Alle
Christgläubigen mögen inständig zur Mutter Gottes und Mutter
der Menschen flehen
Die selige
jungfräuliche Gottesmutter Maria im Geheimnis Christi und der Kirche
II.
Vatikanisches Konzil
Dogmatische
Konstitution über die Kirche
Achtes
Kapitel
IV. Die Verehrung
der seligen Jungfrau in der Kirche Maria wird, durch
Gottes Gnade nach Christus, aber vor allen Engeln und Menschen erhöht,
mit Recht, da sie ja die heilige Mutter Gottes
ist und in die Mysterien Christi einbezogen war, von der Kirche in einem
Kult eigener Art geehrt. Schon seit ältester Zeit wird die selige
Jungfrau unter dem Titel der „Gottesgebärerin" verehrt, unter deren
Schutz die Gläubigen in allen ihren Gefahren und Nöten bittend
Zuflucht nehmen21. Vor allem seit der Synode von Ephesus ist die Verehrung
des Gottesvolkes gegenüber Maria wunderbar gewachsen in Verehrung
und Liebe, in Anrufung und Nachahmung, gemäß ihren eigenen prophetischen
Worten: „Selig werden mich preisen alle Geschlechter,
da mir Großes getan hat, der da mächtig ist" (Lk 1,48).
Dieser Kult, wie er immer in der Kirche bestand, ist zwar durchaus einzigartig,
unterscheidet sich aber wesentlich vom Kult der Anbetung, der dem menschgewordenen
Wort gleich wie dem Vater und dem Heiligen Geist dargebracht wird, und
er fördert diesen gar sehr. Die verschiedenen Formen der Verehrung
der Gottesmutter, die die Kirche im Rahmen der gesunden und rechtgläubigen
Lehre je nach den Verhältnissen der Zeiten und Orte und je nach Eigenart
und Veranlagung der Gläubigen anerkannt hat, bewirken, daß in
der Ehrung der Mutter der Sohn, um dessentwillen alles ist (vgl. Kol 1,15-16)
und in dem nach dem Wohlgefallen des ewigen Vaters die ganze Fülle
wohnt (Kol 1,19), richtig erkannt, geliebt, verherrlicht wird und seine
Gebote beobachtet werden.
Diese katholische
Lehre trägt die Heilige Synode wohlbedacht vor. Zugleich mahnt sie
alle Kinder der Kirche, die Verehrung, vor allem die liturgische, der seligen
Jungfrau großmütig zu fördern, die Gebräuche und Übungen
der Andacht zu ihr, die im Laufe der Jahrhunderte vom Lehramt empfohlen
wurden, hochzuschätzen und das, was in früherer Zeit über
die Verehrung der Bilder Christi, der seligen Jungfrau und der Heiligen
festgesetzt wurde, ehrfürchtig zu bewahren22. Die Theologen und die
Prediger des Gotteswortes ermahnt sie aber eindringlich, sich ebenso jeder
falschen Übertreibung wie zu großer Geistesenge bei der Betrachtung
der einzigartigen Würde der Gottesmutter sorgfältig zu enthalten23.
Unter der Führung
des Lehramtes sollen sie in der Pflege des Studiums der Heiligen Schrift,
der heiligen Väter und Kirchenlehrer und der kirchlichen Liturgien
die Aufgaben und Privilegien der seligen Jungfrau recht beleuchten, die
sich immer auf Christus beziehen, den Ursprung aller Wahrheit, Heiligkeit
und Frömmigkeit. Sorgfältig sollen sie vermeiden, was in Wort,
Schrift oder Tat die getrennten Brüder oder jemand anders bezüglich
der wahren Lehre der Kirche in Irrtum führen könnte. Die Gläubigen
aber sollen eingedenk sein, daß die wahre Andacht weder in unfruchtbarem
und vorübergehendem Gefühl noch in irgendwelcher Leichtgläubigkeit
besteht, sondern aus dem wahren Glauben hervorgeht, durch den wir zur Anerkennung
der Erhabenheit der Gottesmutter geführt und zur kindlichen Liebe
zu unserer Mutter und zur Nachahmung ihrer Tugenden angetrieben werden.
V. Maria als Zeichen
der sicheren Hoffnung und des Trostes für das wandernde Gottesvolk Wie die Mutter Jesu,
im Himmel schon mit Leib und Seele verherrlicht, Bild und Anfang der in
der kommenden Weltzeit zu vollendenden Kirche ist, so leuchtet sie auch
hier auf Erden in der Zwischenzeit bis zur Ankunft des Tages des Herrn
(vgl. 2 Petr 3,10) als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem
wandernden Gottesvolk voran.
Dieser Heiligen Synode
bereitet es große Freude und Trost, daß auch unter den getrennten
Brüdern solche nicht fehlen, die der Mutter des Herrn und Erlösers
die gebührende Ehre erweisen, dies besonders unter den Orientalen,
die sich zur Verehrung der allzeit jungfräulichen Gottesmutter mit
glühendem Eifer und andächtiger Gesinnung vereinen24. Alle
Christgläubigen mögen inständig zur Mutter Gottes und Mutter
der Menschen flehen, daß sie, die den Anfängen der Kirche mit
ihren Gebeten zur Seite stand, auch jetzt, im Himmel über alle Seligen
und Engel erhöht, in Gemeinschaft mit allen Heiligen bei ihrem Sohn
Fürbitte einlege, bis alle Völkerfamilien, mögen sie den
christlichen Ehrennamen tragen oder ihren Erlöser noch nicht kennen,
in Friede und Eintracht glückselig zum einen Gottesvolk versammelt
werden, zur Ehre der heiligsten und ungeteilten Dreifaltigkeit.
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21 „Unter deinen Schutz
und Schirm".
22 II. Konzil von
Nicaea v. J. 787: Mansi 13, 378-379; Denz. 302 (600-601). Konzil v. Trient,
Sess. 25: Mansi 33,171-172.
23 Vgl. Pius XII.,
Radiobotschaft, 24. Okt. 1954: AAS 46 (1954) 679. Ders., Enz. Ad caeli
Reginam, 11. Okt. 1954: AAS 46 (1954) 637.
24 Vgl. Pius XI.,
Enz. Ecciesiam Dei, 12. Nov. 1923: AAS 15 (1923) 581. Pius XII., Enz. Fulgens
corona, 8. Sept. 1953: AAS 45 (1953) 590-591.