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S.E. Bischof Dr. Walter Mixa
Gott mit uns in Freude, Leid und Tod
(Ein marianischer Vortrag aus dem Jahr 2015)
„Gott
mit uns in Freude, Leid und Tod." Ich will versuchen, in diese Thematik
auch die Frage nach der Miterlöserschaft Mariens, die immer wieder
und zu Recht aufbricht, mit hineinzunehmen.
Gott ist mit uns in der Freude. Wir tun uns heute schwer, das so
allgemein zu sagen, weil das christliche Menschenbild in Europa sehr in
den Hintergrund getreten ist. Gleichzeitig müssen wir aber auch aus
unseren berechtigten Überlegungen und Erfahrungen, die wir über
die Schöpfung gemacht haben, ganz klar und eindeutig sagen: Keiner
von uns hat sich selber gemacht, keiner von uns ist ein Zufallsprodukt.
Und wenn ich mich in unserer Runde umschaue, jeder schaut anders aus, jeder
von uns hat seine besonderen guten Eigenschaften und Fähigkeiten,
die entwickelt werden müssen von Kindheit und Jugend an (manchmal
aber auch auf der Strecke bleiben); und alle von uns haben auch ihre Grenzen
und dazu Schwierigkeiten mit ihrer Veranlagung: Probleme, bei denen jeder
an sich arbeiten muss im Sinne einer recht verstandenen Selbstdisziplin.
Ich will damit sagen, dass wir von dem ganz Anderen kommen, der
uns so, wie wir sind, geschaffen und auch gewollt hat, der uns helfen will
durch die Zuwendung seiner Liebe. Dieser ganz Andere will aus unserem Leben
etwas Gutes vor ihm und vor uns selber, aber auch für unsere Nächsten
machen — und das aus der Tatsache heraus, dass Menschen von Anfang ihrer
Geschichte an überzeugt gewesen sind: Vor uns und hinter uns und über
uns steht Einer, der vor allem war und der das ganze Universum mit der
Vielgestaltigkeit aller natürlichen Gegebenheiten, aber auch mit der
ganzen pflanzlichen und tierischen Welt, dann auch das Auftreten des Menschen
und die Ausstattung des Menschen, wirklich hervorgebracht hat.
Wir sollten es auch immer wieder betonen, dass der Mensch ohne Gott
noch nie den Sinn und das Ziel für sein Leben gefunden hat, auch die
Frage nicht beantworten kann, wer er wirklich ist und was mit ihm sein
wird, wenn es in den Tod geht. Und deshalb ist Religion keine Privatangelegenheit,
wie heute viele sagen: sie sei etwas rein Persönliches und sie gehöre
„ins stille Kämmerlein". Gar nicht! Das Wort Religion kommt vom lateinischen
Verb religere oder religare und das heißt: sich rückbinden,
sich rückversichern. Und ich kann mich nicht allein an noch so gute
Menschen rückbinden und rückversichern, weil eben jeder Mensch
auch seine Grenzen hat und seine eigenen Nöte mit sich trägt.
Ich muss mich an einen anderen, bei einem größeren, bei einem,
der Ursprung alles Lebendigen, der die Quelle des Lebens ist, rückbinden.
In diesem Zusammenhang können wir wirklich davon sprechen: Es ist schon eine Freude, und darin liegt natürlich auch eine sehr große Verantwortung der Eltern, dass ein jeder von uns mit seinen spezifischen Eigenschaften, mit seinen Fähigkeiten, mit seinem Aussehen von Kindheit an, vom Baby-Sein an, vom noch-Ruhen im Schoße der Mutter unter ihrem Herzen an, geführt werden muss, dass er gleichzeitig aber auch Freude an sich selber entwickeln kann. Ganz sachlich und nüchtern darf man sagen: Es ist doch schön, dass es mich gibt, wobei diese Freude natürlich getrübt werden kann, wenn ich mich von eigenen Fehlern und Schwächen zu sehr beherrschen lasse, getrübt werden kann auch durch Missachtung von Seiten nahestehender Menschen - oder durch Verleumdungen und Rufmord, wie das leider zur Zeit durch manche Medien und ihre beinahe schon diktatorisch zu nennenden Anstrengungen mehr und mehr um sich greift. Dadurch wird die Freude am Leben des Einzelnen manchmal schon sehr getrübt.
