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 Heilswerk Jesu im Leben Mariens - Thomas von Kempen, aus der Nachfolge Mariens:
Verdienste und Vorzüge der seligen Jungfrau Maria

Das Heilswerk Jesu im Leben Mariens
Thomas von Kempen, aus der Nachfolge Mariens
(Fortsetzung)

7. Die freudige Erscheinung des Auferstandenen bei seiner Mutter in der abgeschiedenen Kammer
Herr Jesus Christus, einziggeborener Sohn Gottes, zu unserem Heil Fleisch geworden und geboren aus der Jungfrau Maria, ich preise dich und danke dir für deine glorreiche und wahre Auferstehung am heutigen Tag. Ich preise dich besonders für deine überaus freudige und verborgene Erscheinung, mit der du dich gewürdigt hast, dich deiner allerheiligsten Mutter Maria in der abgeschiedenen Kammer ihres Hauses liebevoll zu zeigen, und zwar noch vor all deinen heiligen Freunden und den dir vertrauten und geliebten heiligen Frauen. Sie war gerade im Gebet und erwartete deine Ankunft bereits mit großer Sehnsucht und Zuversicht. Du gabst ihr einen ehrerbietigen Gruß, schenktest ihr zärtlichsten Trost und Stärkung und erfreutest sie vollkommen mit deiner körperlichen Gegenwart im Gewand der Freude und der Glorie der Unsterblichkeit.
Es ist nämlich billig und recht, deine Mutterliebe zu erwägen und wegen der Ehrung deiner heiligsten Mutter zu glauben, dass du in allen deinen Handlungen gütig und barmherzig bist. Dies wird auch von allen Gläubigen in frommer Weise geglaubt. Du hast ja befohlen, die Eltern zu ehren und die Trauernden zu trösten. Darum hast du zuerst vor allen anderen deine heiligste, über deine Passion äußerst betrübte Mutter besucht, hast sie mit deiner Gegenwart erquickt, von allem Schmerz und Traurigkeit erleichtert und sie unsagbar froh gemacht.
Indes, sie ging nicht mit den anderen frommen Frauen, um dein Grab zu besuchen. Sie unterließ dies nicht aus Furcht und Zittern oder wegen übermäßigen Schmerzes, sondern sie blieb zu Hause, weil sie ganz sicher wusste, dass du auferstehen wirst, und sie felsenfest auf dein Kommen am dritten Tag hoffte. Unterdessen war sie frei für das heilige Gebet und erwartete mit großer Sehnsucht deine Ankunft. Weil sie dich vor allen liebte und ersehnte, an dich glaubte und in keiner Weise zweifelte, verdiente sie es auch deshalb, dich als erste zu sehen. Wenn nämlich Maria glücklich zu preisen und zu loben ist, weil sie den Worten des Engels Gabriel geglaubt hat, als er ihr das heilige Geheimnis der Menschwerdung verkündete, wie muss man sie überaus selig preisen und loben, weil sie dir, ihrem eigenen Sohn, in allen deinen Handlungen vertraute und fest stand und in keiner Weise wankte, während alle anderen noch zweifelten.
