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Avila liegt auf über 1131 Metern Höhe in der zentralspanischen
Provinz Kastillien-Leon, rund 110 km nordwestlich der Hauptstad Madrid.
Sie entstand zur Zeit der Römer und war lang umkämpftes Grenzland
zwischen moslemischen und christlichen Kriegern. Erst nach der Vertreibung
der Mauren im 15. Jahrhundert begann die Blüte der Stadt, die heute
knapp 60.000 Einwohner zählt. 1985 wurde Avila UNESCO-Welt-kulturerbe.
Das verdankt sie vor allem ihrer einzigartigen romanischen Stadtmauer,
einem noch komplett erhaltenen 2.500 Meter langen Monument. 88 Türme
und neun Stadttore prägen sie. Auch die gotische Kathedrale von Avila
ist Teil der Befestigungsanlage. Daneben besitzt Avila zahlreiche weitere
romanische Kirchen.
Die größte Tochter Avilas ist die heilige Teresa. Das
von ihr gegründete Karmelitinnenkloster San Jose (mit Museum) ist
eine der Sehenswürdig- keit der Stadt, in der sich noch zwei weitere
Klöster der unbeschuhten Karmelitinnen befinden.
„Teresa verkörperte auf eine einzigartige Weise, wie die Gnade
die Natur vollendet und nicht zerstört. Deswegen bleibt sie für
alle Zeiten eine exemplarische Frau, die ihr Menschsein mit ihrem Christsein
harmonisch verband und darum wusste, dass die Dinge dieser Welt ihre Tränen
und auch eine gewisse Süße in sich haben!"
Walter Nigg (1903-1988), Schriftsteller und
Theologe
Ausgestattet
mit vielen Talenten
Eine Frau mit solchem Eifer für die Wahrheit,
so viel fröhlicher und menschlicher Offenheit, so großen schriftstellerischen
und organisatorischen Fähigkeiten und doch von so tiefer spiritueller
Versunkenheit in Gott, bleibt ein einmaliges Phänomen der Kirchengeschichte.
DIE HUMORVOLLE
Teresa war ein sehr fröhlicher und humorvoller Mensch, verstand
sie doch den Humor als Zwillingsbruder des Glaubens zu sehen. „Gott bewahre
mich vor Heiligen mit verdrießlichen Mienen", war einer ihrer Aussprüche.
Sie war für ihr helles, häufiges Lachen bekannt und steckte damit
auch Mitschwestern an.
DIE MYSTIKERIN
Sie gilt als eine der größten Mystikerinnen der Kirchengeschichte.
Ihre Schauungen gründen unfassbar tief in der Liebe Gottes. Sie erfuhr
eine Vielzahl mystischer Erlebnisse und Ekstasen. 1564 erschien ihr Jesus
und erwählte sie zu „seiner Braut". Einmal erschien ihr ein Seraph
und berührte ihr Herz mit einem glühenden Pfeil. Ein süßer
Schmerz, der die Liebe Gottes symbolisiert. Und sie dankte Gott für
eine Höllenvision, die sie all die Schrecken sehen ließ, die
die Unglückseligen dort erwarten, weil sie sie anspornte, die vergänglichen
Güter dieser Welt gering zu schätzen und die Sünde zu meiden.
DIE SCHRIFTSTELLERIN
Sie schrieb vier große Werke. Ihre Autobiografie „Das Buch
meines Lebens" und die Bücher „Weg der Vollkommenheit", „Die innere
Burg" oder auch „Die Seelenburg" genannt und „Die Klostergründungen".
Daneben verfasste sie zahlreiche kleinere Schriften und Gedichte sowie
tausende Briefe, von denen heute noch 400 erhalten sind. Es verwundert
nicht, dass sie zur Patronin der spanischen Schriftsteller erhoben wurde.
