Erstens: Gott hat seinen Plan
mit den Menschen, und er weiß ihn zu erreichen.
Es ist also nicht so, wie manche behaupten, daß ein augenloses
Fatum, ein blindes Schicksal die Geschicke der Menschen bestimmt. Nein,
Gott hat einen Plan, und diesen Plan vermag er durchzuführen. Dieser
Plan kann nicht durchkreuzt werden. Ob der Mensch will oder nicht, Gott
kommt zum Ziel! Gott weiß auch das Widerstreben gegen seinen Willen
in seinen Plan einzubauen. Seine Allmacht und seine Allweisheit garantieren,
daß der Plan, den er entworfen hat, der rechte ist und daß
er zum Ziele führt.
Wir Menschen freilich sind häufig ganz anderer Meinung. Wir
sind der Ansicht, daß unser Wille geschehen soll, und der ist eben
oft anders als Gottes Wege. Unlängst feierten wir das Fest der heiligen
Johanna Franziska von Chantal. Sie war mit einem adeligen Manne verheiratet,
und dieser adelige Mann ging auf die Jagd. Bei der Jagd wurde er von einem
Jagdfreund schwer verwundet. Man brachte ihn auf einer Tragbahre nach Hause.
Die Gräfin war außer sich. Wie eine Wahnsinnige raste sie durch
das Haus und flehte die Ärzte an:
„Mein Mann darf nicht sterben! Er muß gesund werden!" Und
heiße Gebete stiegen zu Gott empor. Die Ärzte wagten nicht einmal,
die Kugel herauszuziehen aus Furcht, sie könnten sein Leben verkürzen.
Aber der Mann starb, und die Gebete der Gräfin wurden nicht so erhört,
wie sie sich das vorgestellt hatte. Die Wege Gottes waren andere. Aber
auf diesen Wegen wurde sie die heilige Johanna Franziska von Chantal, die
einen Orden gründete und Segen über eine ganze Landschaft brachte.
Zweitens: Die Wege Gottes
sind anders als wir es uns denken.
In der heiligen Schrift wird diese Andersartigkeit angedeutet. An
einer Stelle heißt es: „Meine Wege sind nicht
eure Wege, und meine Gedanken sind nicht eure Gedanken. So hoch der Himmel
erhaben ist über die Erde, so viel höher sind meine Wege über
eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken."
Gott sieht weiter als die Menschen. Sie sind kurzsichtig. Gott sieht
in die Ferne. Die Menschen schauen auf das, was in der Tiefe ist, Gott
sieht auf das, was in der Höhe ist. Seine Wege haben eine innere Qualität,
wie sie die Wünsche und die Pläne der Menschen überhaupt
nicht haben können. Auch was uns am wehesten tut, Prüfungen,
Leiden, Schmerzen, Verluste, Enttäuschungen, Bitterkeiten, auch das
ist nach Gottes Plänen ein Weg, der uns zum Heil führen soll.
Es hat einmal ein Kirchenmaler eine Wand in einem Gotteshaus ausgemalt,
und er stand auf einem Gerüst und schaute prüfend auf sein Werk.
Er ging einen Schritt nach dem anderen zurück. Nur noch einen kurzen
Schritt, und er wäre rücklings abgestürzt. Sein Gehilfe
sah diese Gefahr, und was tat er? Anrufen hätte keinen Erfolg gehabt.
Er nahm einen Pinsel und warf ihn mitten in das Gemälde. Der Maler,
voll Zorn, stürzte auf ihn zu, aber er war gerettet.
Ähnlich unähnlich, meine lieben Freunde, ist es mit den
Wegen Gottes. Sie sind anders, als wir sie uns denken. Der Mensch denkt
und Gott lenkt - oder wie manche sagen: „Der Mensch dachte und Gott lachte!"
Die Wege Gottes sind anders, aber sie führen
uns mit Sicherheit zum Heil.
Der dritte Satz lautet: Je
glänzender das verheißene Licht ist, um so dunkler sind die
Wege, die Gott uns auf Erden führt.