O mit welch unsagbarer Freude ist deine heilige Mutter Maria in jener Stunde erfüllt gewesen, als sie dich sah, ihren Sohn, geschmückt in hell strahlendem Glanz und verklärtem Leib, leuchtender als die Sonne und schöner als alle Sterne! Wie unaussprechlich und innig frohlockte ihr Geist in dir, Jesus, ihrem Gott und Heiland, für alle weiteren Tage ihres irdischen Lebens. Mit welch aufmerksamen Augen betrachtete sie deinen verklärten Leib. Über ihn hatte sie zuvor Schmerz empfunden, als er von den grausamen Geißeln roh zerschlagen wurde, ihn hatte sie gesehen, wie er ans Holz des Kreuzes genagelt und von der Lanze des Soldaten Longinus in der rechten Seite durchbohrt wurde. Und dieser Leib war schließlich tot und eingeschlossen im Grab gelegen. Deshalb bist du heute verdientermaßen Maria im Glanz deiner Herrlichkeit erschienen. Nun war sie fröhlicher als sonst und wurde mit neuen Tröstungen erfüllt. Während der Passion hatte sie doch heftiger als die anderen Schmerz empfunden, reichlicher geweint und viele dazu bewogen mit ihr zu weinen. Damals hast du dein Wort erfüllt, o Herr, das du beim letzten Abendmahl deinen Aposteln zum Trost versprochen hast, und du hast es wahrhaft deiner betrübten Mutter in Aussicht gestellt, als du sprachst: Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch (Joh 14,18) und Ich werde euch wiedersehen; dann wird sich euer Herz freuen, und niemand nimmt euch eure Freude (Joh 16,22).
Du hast gütig gehandelt, bester Jesus, als du in kindlicher Anhänglichkeit deine geliebteste Mutter besuchtest, sie ehrerbietig grüßtest, sie liebevoll ansprachst, sie herzlich tröstetest, dein frohes Antlitz ihr zeigtest und alle Traurigkeit und schmerzlichen Tränen aus ihren Augen wegwischtest. Denn allein durch dein Erscheinen entfloh jeder Schmerz und jede Klage. Und als du zu ihrem Herzen sprachst, ruhte in ihr der Heilige Geist, der Beistand, mehr als bei den Aposteln. Sie war im ganzen Herzen trunken von seiner Freude. Und wie du einst bei der Hochzeit auf ihr Zureden hin Wasser in besten Wein verwandelt hast, bist du jetzt von der Unterwelt zurückgekehrt und hast, nachdem die Feinde mit großer Macht und Wunderkraft besiegt waren, Tod in Leben, Kreuz in Herrlichkeit, das Weinen der Mutter in Jubel und die Furcht der Jünger in ewige Freude verwandelt.
Du hast keinen Engel geschickt, keinen Erzengel, nicht Michael, nicht Gabriel, nicht Raphael, deine herkömmlichen Boten, und auch nicht irgendwelche würdigen weltlichen Diener, mit schöner Gestalt, bekleidet mit Gold, Silber und wertvollen Edelsteinen, um deine Mutter zu besuchen, die Königin des Himmels und unsere geliebte Herrin. Vielmehr bist du selber, König der Herrlichkeit, Jesus Christus, persönlich morgens vor Tagesanbruch gekommen, ohne dass es irgendein Mensch bereits wusste und auch ohne einen Boten vorauszuschicken, um deine allerseligste Mutter zu besuchen und zu trösten. Sie war gerade eifrig im Gebet und erwartete mit vollem Vertrauen deine Rückkehr aus dem Grab im verklärten Leib. Sie wusste nämlich, dass sich alles so erfüllen musste, wie du es durch deinen Mund vorausgesagt hast, und wie es lange Zeit zuvor die heiligen Propheten über dein Leiden und deine Auferstehung angekündigt haben. Das ist wirklich der Tag der Freude, den du heute gemacht hast. Es ist würdig und recht, ihn herrlicher und feierlicher, heiliger und freudiger zu halten als alle anderen Tage des Jahres in der Reihe der Festtage.
Ich lobe und verherrliche dich mit all' deinen Heiligen im Himmel und mit allen frommen Gläubigen auf Erden für dein liebevolles Gespräch und deine intime Begegnung, die du mit deiner geliebtesten heiligen Mutter Maria in ihrer Kammer hattest, fernab von jedem weltlichen Lärm. Du sprachst mit ihr über die göttlichen Geheimnisse des Reiches Gottes, über die Freuden des Paradieses, über die Chöre der Engel, über die Erlösung der heiligen Seelen aus der Unterwelt und ihre Aufnahme in das liebliche Paradies zusammen mit Henoch und Elija.