Auf der anderen Seite ist es eine Tatsache, dass dieser ganz Andere
- von dem etwa Max Planck (+ 1947) sagt, dass ohne ihn das Universum gar
nicht zu erklären sei - die für uns unüberbrückbare
Distanz von seiner Seite aus überschreitet und sich erfahrbar macht,
nicht nur als Schöpfer, sondern als Liebender. Das ist das Bündnis
des Abel, das ist das Bündnis des Noach, das ist das Bündnis
mit Abraham, der zum Segen werden sollte für die nachfolgenden Generationen
und der aus seinem Heimatland, das ganz dem Götzenkult verfallen war,
auszog, um dem einen und wahren Gott die Ehre zu geben und ihn (um 1600
v. Chr.) mit Worten und Taten zu bezeugen. Dann das Mose-Bündnis auf
dem Sinai (um 1200 v. Chr.) mit der großartigen Lebensordnung der
Zehn Gebote! Das ist eine Zuwendung von dem ganz Anderen, der durch diese
Bündnisschlüsse sich uns nicht nur mitteilt, sondern sich uns
auch zuwendet in seiner Kraft und Liebe. Es kann festgestellt werden, dass
es etwas Besseres als die Lebensordnung der Zehn Gebote gar nicht gibt.
Diese ist von Jesus bestätigt und in aller Kürze und Prägnanz
auch vertieft worden durch sein Liebesgebot. Die ersten drei Gebote betreffen
die Beziehung Gottes zu uns und unsere persönliche Beziehung zu ihm.
Die sieben weiteren Gebote betreffen das Verhältnis der Menschen untereinander.
(Die Gebote waren bekanntlich zunächst die Lebensordnung für
das Volk Israel - und Israel heißt: „Streiter des Herrn"!)
In der geschichtlichen Folge ist nach der Zeit der „Richter" das
Königreich entstanden, das in David einen historischen Höhepunkt
erfahren hat. Von den Propheten wird immer wieder betont, dass dieses Königreich
in eine Herrschaft übergehen werde, die kein Ende kennt! Ein besonderes
Ereignis in dieser Heilsgeschichte ist die Begegnung des Propheten Jesaia
im frühen siebten Jahrhundert v. Chr. mit König Achaz. Der König
steht in der Nachfolge des großen und mächtigen Königs
David. Er sieht sich zu einer großen Auseinandersetzung im politischen
Streit mit umliegenden Volksstämmen herausgefordert und hat große
Angst, ob er diesem Konflikt auch gewachsen sei. Der Prophet gibt ihm den
Rat, sich voll Vertrauen an den Gott der Väter zu wenden. Der König
hegt große Zweifel und betont in einer unaufrichtigen Aussage, dass
er den Gott der Väter nicht herausfordern wolle. Darauf sagt ihm Jesaia,
dass sein Glaube ohne Vertrauen sei, und dass deshalb Gott selber ein Zeichen
setzen werde: „Die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären,
dem der Name Immanuel gegeben wird = Gott mit uns!" Dies ist eine Aussage,
die eine starke und bleibende Hoffnung für die kommende Zeit ausgesprochen
hat.
Es ist geschichtlich erwiesen, dass kurz vor dem Auftreten Jesu
bis ungefähr zwanzig Jahre danach unter den Menschen eine starke Sehnsucht
herrschte, das Verlangen danach, dass einer kommen möge, um die Zustände
auf dieser Erde, machtvoll zum Guten zu verändern. Die prophetischen
Erwartungen des Alten Bundes haben mit Sicherheit auch die philosophischen
Überlegungen nach Ursprung, Sinn und Ziel des Lebens auf der ganzen
Welt, besonders bei Sokrates, Platon und Aristoteles beeinflusst. (Selbst
Siddhartha Gautama, der im 6. Jahrhundert v. Chr. den Buddhismus begründet
hat, traf die Aussage, dass nach ihm einer kommen werde, der noch größer
sei als er.) Diese Sehnsucht nach einem Neuanfang, wir sprechen zu Recht
von einer Zeitenwende, war damals wirklich weit verbreitet und sehr groß.
