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Franz von Sales - Weg zu GOTT
Otto Karrer
Vertrauen
Der Herr hat mich von Jugend auf gelehrt, der Vorsehung zu vertrauen,
und wenn ich noch einmal zur Welt käme, ließe ich mich von vornherein
auch in den geringfügigsten Dingen von dieser göttlichen Vorsehung
mit der Einfalt eines Kindes und mit Verachtung aller menschlichen Klugheit
leiten. Es ist für meine ganz Gott hingegebene Seele ein wahres Vergnügen,
mit geschlossenen Augen dahin zu wandeln, wohin Gottes Vorsehung mich führen
mag. Ihre Absichten sind unerforschlich, aber immer wunderbar und liebreich
denen, die sich ihr vertrauen.
Lassen wir also unsere Seele in diesem Schimein der Vorsehung fahren;
sie wird uns in einen guten Hafen lenken. Selig, wer sich dem vertraut,
der als Gott alles Gute geben kann und es auch geben will als Vater; unselig
aber die, die ihr Vertrauen auf Geschöpfliches gründen - das
viel verspricht und wenig gibt und sich auch das Wenige teuer bezahlen
lässt. Könnten wir die Vorsehung in ihrem wunderbaren Walten
recht begreifen, unser Herz müsste von innigem Gefühl der Liebe
und des Dankes fröhlich sein.
Wie groß ist Gottes Liebe zu den Menschen! Wie schützt
und führt Er uns so sanft! Er will, dass wir Ihm angehören.
So wollen wir denn keinen anderen Arm mehr suchen, uns darauf zu
stützen, als den seinen; nichts anderes mehr vor Augen und im Sinne
haben als Ihn allein; unseren Willen so innig mit dem seinigen einen, dass
nichts diese Einigung stören kann.
Lasst uns darin zufrieden und fröhlich sein, in Ruhe alles
das zu wollen, was sein heiliger Ratschluss will! Lassen wir uns von Ihm
leiten! Denken wir nicht so viel an uns selbst! Leben
wir ganz der göttlichen Vorsehung anheimgegeben! Wir werden
gut geborgen sein, wenn wir keine andere Zuflucht haben. Unsere
Geschäfte werden umso besser vonstatten gehen, wenn Gott mit uns ist.
Oder sollte das Kind zugrunde gehen können, das von den Händen
seines allmächtigen Vaters getragen ist?
Der Herr liebt mit unendlich zarter Liebe alle, die sich so gänzlich
seiner väterlichen Sorge überlassen und von seinen Fügungen
sich leiten lassen, dass sie nicht auf den Wechsel des Süßen
oder Bitteren achten, wodurch die Vorsehung sie prüft, sondern sich
in allem von diesem einen überzeugt halten, dass Gott denen, die Ihn
lieben, alles zum Besten gereichen lässt. „Mein Vater", so sprechen
sie mit Jesus, „Dir befehle ich meinen Geist, meinen Leib und meine Seele
samt allem, was ich habe. Verfüge darüber nach Deinem Wohlgefallen!
Ich einige mich mit dem, was Du verfügst, ich will Dich in mir und
für mich walten lassen, wie es Dir gefällt, und übergebe
Dir alle Sorge für mich selbst."
So muss man unter dem Wechsel dieses Lebens einen stetigen und unerschütterlichen
Gleichmut des Lebens bewahren und, wenn sich auch alles um uns ändert,
immerfort den ruhigen Blick der Seele hingewendet haben zu Gott. Mag alles
um uns, ja selbst in uns drunter und drüber gehen, mag unsere Seele
traurig oder fröhlich sein, in Süße oder Bitterkeit, in
Frieden oder Sturm, in Tröstung oder Ekel, mag die Sonne glühend
brennen oder milder Tau uns kühlen - unser Wille soll immerdar auf
Gottes einziges Wohlgefallen schauen; darin liegt unser wahres, höchstes
Gut.
Da ich früher oder später mein Heil nur in der reinen
Güte und Erbarmung Gottes finden kann, will ich mich allsogleich in
seine Arme werfen. Mein Schicksal liegt in der Hand des Vaters; mir geschehe
nach seinem Willen!
Es ist wahr, es bedarf eines großen Vertrauens, um sich so
unbedingt der göttlichen Führung zu überlassen. Wenn wir
aber ganz aus unserem Selbst herausgehen und uns in Gottes Arme werfen,
übernimmt der Herr alles für uns und sorgt für uns ganz
wunderbar. Halten wir aber auch nur etwas zurück und setzen einen
Vorbehalt hinter unsern Glauben, so lässt uns Gott im Stich, als ob
Er sagen wollte: „Du hältst dich ja für weise, es ohne mich zu
tun - gut, ich lass dich gewähren; du wirst schon sehen, wie weit
du kommst!"
Lass also Gott nur walten über dir und allen deinen Sorgen!