Es muß offenbar ein Ausgleich sein zwischen der Beseligung
im Jenseits und den bestandenen Gefahren im Diesseits. Die Belohnung fällt
um so reicher aus, je treuer und gewissenhafter der Dienst getan wurde.
Und wer aushält im Dunkel der Wege Gottes, wer seinen Willen anbetet,
auch unter Tränen, der darf sicher sein, daß eine große
Freude auf ihn wartet. Gott ist ein großer Herr und läßt
sich nicht lumpen. Er läßt sich an Großmut von uns nicht
übertreffen.
Der heilige Laurentius hat seinen Herrn auf dem Rost, auf dem Feuerrost
bekannt. „Auf dem Feuerrost habe ich, o Gott, dich nicht verleugnet. Im
Feuer habe ich dich, Herr Jesus, bekannt." So läßt die Kirche
ihn in der Liturgie singen. „Du hast mich heimgesucht bei Nacht, du hast
mein Herz geprüft, aber es ward keine Bosheit in mir erfunden." Und
er, der auf Erden lebendigen Leibes verbrannt wurde, freut sich jetzt eine
ganze Ewigkeit im Lichte Gottes. Je dunkler die
Wege auf Erden sind, um so strahlender wird das Licht sein, das denen scheinen
wird, die diese Wege im Einklang mit Gottes Willen gegangen sind.
Die Wege Gottes - das ist
der vierte Satz -sind undurchschaubar wegen dieses Dunkels.
Aber das verheißene Licht lässt uns in Hoffnung ausschreiten.
Hier ist der Glaube gefragt. Glaube ist ja nach dem Hebräerbrief die
Überzeugung von dem, was man nicht sieht, das Vertrauen auf das, was
man erhofft. Also gläubigen Sinnes muß man die Wege Gottes,
die dunklen, die undurchschaubaren Wege Gottes durchschreiten, der Glaube
ist gefragt, der Glaube, der auf das Verheißungswort Gottes baut.
Und wer von diesem Glauben durchdrungen ist, wer diese Hoffnung in sich
trägt, der ist auch fähig, die dunklen Wege, die Gott uns führt,
zu durchschreiten. Man muß nur überzeugt davon sein, daß
diese Wege zum Lichte Gottes führen.
Wir brauchen ja nicht die nächsten Jahre zu kennen, wir brauchen
nur den nächsten Meilenstein zu kennen, zu dem wir schreiten müssen.
Wenn wir das wissen, dann wissen wir genug, und dann können wir uns
der Führung Gottes anvertrauen.
Die Wege Gottes sind wegen des Dunkels undurchschaubar, das nichts
anderes ist als der Widerschein der unendlichen Majestät Gottes. Gott
muß Gott bleiben! Wenn wir ihn durchschauen könnten, wäre
er nicht mehr Gott. Der Kardinal Faulhaber hat einmal das schöne Wort
gesagt: „Ich würde am Glauben irre werden - irre werden! -, wenn er
klar wie Wasser und durchsichtig wie eine Quelle wäre. Denn dann wäre
es erwiesen, daß er Menschengedanken und nicht Gottes Gedanken enthielte."
Das sagt dieser weise, gelehrte und fromme Kardinal. „Ich
würde am Glauben irre werden, wenn der Glaube so klar wie Wasser und
so durchsichtig wie eine Quelle wäre, denn dann wäre erwiesen,
daß er Menschengedanken und nicht Gottes Gedanken enthielte." Und
dieser Glaube ist eben auch gefordert bei den Wegen, die Gott uns führt.
Der fünfte Satz lautet:
Es ist zwecklos und vermessen, die Rätsel der Gottesführung lösen
zu wollen oder dagegen aufzubegehren.
Es ist mit den Wegen Gottes wie mit einem Teppich. Auf der Oberseite
ist er wunderbar, es ist ein feines Muster eingearbeitet. Wenn man aber
die Unterseite ansieht, dann scheint das ein wirres Gewühl von Fäden
zu sein, die durcheinander und übereinander gehen. Ja, man muß
eben die Oberseite sehen, und dann erkennt man, daß dahinter ein
Plan steht und daß dieser Plan in wunderbarer Weise zum Ziel geführt
wurde.