DIE FREUNDIN
Freundschaft war ein tragendes Element ihres Lebens. „Das eigene
Kreuz tragen und das Kreuz anderer mittragen" - das ist bei Teresa umfangen
von der Freundschaft und Identifikation mit Jesus, die ihr alles war: „Freundschaft,
die trägt und ungeahnte Freude schenkt", schreibt die Karmelitin Waltraud
Herbstrith über die Heilige. Auch die Freundschaft unter den Schwestern
war ihr wichtig. Eine besonders tiefe geistliche Freundschaft pflegte sie
aber mit dem heiligen Johannes vom Kreuz, der den männlichen Zweig
des Karmelitenordens reformieren sollte.
Lebensdaten
Teresa von Avila (Teresa Sanchez de Cepeday Ahumada) wurde vor 500
Jahren, am 28. März 1515, in Avila geboren. Ihr Vater Don Alonso Sanchez
de Cepeda war der Sohn eines 1485 konvertierten Juden, ihre früh verstorbene
Mutter Dona Beatriz Davila y Ahumada stammte aus altkastilischem Adel.
Teresa war das sechste von zwölf Kindern. Die jüdische Abstammung
väterlicherseits - ihr Großvater Juan Sanchez de Toledo war
erst 1485 konvertiert - reiht Teresa in die Zahl der sogenannten „Conversos"
(„Bekehrten") ein. Diese standen unter scharfer Beobachtung der Inquisition.
Vermutlich 1536 tratTeresa ohne Wissen ihres Vaters in den Karmel
in Avila ein, in dem zu dieser Zeit 140 Schwestern lebten. Ihr Vater akzeptierte
Teresas Entscheidung schnell. Im Jahr darauf wurde Teresa ernsthaft krank.
Etwa drei Jahre lang blieb sie gelähmt.
1554 betrachtete Teresa eine Darstellung des leidenden Christus und wurde dadurch so angerührt, dass sie durch dieses Ereignis ihre „endgültige Bekehrung" erfuhr. In radikaler Selbstaufgabe wollte sie künftig nur noch in Christus leben. Gegen viele Widerstände erhielt sie 1562 von Papst Pius IV. und dem Ortsbischof die Erlaubnis, in Avila ein eigenes Kloster, das der Unbeschuhten Karmelitinnen, zu gründen, in dem die ursprüngliche Ordensregel wieder befolgt werden sollte.
Zugleich legte Teresa fest, dass in einem Karmel nicht mehr als 21 Schwestern leben sollten. Danach begann sie, ihre Reformpläne trotz aller Widerstände und Strapazen zu verwirklichen. Bis zu ihrem Tod am 4. Oktober 1582 in Alba de Tormes gründete sie 17 Reformklöster.
Sie hinterließ zahlreiche spirituelle Schriften, die bis heute wegweisend sind, weil sie das mystische mit dem aktiven Wirken verbinden.
Ein „Interview"
mit Teresa von Avila
„Der Herr weiß, was jeder tragen kann!"
Teresa von Avila hat Wegweisendes und Gültiges auch für
unser heutiges Leben gesagt. Sie gab vor 500 Jahren bereits die richtigen
Antworten auf Fragen, die uns heute genauso bewegen wie die Menschen ihrer
Epoche.
Wie war Ihr Leben,
bevor Sie Ihre wirkliche Berufung fanden und ihr folgten?
Teresa von Avila: Mein Leben war aller Vollkommenheit fern, weil
ich nicht auf lässliche Sünden achtete. Und wenn ich die Todsünden
auch fürchtete, doch nicht so, wie ich es hätte sollen, denn
ich hielt mich Gefährdungen nicht fern. Ich kann wohl sagen, dass
es das unerfreulichste Leben war, das man sich vorstellen kann. Denn weder
Gott noch die Welt machten mich glücklich. Mitten im weltlichen Vergnügen
fiel mir ein, was ich Gott schuldete und betrübte mich; war ich innerlich
bei Gott, so beunruhigten mich die weltlichen Neigungen. Ich weiß
heute nicht mehr, wie ich einen derart mühsamen Krieg so viele Jahre
aushalten konnte.