Es muss sich etwas zum Besseren verändern, es muss ein neuer Anfang
gemacht werden für die ganze Menschheit! Diese Erwartung war in ganz
deutlicher Weise zum Ausdruck gekommen in den prophetischen Aussagen Jesaias.
Diese Erwartungen in Verbindung mit den prophetischen Aussagen sind
durch Jesus Christus in Erfüllung gegangen. Im Vergleich zu allen
anderen Religionen kann, bei aller Wertschätzung gegenüber anderen
religiösen Gestalten, darauf verwiesen werden, dass der unsichtbare
Schöpfergott nicht durch einen menschlichen Machthaber, auch nicht
durch einen so genannten Hohen Priester, sondern durch ein „Kind" zu uns
gekommen ist. Durch ein Kind konnte er aber ohne Zwang nur zu uns kommen,
wenn eine Frau auch bereit gewesen ist, sich dieser Hinwendung des Schöpfergottes
zu uns Menschen in aufrichtiger Weise zu stellen.
In der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit dem so genannten
Feminismus muss betont werden, dass jede Frau dankbar sein sollte, dass
sie
Frau ist, weil sie von der Natur her, von der Schöpfung her,
„Lebensträgerin" ist. Ein Mann hat zwar die Fähigkeit der Zeugung,
aber er kann kein heranwachsendes Kind in seinem Leib tragen und somit
auch nicht zur Welt bringen. Von diesen Gegebenheiten her erscheint es
als ganz vernünftig, dass der Mann mit sich selbst zufrieden sein
muss und ebenso die Frau, die eigentliche Trägerin des Lebens.
Die Tatsache, dass der unsichtbare Schöpfergott zu uns kommt
als Kind — so wie jeder von uns Kind gewesen ist — zeigt im Verein mit
der Aussage der Jungfrau „Mir geschehe nach deinem Wort" ganz deutlich,
dass diese radikale Hingabe aus Liebe nicht ohne die Zustimmung einer Frau
erfolgte. In den ersten Kapiteln des Lukasevangeliums und auch des Matthäusevangeliums
wird dieses Angebot Gottes für einen neuen und bleibenden Liebesbund
zwischen ihm und uns Menschen sehr deutlich und zugleich auch einsichtig
herausgestellt. Die Jungfrau Maria (Miriam = d. h. Meeresstern, Hoffnungszeichen)
wird durch einen Boten Gottes persönlich gegrüßt. In diesem
Gruß kommt nicht nur die Achtung Gottes gegenüber Maria zum
Ausdruck, sie wird vielmehr als die „Vielgeliebte", als die von Gott vom
ersten Augenblick ihres Daseins an mit Liebe Beschenkte bezeichnet: „Du
bist von Gott gesegnet und zwar vom ersten Augenblick des Daseins an!"
In Verbindung mit diesem Gruß Gottes hat Papst Pius IX. 1854 das
Mariendogma der immaculata conceptio verkündet — der „Unbefleckten
Empfängnis".
Nach dem Bericht des Lukasevangeliums ist Maria zunächst geradezu
entsetzt über das, was ihr der Engel Gabriel verkündet hat. Sie
fühlt sich nicht etwa herausgehoben, sondern ist erschüttert
über diesen herausragenden Gruß des Boten Gottes. Es kann betont
werden, dass durch eine Frau — und nicht durch einen Hohen Priester, nicht
durch einen Schriftgelehrten, nicht durch eine königliche Hoheit -
das unzerstörbare Liebesbündnis zwischen Gott und uns Menschen
begründet werden sollte. Nicht zu übersehen ist eben, dass Maria
kritische Fragen stellt! Für ihre Zukunft hatte sie ja ursprünglich
andere Planungen. Sie erwartete, dass sie mit Joseph eine eheliche Lebensgemeinschaft
und eine Familie begründen werde. Sie war voll Hoffnung, auch Mutter
mehrerer Kinder zu werden, da damals bei vielen Völkern und zu Recht
auch bei den Juden Kinder als Gabe und Geschenk Gottes gesehen worden sind.
