eine Christologie, aus der die Geburt und die Mutter herausfallen ..."
Gott wird so weit aus dem Menschen herausoperiert, dass Geburt und Mutterschaft,
also die ganze Leibhaftigkeit, außerhalb davon blieben. Für
Kyrill war klar: Das war die Abkehr vom Glauben an die Inkarnation, hier
sollte nicht mehr von Fleischwerdung Gottes die Rede sein, so „dass das
Zentrum des Christusgeheimnisses selbst gefährdet oder schon zerstört
war".[l] Und hatte nicht schon Elisabeth Maria begrüßt mit den
Worten: „Wer bin ich, dass die Mutter
meines Herrn zu mir kommt?" (Lk 1,43). Der Titel „Herr" steht
ja hier schon eindeutig für Gott. Schon die
heilige Elisabeth spricht also im Grunde von Maria als Gottesmutter.
Die Entscheidung auf dem Konzil
von Ephesus (431)
Deshalb kannte Kyrill hier keinen Kompromiss. In enger Abstimmung
mit dem Bischof von Rom betrieb er die Einberufung eines Konzils, um die
Frage endgültig zu klären. Im Jahr 431 versammelten sich denn
auch die Bischöfe etwa auf halbem Weg zwischen Konstantinopel und
Alexandrien in Ephesus in Kleinasien. Es wurde die Aussage formuliert,
dass Maria aufgrund der Einigung der göttlichen und menschlichen Natur
Jesu zu Recht Gottesmutter genannt werden darf und muss. Diese Formulierung
wurde wenig später in den allermeisten Teilen der Kirche im Osten
und im Westen akzeptiert und aufgenommen. In Rom wird beispielsweise bald
darauf die große Marienkirche, Santa Maria Maggiore, zu Ehren der
Gottesmutter Maria neu gebaut.
Was bedeutet all das für unsere Neupriester und das priesterliche
Wirken? So dürfen wir fragen, wenn wir am Gedenktag des heiligen Kyrill
die Priesterweihe feiern. Ich meine, drei Dinge wenigstens:
„Lex orandi, lex credendi"
Kyrill dachte und argumentierte aus seiner Gebetserfahrung heraus.
Was ihm aus einem altehrwürdigen Gebet vertraut war, konnte doch nicht
falsch sein!
Liebe Schwestern und Brüder: Für uns alle, aber besonders
für die Priester gilt: Das Gebet der Kirche, die Psalmen, die Feier
der Sakramente, insbesondere die Feier der Eucharistie, sind Ausdruck des
Glaubens und Quelle des Glaubens. Eure Verkündigung, Eure Predigt,
soll sich nähren aus dem Gebet. Umgekehrt: Das Gebet als Quelle der
Wahrheit ist nicht Gegenstand beliebigen Experimentierens. Das Gebet muss
wahr und rechtgläubig sein. Werdet immer mehr zu Männern des
Gebetes, die sich vom Gebet formen lassen und vom Gebet Licht und Orientierung
empfangen. Nehmt ganz ernst, was in der Weiheliturgie gesagt wird, wenn
Ihr den Kelch überreicht bekommt: „Bedenke, was du tust, ahme nach,
was du vollziehst, und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes."
Ich danke an dieser Stelle allen Beterinnen und Betern, die für
unsere Weihekandidaten gebetet haben, und bitte Sie, nun auch die Neupriester
in Ihr Gebet mit einzuschließen.
Christus gegenwärtig in
den Sakramenten der Kirche
Ein zweites: Zentrum Eurer Verkündigung ist der lebendige Gott,
der sich uns in Jesus Christus und seiner Menschwerdung als der Retter
und Erlöser offenbart hat.
Der Titel Gottesmutter für Maria steht im Dienst des unversehrten
Glaubens an Jesus Christus. Er hat wirklich unser ganzes Menschsein angenommen
und mit seiner Gottheit verbunden. Ein Embryo-Sein, Geborenwerden, ist
der göttlichen Natur nicht unwürdig. Papst Franziskus hat es
in seiner Enzyklika auch betont: Gott ist in Jesus Christus ganz eingegangen
in die Schöpfung. Das einzige, das Gottes unwürdig ist, ist die
Sünde: „Er ist uns in allem gleich geworden
außer der Sünde", sagt der Hebräerbrief. Und da
dürfen wir glauben, dass all unsere Schuld der allein Sündelose
auf sich genommen und für uns gesühnt hat (vgl. „Laudato si"
99 f.).