Was hat Sie über
die vielen Jahre des Hin- und Hergerissen-Seins letztlich gerettet?
Teresa von Avila: Ich war trotz allem immer fest an die starke Säule
des Gebets geklammert. Im Nachhinein lässt mich dieses klar die Barmherzigkeit
erkennen, die mir der Herr erwies, da ich trotz des vielen weltlichen Umgangs
doch die Kühnheit zum Gebet besaß. Ich sage Kühnheit, denn
ich kann mir nicht vorstellen, dass man sie mehr braucht, als wenn man
seinen König ständig verrät und weiß, dass er es weiß,
und man doch immer wieder vor ihm erscheint.
Hatten Sie nie Sorge,
dass der Herr Sie einmal verstoßen könnte?
Teresa von Avila: Ich fühlte mich oft unwürdig. Immer
wieder wenn ich große Gnaden empfing, habe ich ihm gesagt: Herr,
sieh doch, was Du tuest, und vergiss nicht so rasch all meine großen
Übel. Fülle doch, Du mein Schöpfer, keine so kostbare Flüssigkeit
in solch zerbrechliches Gefäß! Du hast doch gesehen, dass ich
sie immer wieder verschütte. Vertrau einen solchen Schatz nicht jemandem
an, der ihn vergeuden wird, weil er noch nicht lernte, auf oberflächliche
Befriedigungen des Lebens zu verzichten. Du kannst doch auch die Sicherheit
einer Stadt und die Schlüssel zu ihrer Festung nicht einem feigen
Bürgermeister anvertrauen, der schon beim ersten Ansturm den Feind
einlässt.
Sie fühlten sich
der Gnade Gottes nicht würdig?
Teresa von Avila: Ja. Ich sagte zu Gott immer wieder: O ewiger König,
mäßige Deine Liebe! Gefährde nicht so kostbare Juwelen!
Es könnte sein, Herr, dass man sie schlecht behütet, wenn Du
sie einem so schlechten, niedrigen, elenden und geringfügigen Ding
anvertraust. Kurz, ich bin ein Weib - und obendrein kein gutes, sondern
ein schlechtes. So und ähnlich redete ich oft. Erst später sah
ich meine Torheit und geringe Demut, denn der Herr weiß sehr gut,
was notwendig ist, und dass meine Seele nicht fähig wäre, sich
zu retten, versähe sie seine Majestät nicht mit so vielen Gnaden.
Wie wichtig ist für
Sie die Demut?
Teresa von Avila: Die Demut gleicht der Biene, die im Bienenstock
den Honig bereitet; ohne sie ist alles verloren. Aber vergessen wir nicht,
dass die Biene auch ausschwärmt, um Blüten zu suchen. So soll
sich auch die Seele immer wieder von der Selbsterkenntnis zur Betrachtung
der Größe und Majestät Gottes erheben. Wenn man zu beten
beginnt, fliegen die Bienen zu ihrem Korb und kommen hinein, um den Honig
zu bringen.
Reicht Beten für
den gläubigen Christen allein?
Teresa von Avila: Nein, wir können unser Fundament nicht durch
Gebet und Kontemplation allein bauen. Wenn wir nicht um den Erwerb von
Tugenden und ihre Einübung bemüht sind, werden wir immer Zwerge
bleiben. Selbst wenn uns Gott im Nichtmehrwachsen belässt, müssen
wir doch wissen, dass schrumpft, wer nicht mehr wächst. Denn ich meine,
dass es der Liebe nicht möglich ist, irgendwo stehenzubleiben.
Sie empfehlen den Gläubigen
das innere Gebet. Warum?
