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Der
Seeleneifer
Michael
Stumm
Der
hl. Serapion gab sein Einsiedlerleben auf und verkaufte sich viermal als
Sklave gottlosen Herren. Auf diese Weise verbrachte er 30 Jahre unter härtesten
Lebensbedingungen. Er erniedrigte sich selbst und nahm sein schweres Kreuz
auf sich, um Seelen aus der Knechtschaft des Teufels zu befreien.
Die
hl. Magdalena von Pazzis beneidete oft die Vögel um ihr Los, weil
diese an jeden Ort fliegen können. „Ach", seufzte sie, „hätte
ich Flügel und dürfte das Kloster verlassen, so würde ich
mich noch heute emporschwingen und nach Indien fliegen. Dort würde
ich die Kinder um mich sammeln. Ich würde sie in den Hauptwahrheiten
unserer hl. Religion unterrichten, um ihnen Jesus und Jesus ihre Seelen
zu schenken."
Der
hl. Paulus wünschte nichts so sehnsüchtig als die Bekehrung aller.
Er scheute weder Hunger noch Durst, weder Verfolgung noch Peitschenhiebe
und war zu den größten Opfern bereit, so daß er schreiben
konnte: „Ich sage die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht; da mein
Gewissen mir Zeugnis gibt im Hl. Geist, daß ich große Trauer
und beständigen Schmerz in meinem Herzen trage. Denn ich wünsche
selbst, verbannt zu sein von Christus für meine Brüder, die dem
Fleisch nach meine Stammesgenossen sind." (Rom. 9,1-3) Mit diesen Worten
drückt er in selbstloser, gleichsam blinder Liebe - die
nicht
überlegt, ob ihr Opfer auch möglich sei - das Verlangen aus,
ewig verworfen und von Christus getrennt zu werden, wenn dadurch seine
Brüder gerettet würden.
Der
hl. Franz von Sales flehte immer wieder:
„Nimm
alles, o Herr! Laß mich nur Seelen retten!"
Mitarbeiten
am Heil der Seelen ist ein Werk, das uns selber den höchsten Segen
bringt. Wie tröstlich sind die Verheißungen, die der Hl. Geist
für das Spenden macht. Diese göttlichen Versprechungen gelten
aber noch weit mehr für das Werk der Seelenrettung: „Es errettet vom
Tod und tilgt die Sünden und läßt Erbarmung und ewiges
Leben finden." (Job. 12,9) „Es tut Widerstand den Sünden!" (Sir. 3,33)
Die
„Stimme unserer Sünden" erhebt sich gegen uns. Sie wird aber durch
die Rufe unseres Seeleneifers, die für uns sprechen werden, unterdrückt.
„Die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden." (1 Petr. 4,8) Auch werden
ganz gewiß die Seelen, an deren Rettung wir, mit Gottes Gnade, mitgearbeitet
haben, nicht ermangeln, dereinst vom Himmel aus unser - als ihrer Wohltäter
auf Erden - zu gedenken und für uns zu beten, bis wir zu ihnen kommen.
Die
Mitwirkung an der Bekehrung der Sünder ist ein leuchtendes Zeichen
der Vorherbestimmung und der Aufzeichnung unseres Namens im Buch des Lebens.
„Wenn du eine Seele gerettet hast", schreibt der hl. Augustinus, „so hast
du deine eigene Seligkeit vorherbestimmt."
Als
der hl. Philipp Neri im Sterben lag, sandte ihm Gott alle Seelen, die er
durch seine Bemühungen und Arbeiten gerettet hatte, entgegen, damit
sie seine Seele in den Himmel abholten.
„Meine
Brüder, wenn einer von euch abirrt von der Wahrheit, und es führt
ihn jemand zurück, so wisse er, daß wer einen Sünder von
seinem Irrweg zurückführt, der wird dessen Seele vom Tod retten
und eine Menge Sünden zudecken." (Jak. 5,19-20)
Das
eigentliche öffentliche Amt der Seelenrettung ist der Kirche übergeben
und wird von ihr durch das Lehr-, Priester- und Hirtenamt ausgeübt.
Aber
außerdem gibt es noch ein Apostolat zur Rettung der Seelen, an dem
sich jeder katholische Christ beteiligen muß. Es hat zu allen Zeiten
aus jedem Stand Laien gegeben, die voll Eifer für die Ehre Gottes
und das Heil der Seelen wirkten. Jeder muß sich in den Dienst der
guten Sache stellen und sich je nach seinem Beruf und seiner Stellung um
das Seelenheil der Mitmenschen bemühen. Großeltern für
Enkel, Eltern für Kinder, Kinder für Eltern, Geschwister untereinander.
Freunde untereinander, Kollegen, Nachbarn usw.
Der
wahre Seeleneifer hat aber bestimmte Kennzeichen. Wer einen wahren Seeleneifer
hat, der denkt immer zuerst an seine eigene Seele. So will es die Nächstenliebe
und die christliche Demut. Nicht das Gute, was wir tun an andern - nein,
das Gute, was wir an uns selbst tun, muß der Ausgangspunkt des Seeleneifers
sein.