Liebe Weihekandidaten! Wesensmerkmal des priesterlichen Dienstes
ist es, dass Ihr in der Person Jesu Christi, des Hauptes der Kirche, wirken,
die Sakramente feiern, das Wort Gottes verkünden und die Kirche leiten
dürft. Was sichtbar war an Christus, ist eingegangen in die Sinnenhaftigkeit
und Konkretheit der Sakramente. In der Kraft des Geistes dürft Ihr
seine Worte sprechen: „Das ist mein
Leib, mein Blut." Oder:
„Ich spreche Dich los von Deinen Sünden." Seid Euch
alle Tage dieses großen Auftrages bewusst und feiert jede heilige
Messe so, als sei es die erste, die einzige und die letzte! Und ein drittes
kommt hinzu:
„Wer nicht marianisch bleibt,
der wird arianisch!"
Gewiss, die Bedeutung des Kyrill von Alexandrien und der Titel Gottesmutter,
Gottesgebärerin steht im Dienst des Glaubens an Jesus den Christus,
den Gottessohn, der in seiner Person vom ersten Augenblick des irdischen
Daseins Gottheit und Menschheit verbunden hat. Gleichwohl ist uns sein
Wirken auch Mahnung und Wegweisung hin zu einer guten und gesunden Marienfrömmigkeit.
Maria ist Vorbild und Urbild aller Christen, besonders der Priester.
So wie sie freilich wird niemals ein Priester sagen können: „das ist
mein Leib". Maria durfte in innigster Weise an der Menschwerdung mitwirken.
Als Priester dürft Ihr am Altar Christus den Menschen gegenwärtig
setzen und schenken und ihn zu den Menschen tragen. Vertraut euch immer
wieder der Gottesmutter an!
Kyrill hat in der Mariologie die Christologie verteidigt. So wie
die Christologie die Norm ist für die Mariologie, so ist aber umgekehrt
die Mariologie der Prüfstein für die Christologie. Wie ich über
Maria rede, was ich von Maria denke, entscheidet mit über meinen Glauben
an Jesus Christus.
Und es ist ja wirklich so: Wo die Gottesmutterschaft Mariens abgelehnt
wird, wo geleugnet wird, dass Jesus in der Kraft des Geistes empfangen,
von Anfang an ganz Gott und ganz Mensch war, dort kommt man dann nicht
mehr über einen Adoptianismus hinaus, das heißt: Jesus sei halt
ein großer Mensch, aber dass wir es bei ihm wirklich mit Gott zu
tun haben, das sei eben eine bildhafte Rede, das meine die große
Bedeutung Jesu, oder wie die Formulierungen alle heißen mögen,
die letztlich nur den Unglauben tarnen. Kardinal Faulhaber hat es so formuliert:
„Wer nicht marianisch bleibt, der wird
arianisch."[2]
Christus und seine Mutter Maria
gehören zusammen. Man kann auch die Gegenprobe machen
und etwas provokativ fragen:
Wo sind eigentlich die Früchte der Christusfrömmigkeit bei denen, die einen großen Bogen um jede Marienverehrung machen? Wo wird denn Jesus treuer nachgefolgt, wo wird er inniger geliebt, wo wird er aufmerksamer gehört, als dort, wo auch seine Mutter verehrt wird? |
[1] Joseph Ratzinger, Tochter Zion. Betrachtungen über
den Marienglauben der Kirche, Einsiedeln 1975, 2. Aufl. 1977, 33 f.
[2] Vgl. Kardinal Faulhaber, Marienkirche und Marienkult.
Predigt zur Einweihung des Domes in Linz am 1. Mai 1924, in: Rufende Stimmen
in der Wüste der Gegenwart. Gesammelte Reden, Predigten, Hirtenbriefe,
Freiburg i. Br. 1931, 104-118, 108.
(Quelle: "Bote von Fatima", Nov. 2015, S. 3-6, Regensburg)
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