Teresa von Avila: Wer mit der Übung des inneren Gebets noch
nicht begonnen hat, den bitte ich bei der Liebe Gottes, sich ein solches
Gut doch nicht entgehenzulassen. Es gibt hier nichts zu fürchten,
aber alles zu hoffen. Wer darin beharrlich ist, der wird die Barmherzigkeit
Gottes erfahren, der jede Freundschaft erwidert. Denn das innere Gebet
ist, so meine ich, nichts anderes als Umgang und vertraute Zwiesprache
mit dem Freunde, von dem wir wissen, dass er uns liebt.
Wie und wo sollen wir
zu Gott beten?
Teresa von Avila: Das Erste, was uns seine Majestät über
das Gebet lehrt, ist, dass wir in die Stille gehen müssen. Er selbst
pflegte in der Einsamkeit zu beten.
Warum schickt der Herr
denen, die ihn lieben, so viele Kreuze im Leben?
Teresa von Avila: Der Herr weiß, was jeder tragen kann. Habt
keine Angst, dass er euch Reichtümer geben wird oder irdische Freuden
und Ehren, so wenig liebt er euch nicht. Er weiß sehr zu schätzen,
was ihr ihm gebt und möchte es euch zurückzahlen, so dass sein
Reich zu euch komme, während ihr noch auf Erden lebt. Wollt ihr wissen,
was er denen gibt, die wirklich seinen Willen tun möchten? Dann fragt
seinen glorreichen Sohn, der im Garten von Gethsemani betete. Was er entschlossen
und von ganzem Herzen erbat, seht, wie es ihm erfüllt wurde durch
Leiden und Schmerzen, Schmähungen und Verfolgung bis zum Tod am Kreuz!
Verkraftet das unsere
Seele überhaupt?
Teresa von Avila: Wir dürfen nicht meinen, unsere Seele sei
etwas Winkeliges und Begrenztes. Sie ist eine innere Welt mir vielen und
schönen Wohnungen und vor allem mit einer Wohnung für Gott.
Was erwartet Gott von
uns?
Teresa von Avila: Wir wollen keine Türme bauen ohne Fundament,
denn der Herr sieht nicht so sehr auf die Größe der Werke, sondern
auf die Liebe, mit der sie vollbracht werden. Wenn wir tun, was in unseren
Kräften steht, so wird der Herr uns von Tag zu Tag mehr Kraft geben,
so dass wir nicht ermüden, sondern in unserem kurzen Leben - das vielleicht
noch kürzer ist als wir denken - unserem Herrn das Opfer darbringen,
zu dem wir fähig sind.
Was sollen wir konkret
tun? Was will Gott von uns?
Teresa von Avila: Wir müssen das Gebet suchen und uns darum
bemühen, nicht um es zu genießen, sondern um Kraft zum Dienen
zu bekommen. Ich habe euch aber auch schon gewarnt, dass der Teufel uns
manchmal verführt, uns Gewaltiges vorzunehmen, damit wir im Wollen
des Unmöglichen die einfachen Dienste des Alltags unterlassen. Abgesehen
von eurem hilfreichen Gebet solltet ihr nicht gleich der ganzen Welt dienen
wollen, sondern denen, die mit euch zusammenleben. Ihr tut so das größere
Werk, da ihr ihnen verpflichtet seid.
500 Jahe
heilige Teresia von Avila: „Ich
will Gott sehen", sagt das kleine Mädchen zu seinen Eltern
Diese Heilige stellt einen der Höhepunkte christlicher Spiritualität
aller Zeiten dar: die heilige Teresa von Avila oder Teresa von Jesus.
