Liebe Schwestern und Brüder
im Herrn!
Das kennen wir
leider alle auch zur Genüge: Es gibt immer mal wieder solche Tage,
die man am liebsten aus dem Kalender streichen würde. Oft ist es eine
schlechte Nachricht, die uns regelrecht umhaut, vielleicht über eine
Krankheit oder einen Unfall in unserem persönlichen Umfeld.
Solch ein schlechter
Tag könnte es bei Jesus auch werden. Soeben hat er eine ganz bittere
Nachricht erhalten. Johannes der Täufer ist enthauptet worden, und
zwar wegen seiner öffentlichen Kritik an Herodes. Dieser lebte in
einem ehebrecherischen Verhältnis mit seiner Schwägerin und Nichte
Herodias. Jesus ist so sehr von Trauer erfüllt, dass er jetzt allein
sein will.
Doch diese Auszeit,
die Jesus sich genommen hat, hält nicht lange an. Jesus wird dringend
gebraucht, sie hungern nach seinem Wort. Als Jesus die Menge sieht, hat
er sofort Mitleid mit ihnen, wie es im Evangelium heißt.
Er steigt also aus
und kümmert sich um sie, spricht mit ihnen und heilt die Kranken,
die bei ihnen sind. Die Begegnung mit der Menge zieht sich jedoch unerwartet
in die Länge. Worüber er zu ihnen spricht, wird im heutigen Evangelium
gar nicht verraten.
Jetzt erst treten
die Jünger Jesu in Erscheinung. Im Evangelium heißt es: „Als
es Abend wurde, kamen die Jünger zu ihm und sagten: Der Ort ist abgelegen,
und es ist schon spät geworden. Schick doch die Menschen weg, damit
sie in die Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen können.“
- Ja, so sind sie, die Jünger: Ihnen wird allmählich die Zeit
lang. Sie werden unruhig, weil Jesus mal wieder nur voller Mitleid an die
hilfesuchenden Menschen denkt, ohne die organisatorischen Probleme
zu sehen. Der Meister kommt einfach nicht zum Ende, und dabei wird es doch
schon bald dunkel!
Natürlich
haben sie einen guten Grund für ihre Sorge. Wenn die Leute noch länger
dableiben, muß man sich nämlich etwas einfallen lassen für
ihre Verpflegung. Wenn sie aber jetzt endlich weggehen, können sie
sich gerade noch in den umliegenden Dörfern selbst verpflegen.
„Schick doch
die Menschen weg!“ - Wie oft denken wir das heute auch! Als einzelne
Christen und auch als kirchliche Pfarrei sehen wir oft genug so viele handfeste
Probleme in Kirche und Welt, daß wir wie die Jünger schnell
kalkulieren: Das schaffen wir doch nie! - Wie soll das bloß gehen?
Wenn wir die
Nachrichten im Fernsehen anschauen, kann uns eigentlich nur schlecht werden:
Wohin man auch schaut - Krieg, Elend, Hunger! Etwa 24.000 Menschen sterben
pro Tag an Hunger, etwa 13.000 Kinder sterben pro Tag an den vielen Folgen
von Hunger.
Doch nicht nur
diesen Hunger sehen wir. Auch den Hunger nach Zuwendung, den Hunger nach
Sinn im Leben, den Hunger nach Liebe. Wie viele Kinder warten auf Eltern,
die sich um sie kümmern?
Wie viele alte
Menschen warten auf jemand, der Zeit für sie hat? Wie viele Menschen
auch in unserer eigenen Pfarrgemeinde würden sich über ein gutes
Gespräch freuen? Wie viele Reiche mit übervoll beladenen Tischen
sind innerlich bitterarm und hungern nach wirklicher Wertschätzung
ohne Blick auf ihr Geld? - Die Welt hungert. Und wir sind mittendrin in
dieser Welt.
Wie reagiert
Jesus auf die deutliche Aufforderung der Jünger? Das Evangelium verrät
es uns: „Jesus antwortete: Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen
zu essen! Sie sagten zu ihm: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische
bei uns.“ So klang es von den Jüngern damals, und so klingt es heute.
Wir rechnen auch genau so unsere vorhandenen Mittel aus und müssen
oft erkennen: Das reicht nicht! Wir haben leider nicht genug, um allen
zu geben, wir können nur wenigen Menschen ihren Hunger nehmen.