O dass ich doch dort dabei gewesen wäre und deine süßen Worte gehört hätte, still am Fenster gestanden wäre und aufmerksam auf die einzelnen Worte gelauscht hätte, die mein Herr Jesus Christus mit seiner Mutter gesprochen hat über die göttlichen Jubeltänze der Himmelsbewohner, ohne dass es irgendein anderer als ich gehört hätte!
Mit welcher Freude hätte mein Herz im Herrn gejubelt, wenn ich dort ein schlichtes Wort hätte festhalten können als Trost für mich in der gefahrvollen Verbannung dieser Welt. Und vielleicht waren es solche Worte, die man keinem Menschen ausplaudern soll, sondern im Schweigen bewahren und mit freudigem Herzen überdenken muss. Selig, wer diesen Jubel kennt, alles Irdische durch die Betrachtung hinter sich lässt, sich mit Jesus und Maria den ganzen Tag beschäftigt und sich nicht kümmert und erwägt, was immer in der Welt passiert.
Ich schätze, dass keiner der Sterblichen würdig gewesen ist, an diesem Gespräch teilzunehmen, sondern allein die heiligen Engel und die Seelen der Gerechten, die ihrem Herrn mit großer Ehrfurcht und großer Freude wo auch immer folgten. Und vielleicht waren diese Begegnung und der liebevolle Besuch im kleinen Haus der Mutter so hoch und erhaben, dass es zu diesem Zeitpunkt den Aposteln nicht erlaubt war einzutreten. Sie hätten auch die wunderbaren Verheißungen nicht fassen können, welche in jener Stunde der vom Vater verherrlichte Jesus mit seiner gebenedeiten Mutter Maria, der Vollbegnadeten, besprochen hat.
Deshalb überlasse auch ich dies alles besser den heiligen Engeln und dir, Herr Jesus. Demütig bitte ich dich um Verzeihung für alle meine Sünden und Nachlässigkeiten. Du offenbarst deine Geheimnisse den Kleinen und nährst die Hungernden mit dem himmlischen Brot.
O gütigster Jesus Christus, der du nach deinem bitteren Leiden und deiner glorreichen Auferstehung deiner allerheiligsten Mutter Maria in strahlendem Glanz freudig und beglückend erschienen bist und die Betrübte und Traurige mit unaussprechlich neuer Freude erfüllt hast! Habe mit mir armen und schwachen Bettler Erbarmen; denn in der Verbannung dieser Welt bin ich oft schwer bedrängt.
Ich werfe mich heute tief vor dir hin, klopfe inständig und eifrig an den Eingang deiner gütigen Mutter und flehe, du mögest dich würdigen, auch mich zur Zeit meiner Betrübnis in meinem Inneren zu besuchen, zu trösten, zu stärken und mich von jeder bösen Traurigkeit und eitlen Freude zu befreien.
Entzünde also nun mein Herz, dich mit neuer Glut und größerer Andacht zu loben. Bewahre es, damit ich lerne alle irdische Eitelkeit aufzugeben, das Himmlische zu suchen, zusammen mit Maria Geschmack zu finden an den ewigen Gütern, die göttliche Wirklichkeit zu betrachten und in dir allein zu jubeln. Wer kann mir Armseligen helfen, diese Dinge tief und intensiv zu bedenken und hier bei unserem Herrn Jesus länger zu verweilen, damit mir die ganze Welt samt ihren Verehrern bitter werde und schneller aus meiner Erinnerung verschwinde?
Ich bitte dich, liebster Jesus, zusammen mit deiner liebsten Mutter Maria und deinen heiligen Engeln, mache, dass ich an dir allein über alles Gefallen und Geschmack finde, entflamme das Innere meines Herzens, besuche mich öfters, segne mich reichlicher, bewahre mich in der Frömmigkeit und geleite mich nach den Beschwernissen dieses Lebens sicher zu dir in die himmlischen Freuden.