Sie wird 1515 in Avila in Spanien unter dem Namen Teresa de Ahumada
geboren. In ihrer Autobiografie erwähnt sie selbst einige Episoden
aus ihrer Kindheit und schreibt, dass sie von „tugendhaften und gottesfürchtigen
Eltern" in einer kinderreichen Familie - mit neun Brüdern und drei
Schwestern - geboren wurde. Als Mädchen im Alter von weniger als neun
Jahren hat sie die Gelegenheit, die Lebensbeschreibungen einiger Märtyrer
zu lesen, die in ihr den Wunsch nach dem Martyrium hervorrufen, so dass
sie plant, von Zuhause auszureißen, um als Märtyrer zu sterben
und zum Himmel aufzusteigen (vgl. Das Buch meines Lebens, 1, 4). „Ich will
Gott sehen", sagt das kleine Mädchen zu seinen Eltern. Einige Jahre
später wird Teresa über die Lektüre ihrer Kindheit sprechen
und zugeben, dort die Wahrheit entdeckt zu haben, die sie in zwei fundamentalen
Prinzipien zusammenfasst: einerseits „die Tatsache, dass alles, was zur
Welt gehört, vergänglich ist", andererseits, dass nur Gott „für
immer,
immer, immer" ist, ein Thema, das in ihrer berühmten Dichtung
aufgenommen wird: „Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken.
Alles geht vorüber. Gott allein bleibt derselbe. Alles erreicht der
Geduldige, und wer Gott hat, der hat alles. Gott allein genügt." Nachdem
sie ihre Mutter im Alter von zwölf Jahren verliert, bittet sie die
selige Jungfrau Maria, ihre Mutter zu sein (vgl. Das Buch meines Lebens,
1,7).
Wenn das Lesen profaner Bücher sie in der Jugend zu den Ablenkungen
eines weltlichen Lebens geführt hatte, so lehrten sie die Erfahrung
als Schülerin der Augustinerinnen von Santa Maria de la Gracia in
Avila und der Umgang mit geistlichen Büchern - vor allem mit den Klassikern
der franziskanischen Spiritualität - die innere Sammlung und das Gebet.
Im Alter von zwanzig Jahren tritt sie in den Karmel der Menschwerdung in
Avila ein; im Orden nimmt sie den Namen Teresa von Jesus an. Drei Jahre
später erkrankt sie so schwer, dass sie vier Tage im Koma liegt und
wie tot scheint (vgl. Das Buch meines Lebens, 5, 9). Auch im Kampf gegen
ihre Krankheiten sieht die Heilige den Kampf gegen ihre Schwächen
und den Widerstand gegen den Ruf Gottes: „Ich wollte leben" - so schreibt
sie -, „da ich wohl verstanden hatte, dass ich nicht lebte, sondern mit
einem Todesschatten rang. Ich hatte niemanden, der mir Leben gegeben hätte,
und ich konnte es mir auch nicht selber geben. Und der, der es mir geben
konnte, hatte allen Grund, mir nicht zu Hilfe zu kommen, da er mich so
viele Male an sich gezogen und ich ihn verlassen hatte" (Das Buch meines
Lebens, 8,2).
1543 verliert sie die Nähe ihrer Familie: Ihr Vater stirbt
und alle ihre Geschwister wandern einer nach dem anderen nach Amerika aus.
In der Fastenzeit des Jahres 1554 erreicht Teresa im Alter von 39 Jahren
den Höhepunkt im Kampf gegen ihre Schwächen. Durch die zufällige
Entdek
kung der Statue eines „zutiefst verwundeten Christus" wird ihr Leben
nachdrücklich gezeichnet (vgl. Das Buch meines Lebens, 9). Die Heilige,
die während dieser Zeit starke Übereinstimmung mit dem heiligen
Augustinus der „Bekenntnisse" findet, beschreibt den entscheidenden Tag
ihrer mystischen Erfahrung auf folgende Weise: „Es geschah..., dass ich
plötzlich die Gegenwart Gottes spürte und dass ich in keiner
Weise daran zweifeln konnte, dass er in mir war oder dass ich ganz in Ihm
aufgegangen war" (Das Buch meines Lebens, 10,1).