Also, lieber
Jesus, dein Vorschlag ist ziemlich realitätsfremd. Das können
wir nicht leisten. Schick die Leute also bitte weg! Ja, wir müssen
es dir eingestehen, lieber Jesus: Es mangelt uns an genügend Kraft
und Möglichkeiten. Auch als deine Kirche sind wir oft nur eine Art
Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Es ist nicht
so einfach, wie du denkst…! Jesus hat gut zugehört und nimmt die Bedenken
seiner Jünger ernst. Er hört sich auch alles geduldig an, was
wir ihm sagen. Er hört wie bei den Jüngern damals, daß
die Not aus unseren Worten spricht. Es ist die alte Angst der Menschen,
letztlich selbst zu kurz zu kommen. Es ist der alte Zweifel, der Mangel
an Glaubensmut: Theoretisch glaube ich schon, dass Jesus hilft, aber ganz
praktisch und bei mir und bei uns – nein, das wage ich nicht zu glauben!
- Und so sehe ich, so sehen wir alle erst einmal nur unsere Mängel.
Jesus läßt
die Bedenken der Jünger aber überhaupt nicht gelten. Es erscheint
schon fast wie Sturheit, wie unbeeindruckt er bleibt von den vielen Bedenkenträgern
aus den eigenen Reihen. Er sagt nur mit Blick auf die fünf Brote und
zwei Fische: „Bringt sie her! Dann ordnete er an, die Leute sollten sich
ins Gras setzen.“ Wir sollen also das, was wir Menschen haben, zu ihm bringen.
Das ist seine
klare Ansage. Es mag uns sehr, sehr wenig vorkommen, aber wir sollen
unseren Teil zu ihm bringen. Kürzer kann man sich nicht fassen – er
sagt ohne weitere Diskussion nur: „Bringt sie her!“ - Und dahinter steht
im heutigen Evangelium unübersehbar ein Ausrufezeichen! Es ist, als
wollte Jesus damit sagen: Haltet mich doch nicht für blind oder für
verkalkt! Natürlich sehe ich eure Schwachheit, natürlich sehe
ich eure Armseligkeit, eure engen Grenzen.
Jesus wird hier
ganz energisch, denn er sagt den Jüngern nicht nur, daß sie
ihre Gaben bringen sollen, sondern er befiehlt im gleichen Atemzug, daß
die Leute sich ins Gras setzen sollen. Das heißt doch: Wenn ihr mir
das bringt, was ihr habt, dann kann es auch gleich losgehen mit dem Sättigen
der Menschen. Gebt ihr alles, was ihr geben könnt, und bringt es zu
mir. Und dann bin ich dran.
Was jetzt also
mit den 5.000 geschieht, ist nicht nur ein ungeheuer beeindruckendes Wunder,
sondern soll für gläubige Juden ein himmlisches Zeichen sein,
wer Jesus eigentlich ist. „Und er nahm die fünf Brote und die zwei
Fische, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis, brach die Brote und
gab sie den Jüngern…“ Diese Wortwahl Jesu erinnert uns natürlich
sofort an seine Worte im Abendmahlssaal, beim letzten Abendmahl mit seinen
Jüngern.
In der heutigen
Szene haben wir schon das Bild für die Eucharistie: Was wir dem Herrn
an Gaben bringen, das wird von ihm verwandelt. Daraus ergibt sich aber
auch: Was wir nur für uns behalten und nicht abgeben, das kann auch
nicht von ihm zum Heil der Welt verwandelt werden.
Was die Verwandlung
unserer Gaben bewirken kann, schildert der Schluß des Evangeliums.
Als die Jünger die übriggebliebenen Brotstücke einsammelten,
wurden zwölf Körbe voll. Wenn wir also unseren Teil wirklich
gegeben haben, dann können wir erleben, wie verschwenderisch Gott
wird, wenn er die verwandelten Gaben austeilt: Er schenkt uns allen viel,
viel mehr, als wir überhaupt verbrauchen können! - Das ist ein
kleiner Vorgeschmack auf den Himmel, auf die Überfülle der liebenden
Fürsorge Gottes.
Bringen wir Jesus
also unsere Gaben, nicht nur bei jeder Kollekte im Gottesdienst. Jeder
Tag, an dem wir großzügig von dem abgeben, was wir haben an
Geld, Zeit für Gott z.B. im Gebet, Hilfeleistungen und allem, wonach
gehungert wird, das wird ein guter Tag. Den braucht niemand aus dem Kalender
zu streichen. Im Gegenteil: dick ankreuzen wird er ihn! Und Jesus auch.
Amen.
(Quelle: Predigt
von Hw. Herrn. Kpl. Schnalzger)