(Die Ehe und Familie ist die kleinste und wichtigste Lebensgemeinschaft
für jede Gesellschaft und deren Zukunft.) Maria fragte deshalb sehr
kritisch den Boten Gottes, wie sie zu einem Kind kommen solle, wo sie doch
jetzt noch nicht mit einem Mann zusammenlebe. Diese berechtigte Anfrage
wird durch den Boten Gottes mit der für uns Menschen fast unvorstellbaren
Aussage beantwortet, dass „Ruach Jahwe", die schöpferische
Kraft Gottes, über die Jungfrau kommen werde und deshalb dieses Kind
heilig und Sohn Gottes sei und seine Herrschaft kein Ende habe.
Die Tatsache der liebenden Zuwendung Gottes findet ihren Höhepunkt
in der Namensgebung! Du sollst dem Kind den Namen „Jesus" geben — Jesus
heißt: „ Gott will das Heil, Gott will dein Heil"! Durch Jesus will
Gott einem jeden von uns seine persönliche liebende Zuwendung schenken.
In Verbindung mit dieser Bitte Gottes erfährt Maria auch den
Verweis, dass ihre Verwandte noch im höherem Alter ein Kind empfangen
habe, obwohl für sie der Wunsch, Mutter zu werden, bis zu diesem Zeitpunkt
noch nicht erfüllt worden war. Nach der Beantwortung der Fragen
Mariens konnte diese - nach einer sicherlich erfolgten persönlichen
Überwindung - dem Angebot Gottes zustimmen mit der Aussage: „Mir
geschehe, wie du es gesagt hast!" Maria kannte die prophetischen
Aussagen, konnte lesen und schreiben, war aber vollkommen überrascht
über das „unzerstörbare Liebesangebot" Gottes für die Zukunft
der ganzen Menschheit.
Lukas berichtet uns daraufhin in einer sehr sachlichen Weise über
den Besuch Mariens bei ihrer Verwandten Elisabeth, die das ihr geschenkte
Kind schon seit Monaten unter ihrem Herzen, in ihrem Schoß, trägt.
Unerwartet kommt die Begrüßung für Maria durch ihre Verwandte
mit der sicher vom Geist Gottes eingegebenen Aussage: „Gesegnet
bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines
Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines
Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß
hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig
ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen
ließ."
Dieses Bekenntnis von Elisabeth kann sicher auch als Verweis für
eine gewisse „Miterlöserschaft" Mariens gelten — wobei Maria freilich
immer klar „hinter" ihrem Sohn steht, in der gesamten Heilsgeschichte.
Weil du, Maria, geglaubt hast, weil du dich ganz und gar dem anderen, dem
ganz Großen in seiner unbegrenzten und für uns oft unverständlichen,
verdemütigenden Liebe überlassen und dazu beigetragen hast, dass
überhaupt so ein neuer Anfang kommen konnte, dass der ganz Andere,
der Große, Jahwe, unser Menschsein annimmt und ein Kind wird: deswegen
bist du für uns Miterlöserin
durch die fleischgewordene Liebe Gottes geworden. In ähnlicher
Weise hat sich Joseph der Hingabe des unsichtbaren Schöpfergottes
überlassen und den Auftrag übernommen, Maria zu seiner Frau zu
machen und dem Kind nach dessen Geburt den Namen „Jesus" zu geben. Die
Menschwerdung der Allheiligkeit Gottes in einem Kind ist einmalig in der
gesamten Religionsgeschichte und bis heute für einen gläubigen
Juden nicht nachvollziehbar — und ebenso unglaubwürdig für einen
gläubigen Moslem. Aber gerade die Botschaft dieser Wirklichkeit einer
unbegrenzten Liebe des Schöpfergottes müssen wir immer - in einladender
und überzeugender Weise — weitergeben.
Bei der Darstellung Jesu im Tempel, 40 Tage nach der Geburt, kann
der greise Simeon, ein Kenner der prophetischen Aussagen, bezeugen: „Nun
lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden.
Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern
bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für
dein Volk Israel" (Lk 2, 29-32). Gleichzeitig spricht Simeon auch
davon, dass durch Jesus viele in Israel zu Fall kommen und viele durch
ihn aufgerichtet werden, weil er Zeichen ist, dem widersprochen werden
wird. Zu Maria sagt er, auf die Zukunft verweisend: „Dir selbst aber wird
ein Schwert durch die Seele dringen."
In seinem späteren Auftreten macht sich Jesus nicht groß
und wichtig, er gibt sich keineswegs als „Superstar", sondern, lebend mitten
unter Menschen, begleitet er diese. Im Haus des römischen Zöllners
Zachäus betont er: „Der Menschensohn ist nicht gekommen um zu richten,
sondern um aufzurichten und wunde Herzen zu heilen." Jesus befreit Menschen,
die von Dämonen, vom Teufel, besetzt sind; er verzeiht Sünden
mit dem Hinweis: „Geh hin und sündige nicht mehr!" Er heilt Kranke
und erweckt Tote zum Leben. Er steht stets radikal auf unserer Seite. Nachdem
Simon, Andreas und Johannes ihn auf dem Berg Tabor im Lichtereignis erfahren
haben, geht er mit ihnen nach Jerusalem, spricht davon, dass er keine irdische
Königsherrschaft errichten, sondern in einem grausamen Tod sein Leben
für uns aufopfern wird.
In der Feier des Abendmahles gibt er sich selber im verwandelten
Brot - „Mein Leib hingegeben für euch"
- und im verwandelten Wein - „Mein Blut, vergossen
für euch" - und verweist mit diesen Deuteworten auf seine wirkliche
Lebenshingabe aus reiner Liebe. „Tut dies zu meinem
Gedächtnis!" Es lautet sein Auftrag nach der Erfahrung des
Leidens und der Auferstehung Jesu Christi an seinem Auferstehungstag —
unserem Sonntag —, dieses Mahl immer wieder neu zu feiern. Das ist keine
Mahlzeit, sondern das größte Lob-, Dank- und Bittopfer zwischen
Himmel und Erde bis zum Ende der Geschichte und Zeit.
In der Berichterstattung der Evangelien werden keine frommen Worte
gemacht, sondern es wird sehr deutlich von der Treulosigkeit der Apostel
gesprochen, die sich nach der Gefangennahme Jesu allesamt - Johannes ausgenommen
- von Jesus getrennt haben. Verraten durch einen bezahlten Kuss, verraten
durch eine radikale Leugnung von Seiten des Petrus, ist Jesus von den Seinen
schmählich im Stich gelassen worden. Auf die Frage des Hohen Priesters
Kaiphas „Bist du der Sohn Gottes?", antwortet
Jesus „Du sagst es!". Von den Hohen Priestern
und Schriftgelehrten wird Jesus dem römischen Landpfleger Pontius
Pilatus ausgeliefert, da auf eine derartige „Gotteslästerung" vorgeblich
die Kreuzesstrafe zu folgen habe.
Und dann der furchtbare Kreuzweg: Schrecklich ist dieser Hohn und
Spott, dieses Leiden mit der Dornenkrone, mit dem Soldatenmantel, grausam
auch, geschlagen, verspottet zu werden. Es folgt das Tragen des Querbalkens,
dann das Annageln und das Hängen am Schandholz. Es war für die
gläubigen Juden, auch für die Hohen Priester und Schriftgelehrten
klar: Wer so sterben muss, den hat Gott bestraft, radikal bestraft -verflucht
jeder Gepfählte!
Es folgen Aussagen, deren einige für
meine Beurteilungen zum Bereich der Miterlöserschaft Mariens von Relevanz
sind. Der ans Kreuz gehängte Jesus von Nazareth, König
der Juden, wird in unmenschlichster Weise verhöhnt! Einer der Schächer
sagt, er möge doch vom Kreuz heruntersteigen, denn nur so könne
man glauben, dass er der Sohn Gottes sei. Ausgesprochen ungewöhnlich
und zu Herzen gehend ist die Tatsache, dass Jesus für all diejenigen,
die ihn geistig, seelisch und körperlich auf das Grausamste gequält
haben, zu Gott seinem Vater betet, dass er ihnen verzeihen möge.