Parallel zu ihrer inneren Reifung beginnt die Heilige, konkret den
Wunsch nach einer Reform des Karmelordens zu entwickeln: 1562 gründet
sie in Avila mit der Unterstützung des Bischofs der Stadt, Don Alvaro
de Mendoza, den ersten reformierten Karmel, und kurz darauf erhält
sie auch die Zustimmung des Generaloberen des Ordens, Giovanni Battista
Rossi. In den folgenden Jahren gründet sie weitere Karmelklöster
- insgesamt sind es siebzehn. Von grundlegender Bedeutung ist ihre Begegnung
mit dem heiligen Johannes vom Kreuz, mit dem sie 1568 in Duruelo in der
Nähe von Avila das erste Kloster der Unbeschuhten Karmelitinnen gründet.
1580 erlangt sie aus Rom die Errichtung einer eigenen Provinz für
ihren reformierten Karmel, den Ursprung des Ordens der Unbeschuhten Karmelitinnen.
Teresas irdisches Leben endet eben in dem Moment, in dem sie mit dem Verfahren
der Gründung beschäftigt ist. Denn 1582, nachdem sie den Karmel
von Burgos gegründet hat und sich auf der Rückreise nach Avila
befindet, stirbt sie in der Nacht des 15. Oktober in Alba de Tormes und
wiederholt dabei voller Demut zwei Worte: „Am Ende sterbe ich als Tochter
der Kirche" und: „Es ist nunmehr an der Zeit, mein Bräutigam, dass
wir uns sehen." Ein Dasein, das innerhalb Spaniens gelebt, aber für
die ganze Kirche hingegeben wurde.
Nachdem sie 1614 von Papst Paul V. selig- und 1622 von Gregor XV.
heiliggesprochen wurde, hat der Diener Gottes Paul VI. sie 1970 zur „Kirchenlehrerin"
ernannt.
Teresa von Jesus hatte keine akademische Ausbildung, aber sie hat
stets die Lehre von Theologen, Schriftstellern und geistlichen Lehrern
beherzigt. Als Schriftstellerin hat sie sich stets an das gehalten, was
sie selbst erlebt oder anhand der Erfahrung der anderen erkannt hatte (vgl.
Vorwort zu „Der Weg zur Vollkommenheit"); sie hat also von der Erfahrung
ausgehend geschrieben. Teresa knüpft Beziehungen geistlicher Freundschaft
zu vielen Heiligen, vor allem zum heiligen Johannes vom Kreuz. Gleichzeitig
nährt sie sich von der Lektüre der Kirchenväter: des heiligen
Hieronymus, des heiligen Gregor des Großen, des heiligen Augustinus.
Unter ihren Hauptwerken ist vor allem ihre Autobiografie mit dem
Titel „Das Buch meines Lebens" zu erwähnen, das sie das „Buch der
Barmherzigkeiten des Herrn" nennt. Es wurde 1565 im Karmel von Avila verfasst
und stellt ihren Lebensweg und ihren geistlichen Werdegang dar. Es wurde
geschrieben, wie Teresa selbst sagt, um ihre Seele dem Urteil des „Lehrmeisters
der Spiritualen", des heiligen Johannes von Avila, zu unterziehen. Die
Absicht ist, die Gegenwart und das Wirken des barmherzigen Gottes in ihrem
Leben herauszustellen: Daher gibt das Werk häufig ihr Zwiegespräch
mit dem Herrn im Gebet wieder. Es handelt sich um eine faszinierende Lektüre,
da die Heilige nicht nur erzählt, sondern zeigt, dass sie die tiefe
Erfahrung ihrer Beziehung zu Gott von Neuem durchlebt.