8. Die erhabenen Verdienste und Vorzüge der seligen Jungfrau Maria
Viele Töchter sammelten Reichtum: Du hast sie alle übertroffen (Spr 31,29)

Liebe Brüder, ihr sollt treue Diener von Jesus Christus sein und ergebene Verehrer seiner heiligsten Mutter und Jungfrau Maria, wenn ihr mit ihnen im Himmel ewig glücklich sein wollt. Ihr werdet dann von Gott und seiner gebenedeiten Mutter geliebt, wenn ihr im Herzen demütig und mit dem Leib keusch seid, wenn ihr in eurem Umgang miteinander allezeit bescheiden seid, vorsichtig, gottesfürchtig und besonnen, wenn ihr niemandem Anlass zum Ärgernis oder einer gerechten Klage gebt. Es ist sehr wertvoll für euer Heil, für die Ehre Gottes und für das Lob der seligen Jungfrau, andächtig zu beten, eifrig zu sein bei der geistlichen Lesung, strebsam bei der Arbeit, ruhig im Schlafraum, wach beim Chorgebet, freudig beim Singen, einsichtig bei der Kapitelbuße, zugänglich bei der Zurechtweisung, streng beim Schweigen, nüchtern beim Essen, züchtig mit den Augen und im ganzen Lebenswandel tadellos.
Wenn ihr also die selige Jungfrau würdig zu loben und angemessen zu verehren wünscht, dann seid wie einfältige Kinder Gottes ohne Bosheit, ohne Täuschung, ohne Nichtsnutzigkeit, ohne Lüge, ohne Zorn, ohne Streit, ohne Gemurmel, ohne Verdächtigung. Ertragt all' eure Gegensätzlichkeiten in brüderlicher Liebe, Demut und Geduld, um Jesus, Maria und das Leben der Heiligen nachzuahmen, zu eurem Frieden und zur Erbauung der anderen, besonders aber um die Herrlichkeit der Heiligen Dreifaltigkeit zu genießen. Denn alles Bittere wird süß und alles Schwere wird leicht, wenn die Liebe zu Jesus und die Erinnerung an seine gütige Mutter das Innerste des Herzens durchdringt. Wenn jemand diese Gedanken prüfen will, soll er häufig darüber betrachten, sprechen, lesen, singen und beten.
Damit euch aber ein ganz klein wenig die überragende Würde der allerseligsten Jungfrau Maria bekannt wird, hört ein wenig von ihren zahlreichen Gnadengaben und Vorzügen, womit sie Gott gesegnet und über alle heiligen Engeln und Erzengeln im Himmel und über alle Menschen auf Erden erhoben hat. Sie ist die heiligste Jungfrau und liebste Gottesmutter, von ihr singt die heilige Kirche weit und breit über den ganzen Erdkreis hinweg.
Die heilige Gottesgebärerin ist erhoben über alle Chöre der Engel im Himmelreich. Bedenkt also aufmerksam die alten Geschichten der heiligen Patriarchen; aus ihrem Stamm ist die Gottesmutter Maria geboren gleich einer Rose ohne Dornen unter den Disteln. Bedenkt auch, wie in alten Zeiten durch viele heilige Patriarchen und Propheten, durch Richter und Könige, durch Priester und Leviten, durch Gelehrte und Schreiber, mit Worten, Zeichen und Bildern angekündigt worden ist, dass Christus, der Sohn Gottes, aus einer Jungfrau zur Erlösung der Welt geboren und am Kreuz sterben werde. So war es in vollem Maße angemessen und weise, dass die selige und gottesfürchtige Jungfrau Maria nach dem göttlichen Plan im Voraus geformt und angekündigt wurde: und zwar durch die heiligen Jungfrauen jener Zeiten, durch vornehme Frauen, durch sittsame Witwen, durch fromme Prophetinnen und durch weitere ehrenhafte und keusche Ehefrauen, die, um die Schamhaftigkeit zu bewahren, zusammen mit ihren Dienerinnen eingeschlossen in ihren Häusern und Kammern lebten, fernab von den Blicken der Männer.