Lass Ihn mit dir machen, was Er will, wie kleine Kinder sich von ihrer
Mutter oder Wärterin lenken lassen! Ob seine Vorsehung dich auf dem
rechten oder linken Arme tragen will, lass sie nur walten: Ein Kind bekümmert
sich darum nicht. Mag sie dich niedersetzen oder aufheben, lass sie walten:
Sie ist eine gute Mutter und weiß besser als wir selbst, was uns
not tut.
„Der Herr ist mein Hirt, mir wird nichts mangeln." Er ist mein Steuermann,
mein Führer. Mag Er zur Rechten mit uns wenden oder zur Linken, mag
Er uns wie einst Jakob in die Enge treiben und mit uns kämpfen, mag
Er uns bedrängen bald da bald dort, mag Er uns wehtun tausendmal:
Wir wollen Ihn doch nicht lassen, Er habe uns denn seinen Segen gegeben.
Gottes Güte lässt uns nur los, um uns desto fester zu fassen;
Er entfernt sich nur, um uns desto besser zu behüten; Er ringt nur
mit uns, weil Er sich uns ergeben und uns segnen will.
Mut, Mut, liebe Seele! Lasst uns stark und aufrecht wandeln durch
die tiefen Täler! Lasst uns tragen unser Kreuz in Demut, in Geduld!
Was bedeutet es, ob Gott zu uns aus Dornen redet oder aus duftenden Blumen!
Ich weiß nicht einmal, ob Er jemals unter Blumen zu uns gesprochen
hat; sicher aber ist, dass Er gar oft in Wüste und Dornbusch zu den
Menschen redete.
Wandle also ruhig hin, o Seele, und schreite
vorwärts auf der mühevollen Bahn! Hebe gen Himmel deine Augen
und erkenne, dass nicht einer von den Sterblichen, die dort selig sind,
anders als durch unaufhörliche Drangsal dahin gelangte! Sprich zu
dir in schweren Stunden: Hierdurch geht der Weg zum Himmel. Schon sehe
ich in der Ferne den Hafen und kein Sturm, das weiß ich, soll mich
hindern, dorthin zu gelangen.
Mag der Himmel sich gegen mich waffnen, mögen
die Elemente der Erde sich erheben gegen mich, mag alles mir den Krieg
erklären: Ich fürchte nichts. Es genügt mir zu wissen, dass
Gott bei mir und in mir ist mit seiner Gnade.
Starkmut
Willst du immer in Gott leben, musst du nach festen Grundsätzen
leben. Der erste Grundsatz ist der des hl. Paulus, dass denen, die Gott
lieben, alles zum Besten gereicht. In der Tat, da Gott die Macht und Weisheit
hat, das Böse selbst zum Guten zu lenken, für wen sollte Er jemals
von dieser Macht Gebrauch machen, wenn nicht für jene, die sich Ihm
rückhaltlos ergeben haben? Selbst die Sünden - vor denen seine
Güte uns bewahre - gereichen nach Gottes liebreichem Plane denen zum
Heil, die Ihm hingegeben, seines Wohlgefallens sind. Niemals
wäre David zu seiner tiefen Demut gelangt, wäre er nicht gefallen.
Niemals wäre Magdalena zu jener Höhe der Gottesliebe emporgestiegen,
wäre ihr nicht so viel vergeben worden - und niemals wäre ihr
vergeben worden, wäre sie nicht Sünderin gewesen.
Der zweite Grundsatz ist, dass Gott unser Vater ist. Sonst würde
Er uns nicht gelehrt haben, gerade so zu beten: "Vater
unser, der Du bist in dem Himmel." Was kannst du fürchten,
da du Kind jenes Vaters bist, ohne dessen Willen nicht einmal ein Haar
von deinem Haupte fällt? Es ist wahrlich seltsam, dass wir Kinder
eines solchen Vaters uns noch Sorgen machen. Nur eines ja ist notwendig:
Ihn lieben und Ihm dienen. „Sei meiner eingedenk",
sagte Er zur hl. Katharina von Siena, „und ich werde deiner gedenken!"
Ein weiterer Grundsatz ist, die Ewigkeit im Sinn zu haben. Denn was kümmert
mich, wie ich diese wenigen flüchtigen Augenblicke verlebe, wenn ich
nur der ewigen Glorie in Gott teilhaft bin! - O meine Seele, siehe, wir
wandern in das Land der Ewigkeit; fast stehen wir mit einem Fuß schon
darin. Sind wir nur ihrer sicher, was kümmern uns die flüchtigen
Augenblicke der Vergänglichkeit, und wären sie auch noch so peinvoll
für uns! Was nicht für ewig währt, das kann nur eitel sein.
Der letzte Grundsatz ist wiederum vom Apostel: „Fern sei von mir,
dass ich mich in etwas anderem rühme als im Kreuze meines Herrn."
Pflanze in dein Herz das Zeichen des gekreuzigten Erlösers, und alle
Kreuze dieser Welt verwandeln sich in Rosen. Wer von den Dornen unseres
Herrn verwundet ist, der empfindet andere Stiche wenig.