Der Höhepunkt im Leben Mariens ist zweifellos die unmittelbare
Verbundenheit mit dem Gekreuzigten und zum Sterben bereiten Jesus! Durchaus
kann die Frage gestellt werden: Maria, was hast du dir gedacht, in dieser
engen Verbindung mit deinem Sohn? Nach dem Bericht des Lukasevangeliums
sagte dir der Bote Gottes, dass dein Kind, gezeugt von der schöpferischen
Kraft des Hl. Geistes, Sohn Gottes sei und in der Nachfolge des Königs
David stehe, wobei die Königsherrschaft des Sohnes kein Ende haben
werde. Dieses Schandholz mit deinem Sohn ist offenbar das unerhörteste
Ereignis im Blick auf die vorhergehende Aussage des Boten Gottes!
War Maria vielleicht im innersten Herzen überzeugt davon, dass
sich derjenige Mensch, der sich voll und ganz auf Gott verlässt, auch
in einer derartig schlimmen Lebenssituation von ihm nicht im Stich gelassen
werde? Die letzten Worte Jesu an seine Mutter Maria sind mit einem Auftrag
gleichzusetzen: „Frau, siehe da, dein
Sohn!" Vom Kreuz aus wendet sich Jesus an seine Mutter und
an den einzig treuen Jünger Johannes. Diesem sagt er: „Sohn,
siehe da, deine Mutter!" Mit dieser eindeutigen Aussage hat
Jesus stellvertretend in Johannes uns allen seine Mutter Maria uns allen
zur Mutter gegeben!
Ist diese Zuwendung des sterbenden Jesus zu seiner Mutter aber nicht
auch als Verweis für die „Miterlöserschaft" zu verstehen? Maria
hat Jesus im Zustand äußerster Armseligkeit zur Welt gebracht;
sie hält treu durch, auch bei der Flucht nach Ägypten unter der
Führung des Pflegevaters Josef. Sie erlebt den Verrat, die Verhöhnung,
die grausamen Quälereien ihres Sohnes, dem Nachfolger des Königs
David, bis hin zur Grablegung. Zuvor hatte sie selber den brutal getöteten
Sohn auf ihrem Schoß getragen und mit ihren Armen liebevoll umfasst.
Eine stärkere gläubige Hingabe und damit auch Ergebenheit in
den Willen Gottes kann es gar nicht geben!
Sie ist wirklich Frau aller
Völker, Mutter der Kirche, Mutter aller Glaubenden und
uns deshalb eine Wegweisung zum hingabebereiten Glauben. Mit Jesus, dem
menschgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes, müssen
wir auch seine Mutter Maria (und den Nährvater Josef) mit hineinnehmen
in unser Alltagsleben, noch mehr hineinnehmen aber auch in unser Herz.
Mit dieser Gemeinschaft können wir die guten und beglückenden
Tage unseres Lebens dankbar gestalten und zugleich auch die Prüfungen
und größten Leiden in unserem Leben bis zum Ausharren unter
dem Kreuz geduldig bestehen.
Uns allen wünsche ich, dass wir auf die Fürsprache Mariens
— und auch des hl. Josef — in den Prüfungen unseres Lebens treu durchhalten
und immer wieder neu bemüht sind um eine innige Freundschaft mit dem
menschgewordenen, mit dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus!
Ihm begegnen wir in den von ihm geschenkten Sakramenten, besonders im befreienden
und uns stärkenden Bußsakrament und, in innigster Verbundenheit
mit ihm, in der Eucharistie. Wir erleben ihn wahrhaftig als „Immanuel"
- Gott für uns. Durch diese wirkliche Erfahrung können auch wir,
bei all unserer persönlichen Begrenztheit, immer wieder versuchen,
füreinander da zu sein und Menschen für Christus zu gewinnen!
(Quelle: "Bote von Fatima",
Jgg. 74, Nr. 4, April 2016, S. 33f., Nr. 5-2016, S. 41f., Nr.
6-2016, S. 55f., IMA Regensburg)
Bete
täglich den wundertätigen Rosenkranz zur Göttlichen Barmherzigkeit!
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