1566 schreibt Teresa den „Weg der Vollkommenheit", den sie bezeichnet
als: „Ermahnungen und Ratschläge, die Teresa von Jesus ihren Schwestern
erteilt". Empfänger sind die zwölf Novizinnen des Karmels vom
heiligen Josef in Avila. Ihnen schlägt Teresa ein intensives Programm
des kontemplativen Lebens im Dienste der Kirche vor, dessen Grundlage die
evangelischen Tugenden und das Gebet sind. Zu den wertvollsten Passagen
gehört der Kommentar zum Vater Unser, dem Inbegriff des Gebets. Das
berühmteste mystische Werk der heiligen Teresa ist „Die innere Burg",
das 1577 geschrieben wurde. Es handelt sich um eine Auslegung ihres geistlichen
Lebensweges und gleichzeitig um eine systematische Erfassung der möglichen
Entfaltung des christlichen Lebens zu seiner Fülle, zur Heiligkeit,
gemäß dem Wirken des Heiligen Geistes. Teresa nimmt Bezug auf
das Gefüge einer Burg mit sieben Räumen (als Bild des menschlichen
Inneren) und führt gleichzeitig das Symbol der Seidenraupe ein, die
als Schmetterling wiedergeboren wird, um den Übergang von der Natur
zum Übernatürlichen zum Ausdruck zu bringen. Die Heilige inspiriert
sich an der Heiligen Schrift, vor allem am „Hohenlied" für das letzte
Symbol der „beiden Brautleute", das ihr erlaubt, im siebten Raum den Höhepunkt
des christlichen Lebens unter seinen vier Aspekten zu beschreiben: dem
trinitarischen, dem christologischen, dem anthropologischen und dem kirchlichen.
Ihrer Tätigkeit als Gründerin reformierter Karmelklöster
widmet Teresa ihr „Buch der Gründungen", das zwischen 1573 und 1582
verfasst wurde und in dem sie über das Leben der entstehenden Ordensgemeinschaft
spricht. Wie die Autobiografie ist der Bericht darauf ausgerichtet, im
Werk der Gründung neuer Klöster vor allem das Wirken Gottes zu
sehen.
Es ist nicht einfach, in wenigen Worten die tiefe und klare teresianische
Spiritualität zusammenzufassen. An erster Stelle stellt die heilige
Teresa die evangelischen Tugenden als Grundlage des gesamten christlichen
und menschlichen Lebens dar: vor allem die Trennung von Besitztümern
oder die evangelische Armut, und das betrifft uns alle; die Liebe zueinander
als wesentliches Element des gemeinschaftlichen und sozialen Lebens: die
Demut als Liebe zur Wahrheit; die Entschlossenheit als Frucht der christlichen
Kühnheit; die theologische Hoffnung, die sie als Durst nach lebendigem
Wasser beschreibt. Ohne die menschlichen Tugenden zu vergessen: Freundlichkeit,
Wahrhaftigkeit, Bescheidenheit, Höflichkeit, Gelassenheit, Kultur.
An zweiter Stelle schlägt die heilige Teresa ein tiefes Einvernehmen
mit den biblischen Persönlichkeiten vor sowie das lebendige Hören
auf das Wort Gottes. Sie fühlt sich vor allem mit der Braut des „Hohenliedes"
und mit dem Apostel Paulus in Übereinstimmung, sowie mit dem Christus
der Passion und dem eucharistischen Jesus.
Die Heilige hebt dann hervor, wie wesentlich das Gebet ist; Beten,
so sagt sie, „bedeutet freundschaftlichen Umgang haben, denn wir sprechen
unter vier Augen mit Demjenigen, von dem wir wissen, dass er uns liebt"
(Das Buch meines Lebens, 8, 5). Die Vorstellung der heiligen Teresa stimmt
mit der Definition des heiligen Thomas von Aquin über die theologische
Liebe als „amicitia quaedam hominis ad Deum" überein, eine Art der
Freundschaft des Menschen mit Gott, der dem Menschen als Erster seine Freundschaft
angeboten hat; die Initiative geht von Gott aus (vgl. Summa Theologiae
II—1,23,1). Das Gebet ist Leben und entwickelt sich allmählich im
Rhythmus mit dem christlichen Leben: Das Beten beginnt mit dem gesprochenen
Gebet, geht über die Verinnerlichung durch die Meditation und die
Sammlung, bis es schließlich zur liebenden Vereinigung mit Christus
und der Allerheiligsten Dreifaltigkeit gelangt. Natürlich handelt
es sich nicht um eine Entwicklung, in der das Ersteigen der höchsten
Stufen bedeutet, die vorhergehende Art des Gebets hinter sich zu lassen,
es ist vielmehr ein allmähliches Vertiefen der Beziehung zu Gott,
die das ganze Leben umfasst. Eher als um eine Pädagogik des Gebets
handelt es sich bei Teresa um eine wirkliche „Mystagogik": Sie lehrt den
Leser ihrer Werke das Beten, indem sie selbst mit ihm betet; so unterbricht
sie häufig den Bericht oder die Darstellung, um ein Gebet zu sprechen.