Ich sage nicht, du sollest dein Kreuz nicht fühlen. Deine Seele
würde mir vielleicht antworten, dein Schmerz sei zu groß, als
dass du ihn überhaupt vergessen könntest. Aber was ich dir sage,
ist dies: Betrachte dein Leid im Lichte des Kreuzes! Dann wird es kleiner
und kleiner werden vor dir und wenn nicht, so wird es heilig und ergreifend
vor dir stehen und seine Bitterkeit wird dir lieber sein als aller Trost
und alle Süßigkeit, die du sonstwo finden könntest. Und
wenn du mir sagst, du leidest gerade darunter so sehr, dass dein Gemüt
im Leiden nicht in heiliger Inbrunst deinem Gott entgegenjuble, und du
würdest nicht so bitter leiden, wenn du diesen Gottestrost in deiner
Seele empfändest - denke wohl, dass Gottesliebe nicht das Gleiche
ist wie Trost und Zärtlichkeit des Fühlens. Sonst hätte
ja der Heiland damals keine Liebe mehr gehabt zum himmlischen Vater, da
Er „bis zum Tod betrübt" war und zum Himmel rief: „Mein Gott, mein
Gott, warum hast Du mich verlassen!" - und doch brachte Er gerade damals
das größte Opfer der Liebe, das sich denken lässt im Himmel
und auf Erden.
Sage mir, bist du in den Drangsalen dieses
Lebens je zugrunde gegangen, selbst zu einer Zeit, da dein Vertrauen auf
Gott mangelhaft war? Nein, sagst du. Warum also solltest du nicht Vertrauen
fassen können, dass deine gegenwärtigen Leiden ebenfalls gut
ausgehen werden? Gott hat dich noch nie verlassen. Wie sollte Er jetzt
es tun, wo du Ihm mehr als früher hingegeben bist?
Fürchte dich nicht vor etwa kommenden Übeln deines Lebens;
vielleicht treffen sie dich nie, und jedenfalls wird Gott dich stärken,
dass du sie tragen kannst, wenn Er sie schickt. Er befahl dem hl. Petrus,
über die Wellen zu wandeln, und als diesen Furcht ergriff im Sturmwind,
da ließ die Furcht ihn sinken; sein Glaube war nicht fest genug,
und er rief um Hilfe. Der Meister aber sprach: „Du Kleingläubiger,
warum hast du gezweifelt?" Und Er reichte ihm die Hand und Petrus war gerettet.
Wenn nun der Herr dich auf den Wegen des Leidens
wandeln lässt - zweifle nicht und fürchte nichts: Dein Gott ist
bei dir. Habe den Mut, frei zu sein und du bist frei! Trock'nen Fußes
wandelst du hindurch. Mögen Stürme und Ungewitter hereinbrechen,
du wirst nicht zugrunde gehen: Denn du bist bei Jesus. Ergreift dich Furcht,
so rufe laut: „Jesus, Heiland,
rette mich!" Er wird dir die Hand reichen. Fasse sie fest
und wandle ruhig, ohne dich umzusehen rechts und links, ohne nachzugrübeln,
wie alles geht! Solange Petrus vertraute, konnte ihm der Sturm nichts anhaben;
sobald er anfing zu fürchten, begann er zu sinken. Die
Furcht ist ein größeres Übel als das Übel selbst.
Als der heilige Franz von Assisi seine Jünger in die Welt hinaussandte,
da gab er ihnen statt allen Reisevorrats diese Lehre auf den Weg: „Werfet
alle Sorge auf den Herrn; er wird euch erhalten!" Das Nämliche sage
ich dir, o Seele: Wirf all dein Denken und Sorgen,
all dein Lieben und Erwarten auf Gott! Er wird dich leiten und dich führen,
wie es seine heilige Liebe plant.
Auf Gott vertrauen im süßen Frieden des Trostes, das
kann jeder; aber mit restloser Hingabe Ihm vertrauen auch in Sturm und
Wetter, das können nur, die seines Geistes sind. Das aber gerade ist
es, was Gottes Majestät von dir verlangt. Wenn du es kannst und danach
tust, dann wirst du mit Staunen vor einem Seelenwunder stehen, indem du
früher oder später all die Schrecken sich lösen und zunichte
werden siehst, in denen deine Seele zitterte.
Darum nochmals: Mut! Begegne den Zufällen
dieses Lebens nicht mit Furcht, sondern in der starken Hoffnung, dass du
alles kannst in Gott, dem du zu eigen bist! Er wird bei dir sein in Licht
und Dunkel, und wo du nicht gehen kannst, wird Er dich tragen. Derselbe
ewige Vater, der heute für dich sorgt, wird auch morgen und übermorgen
dein Vater sein. Wenn Er dir Leid schickt, gibt Er zugleich den starken
Mut, es zu überwinden.
Bleibe denn im Frieden! Sprich zu deinem Herrn:
„Mein Gott bist Du, auf Dich baue ich.
Meine Hilfe, meine Zuversicht, ich zage nicht. Du bist ja bei mir, ja in
mir bist Du - und ich in Dir." Sei
Gottes Kind und bleibe im Frieden.
(Quelle: "Dienst am Glauben",
Heft 4, S. 99-102, A-6094 Axams)