Maria ist nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift wahrhaft die klügste Jungfrau aller Jungfrauen, die keuscheste aller Frauen, die schönste aller Mädchen, die rechtschaffenste aller Ehefrauen, die anmutigste aller Damen und die edelste Königin aller Königinnen. In ihr wohnt alle Zierde der Jungfräulichkeit, jede moralische Tugend, jede theologische Spekulation, jede zärtliche Frömmigkeit, jede Übung der Tugend und jede Vollendung der Heiligkeit: Alle diese Dinge harmonieren zusammen und leuchten in ihr in einer vollendeten Weise auf, so dass keine vor ihrem Erscheinen ihr ähnlich war und keine seit ihrem Kommen ihr gleich ist, war oder sein wird.
Wie einst der materielle Tempel Salomons der stattlichste aller Tempel der Erde war, weit und breit berühmt, reichlich ausgeschmückt und bei den Königen und Völkern überall im Ansehen stand, so überstrahlt der geistige Tempel Gottes, das ist die selige, ganz makellose Jungfrau Maria, alle Tempel der Heiligen und muss deshalb weitaus mehr geehrt und geliebt werden.
O wahrhaft berühmte Tochter, aus der hervorragenden Sippe der Patriarchen vortrefflich geboren, aus priesterlichem Geschlecht edel hervorgegangen, von priesterlicher Würde ehrenvoll abstammend! Du bist in Wahrheit vom Chor der Propheten verheißen, du bist berühmtester Spross aus königlichem Geschlecht, du stammst von der direkten Linie Davids ab, du bist ruhmvoll aus dem edlen Stamm Juda hervorgegangen. Du glücklichste Tochter aus dem Volk Israel, du einzigartig im Voraus Erwählte aus dem auserwählten Volk Gottes: Du bist nach göttlicher Vorsehung von heiligen, frommen und Gott wohlgefälligen Eltern in großer Freude geboren worden.
O glückliche und unbescholtene Jungfrau Maria, allen Lobes und aller Ehre überaus würdig, alle müssen dich mit ganzer Liebe und Ehrerbietung in ihr Herz schließen! O glänzende Perle unter den Jungfrauen, du bist von Anfang an und schon Jahrhunderte zuvor von Gott vorherbestimmt worden, in der Fülle der Zeit den Erlöser der Welt zu gebären! Du bist von den Patriarchen ersehnt, von den Propheten verheißen, von vielen Königen und Gerechten erwählt, vom frommen Volk Israels lange erwartet und der leidenden Welt endlich von der göttlichen Barmherzigkeit sichtbar gezeigt worden.
O heilige, aus edlem Geschlecht stammende Jungfrau Maria! Wie herrlich und lobenswert ist dein Name auf der ganzen Erde. Denn vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang wird durch das Evangelium deines Sohnes Jesus Christus dein Name in den verschiedensten Teilen der Welt verkündet: bei den Juden und Heiden, bei den Griechen und Lateinern, bei den Römern und Germanen. Und noch täglich wird in allen Kirchen Gottes dein berühmter Name verkündet, in Kapellen und Klöstern, auf Feldern und in Gott geweihten Wäldern, von Kleinen und Großen, durch Priester und Gelehrte und durch Prediger der verschiedenen Orden. Sie alle wünschen gleichermaßen dich zu loben und bekannt zu machen. Außerdem erglühen alle Gerechten und freuen sich sehr darüber, dich bis zu den Sternen des Himmels zu erheben und deine Heiligkeit und Schönheit mit erhebender Stimme über die Würde der Engel hinaus unsterblich zu machen. Wegen ihrer großen Liebe und frommen Zärtlichkeit können sie beim Singen, beim Beten, bei der Betrachtung und bei der Feier der dir geweihten Feste nicht ermüden, gemäß jenes Wortes der Weisheit: Die mich essen, hungern nach mehr, und die mich trinken, dürsten nach mehr (Sir 24,21).