Die Rätsel Gottes hienieden lösen zu wollen, heißt
den menschlichen Verstand mit dem göttlichen Geiste vergleichen wollen
- und das ist ausgeschlossen. Der souveräne Herr läßt sich
nicht in die Karten schauen. Es muß der Plan, den Gott für das
irdische Leben hat, für uns undurchschaubar bleiben, wenn Gott der
souveräne Herr des Himmels und der Erde bleiben will. Und es ist vermessen,
dagegen aufzubegehren. Das Geschöpf kann nicht gegen seinen Schöpfer
vorgehen. Der heilige Paulus vergleicht den Menschen mit einem Tongefäß
und Gott mit einem Töpfer: „0 Mensch, wer bist du denn, daß
du Gott zur Rechenschaft ziehst? Sagt etwa das Gebilde zu seinem Bildner:
Warum hast du mich so gemacht? Oder hat der Töpfer nicht Macht über
den Ton, aus derselben Masse ein ansehnliches oder ein unansehnliches Gefäß
zu machen?" Ja natürlich hat der Töpfer die Macht, ein ansehnliches
oder ein unansehnliches Gefäß zu machen. Und
so hat auch Gott die Macht, unser Leben bescheiden und einfach und verborgen
zu führen oder auf den Leuchter zu stellen und zum Segen für
viele andere sichtbar werden zu lassen.
Und schließlich der
sechste Satz: Am Ende kommt einmal die große Klarheit.
Bis dahin ziemt uns Geduld und demutsvoller Glaube an die Vatermacht
und Weisheit Gottes. Wir sind nicht Menschen, die in ein auswegloses Verhängnis
geführt werden, sondern wir sind Pilger, die auf dem Wege zu einem
hehren Ort, zu einem Heiligtum, zu einer Gnadenstätte sind. Es geht
also heim, es geht ins Licht, und das soll uns mit Freude und Dankbarkeit
erfüllen. Und das soll uns auch veranlassen, geduldig und gläubig
die Vatermacht Gottes und die Weisheit Gottes anzubeten.
Wir hören oft - wir Priester öfter als andere - den Vorwurf:
„Wie kann Gott das zulassen? Warum muß das sein? Wieso gerade ich?"
Darauf hat der heilige Augustinus einmal eine treffende Antwort gegeben:
„Wenn du fragst: Gott, wo ist deine Gerechtigkeit?, dann frage ich, Gott,
dich: Wo ist dein Glaube? Habe ich dir das versprochen? Bist du dazu Christ
geworden, daß es dir gut gehe auf Erden?" Nicht wahr, das sind die
Entgegnungen, die man bereithalten muß, wenn jemand über sein
Geschick klagt und Gott anklagt, daß er ihn durch Dunkel und durch
Qualen führt. Gott hat uns nicht versprochen, daß wir, wenn
wir gläubig und seinen Geboten gehorsam sind, ein klagloses, ein friedliches,
ein behagliches Leben führen können. Das hat er uns nie versprochen.
Wie können wir dann ein solches Versprechen einfordern?
Nein, meine lieben Freunde, wir müssen uns in die unerforschlichen
Ratschlüsse Gottes schicken. Auf dem Friedhof in Mombach habe ich
einmal zwei Grabsteine, die in der nächsten Nähe zueinander stehen,
gesehen. Auf dem einen steht: WARUM? Auf dem anderen: NACH GOTTES WILLEN.
Das ist die rechte Haltung angesichts eines schweren Geschicks, angesichts
des Todes. Nach Gottes Willen sind unsere Wege
bestimmt, nach Gottes Willen sollen wir sie gehen. Gottes Allmacht und
Weisheit sollen wir anbeten.
„Wahrhaftig, du bist ein verborgener Gott,
Gott Israels!"