Ein weiteres Thema, das der Heiligen am Herzen liegt, ist die Zentralität
der Menschheit Christi. Für Teresa ist das christliche Leben
die persönliche Beziehung zu Jesus, die in die Vereinigung mit
ihm durch die Gnade, durch die Liebe und durch die Nachfolge führt.
Daraus ergibt sich die Bedeutung, die sie der Passion beimisst, sowie der
Eucharistie, als Gegenwart Christi in der Kirche, für das Leben jedes
Gläubigen und als Herz der Liturgie. Die heilige Teresa lebt eine
bedingungslose Liebe zur Kirche: Sie bezeugt einen lebhaften „sensus Ecclesiae"
angesichts der Spaltungen und Konflikte innerhalb der Kirche ihrer Zeit.
Sie reformiert den Orden der Karmelitinnen mit der Absicht, der „Heiligen
Römischen Katholischen Kirche" besser zu dienen sowie sie besser zu
verteidigen, und sie ist bereit, das Leben für sie hinzugeben (vgl.
Das Buch meines Lebens, 33,5).
Ein letzter wesentlicher Aspekt der teresianischen Lehre, den ich
hervorheben möchte, ist die Vollkommenheit, nach der das ganze christliche
Leben strebt und die sein letztes Ziel ist. Die Heilige hat eine ganz klare
Vorstellung von der „Fülle" Christi, die im Christen neu gelebt wird.
Am Ende des Gangs durch die „Innere Burg" beschreibt Teresa im letzten
„Raum" diese Fülle, die durch das Innewohnen der Dreifaltigkeit verwirklicht
wird in der Vereinigung mit Christus durch das Geheimnis seiner Menschheit.
0 Gott, Du weißt besser als ich, dass
ich von Tag zu Tag älter und eines Tages alt sein werde.
Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder
Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen.
Erlöse mich von der Leidenschaft, die
Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen. Lehre mich, nachdenklich, aber
nicht grüblerisch, hilfreich, aber nicht diktatorisch zu sein.
Bei meiner ungeheuren Ansammlung von Weisheit
erscheint es mir ja schade, sie nicht weiterzugeben - aber Du verstehst,
o Gott, dass ich mir ein paar Freundinnen erhalten möchte.
Bewahre mich vor Aufzählung endloser
Einzelheiten und verleihe mir Schwingen, zur Pointe zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten
und Beschwerden. Sie nehmen zu - und die Lust, sie zu beschreiben, wächst
von Jahrzu Jahr.
Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen, mir
die Krankheitsschilderungen anderer mit Freuden anzuhören, aber lehre
mich, sie geduldig zu ertragen.
Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich
mich irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich.
Ich möchte keine Heilige sein - mit ihnen lebt es sich so schwer -
aber eine alte Griesgrämin ist das Krönungswerk des Teufels.
Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete
Talente zu entdecken, und verleihe mir, o Gott, die schöne Gabe, sie
auch zu ernten.
(Quelle: "PUR spezial"
1/2015, S. 3 - 18, Kisslegg-Immenried)