Lob und Ehre dem Höchsten Gott, der dir, o Maria, die größte Gnade unter allen Menschenkindern erwiesen hat. Er hat jetzt deinen Sitz neben dem Thron deines Sohnes im Himmelreich gestellt, an herausragender Stelle über allen Chören der Engel und Heiligen. Er war von Ewigkeit herrlich für dich vorbereitet und wird dir für alle Zeiten segensreich bleiben.
O höchst verehrungswürdige Jungfrau Maria, Mutter und Tochter des ewigen Königs, du bist durch den Mund aller zu preisen und mit jeder Auszeichnung zu ehren! Du bist die Jungfräulichste, die Demütigste, die Wohltätigste, die Geduldigste, die Barmherzigste. Beim Gebet bist du die Andächtigste, bei der Betrachtung die Klarste, bei der Beschauung die Höchste, im Mitleiden die Liebevollste, beim Raten die Klügste und bei der Hilfe die Mächtigste. Du Palast Gottes, du Pforte des Himmels, du Paradies der Freuden, du Brunnen der Gnaden, du Ruhm der Engel, du Freude der Menschen, du Vorbild der Sitten, du Glanz der Tugenden, du Leuchte des Lebens, du Hoffnung der Armen, du Rettung der Schwachen, du Mutter der Waisen. Du bist die Jungfrau der Jungfrauen, ganz lieblich und schön, strahlend wie ein Stern, reizvoll wie eine Rose, glänzend wie eine Perle, leuchtend wie die Sonne und der Mond am Himmel und auf Erden.
O milde Jungfrau, unschuldig wie ein Lamm, einfältig wie eine Taube, klug wie eine edle Dame, dienstfertig wie eine demütige Magd! O heilige Wurzel, du hoher Zedernbaum, du fruchtbarer Weinstock, du süßer Feigenbaum, du majestätische Palme! Bei dir findet man alles Gute und durch dich werden uns die ewigen Belohnungen geschenkt. Wir müssen uns also, solange wir leben, alle zu dir flüchten wie Kinder auf den Schoß ihrer Mutter und wie Waise zum Haus des Vaters, damit wir durch deine glorreichen Verdienste und Fürbitten von allem Bösen geschützt werden.

Äußerungen eines gewissen Gelehrten über die zwölf Sterne in der Krone der seligen Jungfrau
Aber hört jetzt die Äußerungen eines gewissen Gelehrten über die zwölf Sterne in der Krone der seligen Jungfrau. Unsere Herrin, die heilige Maria, strahlt durch sie vor allen Heiligen im Himmel. Diese zwölf Sterne bedeuten zwölf Vorrechte ihrer glänzenden Regentschaft. Maria besitzt sie im Hinblick auf alle anderen Himmelsbürger.
Im Bezug auf die streitende Kirche besitzt sie vier leuchtende Vorrechte, ganz strahlend durch die Werke der Barmherzigkeit. Denn mehr als alle anderen erhört sie freigebiger, neigt sich tiefer, handelt kraftvoller und kommt häufiger zu Hilfe. So lehrt es uns die Erfahrung in den schwierigen Situationen der Kirche.
Ebenso besitzt sie im Bezug auf die triumphierende Kirche vier weitere hervorragende Privilegien. Denn sie thront im Himmel höher als alle anderen, strahlt auf in größerem Lichte, wird glühender geliebt und mehr verehrt. Es ist angemessen, so über ihre glorreichen Verdienste zu denken.
Ebenso besitzt sie im Bezug auf die glückseligmachende Allerheiligste Dreifaltigkeit vier gleichartige Gnadenvorrechte, d. h. hellere Sterne als die übrigen Gestirne. Denn unter allen anderen, welche die Herrlichkeit der ewigen Dreifaltigkeit betrachten, erfasst sie die heilige Trinität am klarsten, liebt sie folglich mit größerer Zuneigung, betrachtet sie inniger und genießt sie intensiver als alle Heiligen im Himmel.
Aber hört jetzt noch, was der heilige Bernhard, ein glühender Verehrer der seligen Jungfrau, der „honigfließende" Gelehrte und fromme Erzieher der Mönche, über diese Sterne sagt: „Auf ihrem Haupt ein Kranz von zwölf Sternen ... (Offb 12,1). Wer vermag aber den Wert dieser Edelsteine zu schätzen? Wer vermag die Sterne zu zählen, aus denen sich das königliche Diadem Mariens zusammensetzt? Es ist unmöglich, dass ein Mensch angeben und erklären könnte, wie diese Krone zusammengesetzt ist."
Entsprechend dem Maß unserer Kleinheit und fernab von gefährlichem Erforschen göttlicher Geheimnisse, lasst uns trotzdem vielleicht nicht ganz unpassend danach trachten, diese zwölf Sterne und ihre zwölf Bedeutungen zu verstehen, womit Maria auf einzigartige Weise geschmückt ist. Denn bei Maria sind Vorzüge des Himmels, Vorzüge des Fleisches und Vorzüge des Herzens zu finden. Und wenn wir diese drei mit vier multiplizieren, erhalten wir sicherlich die zwölf Sterne, womit das Diadem unserer Königin vor den Augen aller aufleuchtet. Für mich erstrahlt der Glanz zuerst bei der Geburt Mariens, zweitens beim Gruß des Engels, drittens bei der Herabkunft des Heiligen Geistes und viertens bei der unaussprechlichen Empfängnis des Sohnes Gottes. Allerdings wird es nun eine Aufgabe für euren Fleiß sein, jeden einzelnen Aspekt genauer zu ergründen. Mir mag es genügen, dass euch von den vielen Gedanken einige bekannt geworden sind. Wenn jemand mehr über die mystische Bedeutung der Sterne wissen will, soll er jenes Gespräch des heiligen Bernhard lesen, welches mit dem Thema anfängt: Ein großes Zeichen erschien am Himmel... (Offb 12,1)
Liebe Brüder, wegen der besonderen Verehrung und Liebe, die ihr zur allerseligsten Jungfrau Maria hegt, erwägt also diese Gedanken häufig und kostet sie ständig mit eurem Mund. Singt gerne in Dankbarkeit Hymnen und Lieder der Freude an ihren Festen und unterm Jahr zu ihrem Andenken. Besonders aber entblößt euer Haupt und verneigt euch vor dem Altar Gottes und dem Bild der seligen Jungfrau. Beugt demütig euer Knie, als ob ihr Maria real gegenwärtig mit dem Engel reden oder sie ihren Sohn auf dem Schoß halten sähet. Dann erfleht voll Inbrunst, mit erhobenen Augen und mit Zuversicht auf die zu erwartende Rettung die barmherzige Hilfe von der Mutter der Barmherzigkeit und sprecht folgendes Gebet:
O sanftmütigste Mutter Gottes und Jungfrau Maria, Königin des Himmels und Herrin der Welt, du Freude der Heiligen und Trost der Sünder! Achte auf das Seufzen der Betrübten, erfülle die Sehnsucht der Frommen, wende die Nöte der Schwachen, stärke die Herzen der Verzagten, stehe den Kämpfenden bei und schütze deine flehenden Diener vor dem Angriff der Dämonen. Geleite deine Verehrer zusammen mit dir zum Lohn der ewigen Seligkeit, wo du mit deinem geliebtesten Sohn Jesus Christus glücklich für immer regierst. Amen.

(Quelle: "Dienst am Glauben", Heft Nr. 3 / 2013 , S. 67-73, Innsbruck, nur für den priv. Gebrauch)
Bild: Muttergottes von Marpingen/Deutschland



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