Wer
also vor allem nicht sich selbst bessert, wird schwer andere bessern. Wer
für sich nicht gut ist, der kann es wirklich nicht für andere
sein. Derjenige, der die Sitten anderer verbessern will, nicht bei sich
selbst anfängt, verschwendet Mühe und Arbeit. Der Seeleneifer
bemüht sich darum, zuerst selber zu tun, was er anderen zumutet. Der
Seeleneifer hat dann ein liebevolles Mitleid mit dem Sünder. So machte
es Jesus. „Wenn wir jemand, der gefallen ist, aufrichten wollen, so müssen
wir uns selbst durch die Barmherzigkeit beugen, wie es Christus, unser
gütigster Erlöser getan hat, als ihm die Ehebrecherin vorgestellt
wurde", so der hl. Franziskus Seraphikus.
Freilich
darf es kein Mitleid mit der Sünde aus eigener Schlechtheit sein,
noch ein Entschuldigen der Sünde. „Wohl ist es Pflicht, sich zu dem
Gefallenen herabzuneigen, aber nicht, um mit ihm in die Grube zu stürzen",
sagt Papst Gelasius. Bei denen, die am Ertrinken sind, bedarf es großer
Vorsicht, um ihnen ohne eigene Gefahr Hilfe leisten zu können. Manche,
die nicht schwimmen konnten, sind dem Ertrinkenden zu Hilfe geeilt und
kamen dadurch selbst ums Leben.
Der
wahre Seeleneifer muß sich ferner ganz besonders von der christlichen
Klugheit leiten lassen. „Nimm die Klugheit hinweg und der Eifer artet in
Fehler aus", warnt der hl. Bernhard. Eben die christliche Klugheit - fern
von mißverstandener Zudringlichkeit - und die Gnade des Hl. Geistes
macht uns auf den richtigen und günstigen Zeitpunkt aufmerksam. Die
liebevoll zeigende Hand Gottes zeigt unserem Herzen und Verstand die geeigneten
Mittel, das rechte Maß, die vernünftige Grenze. Der wahre Seeleneifer
ist wohl geordnet, ruhig und überstürzt sich nicht. Er gleicht
dem scharfsinnigen Jäger, der dem Wild nachspürt und oft Tage
die Spur verfolgt, ohne zu ermüden.
Der
hl. Franz von Sales sagt ganz mit Recht: „Der Eifer ist eine gefährliche
Tugend, weil so wenige darin Maß zu halten wissen. Sie gleichen schlechten
Dachdeckern, die mehr Ziegel zertreten als auflegen."
Der
wahre Seeleneifer läßt auch nicht nach, wenn er nicht sofort
Erfolge sieht. Er hat dafür ein zu lebendig reines Interesse für
die unsterbliche Seele. Dieses Interesse verleiht ihm Mut. Er erlahmt darum
nicht und läßt sich nicht durch Menschenfurcht abschrecken,
wenn es Zeit ist, zum Heil der Seelen zu reden oder zu handeln.
Zu
den Mitteln des Seeleneifers gehören:
das
gute, gelebte Beispiel,
das
Gebet,
das
Almosen und
die
geistlichen Werke der Barmherzigkeit.
Ein
wichtiges Werk des Seeleneifers ist die private Belehrung. Und in dieser
Hinsicht kann jeder, der einen lebendigen Glauben hat, von wahrer
Gottes-
und Nächstenliebe erfüllt ist, in seinem Kreis und in seiner
Umgebung viel Gutes stiften - unabhängig von Stand, Position oder
Alter.
Du
hast Eltern, Kinder, Geschwister, Verwandte, Freunde und Bekannte. Du kommst
da und dort mit jemandem zusammen, dem du ein gutes und aufrichtiges Beispiel
vorleben und geben kannst.
Ein
gutes Wort zur rechten Zeit, ein wohlgemeinter Rat im richtigen Augenblick
und eine herzliche Aufmunterung hat nicht selten eine Wunderkraft.
Willst
du erfolgreich sein, so denke an:
Das
Lösen von verderblichen Freund- oder Bekanntschaften.
Das
Besänftigen eines gewalttätigen Charakters durch ein mildes Wesen.
Das
Widerlegen gefährlicher Ansichten.
Das
Zerstören schädlicher Vorurteile.
Das
Mißbilligen schlechter Rede.
Hier
ein gutes Wort, dort ein heilsames Buch, das kannst du immer geben.
Das
kraftvollste Mittel ist aber darüber hinaus zusätzlich das Gebet.
Die Bitte um Erleuchtung und Gnade der Erkenntnis der betroffenen Seele(n).
Ohne
das Gebet und die Gnade bleibt alles fruchtlos.
Es
muß von Gott die Gnade kommen, denn Er teilt sich mit, wem Er will.
Die
heutige Menschheit ist taub dem Wort Gottes gegenüber. Sie hat Ohren
und hört nicht. Ein echtes, klares, standhaftes Vorbild kann guten
Samen ausstreuen. Überhaupt ließen sich viele retten, wenn wir
frei wären von unsrer engherzigen Selbstsucht. Gar mancher könnte
auf dem Weg zum Himmel mitgezogen werden, wenn wir ihm nur die Hand reichen
würden. Wecken wir in uns und in den anderen Seelen die Sehnsucht
nach Gott, nach der Liebe Jesu und seiner Mutter und nach dem Allerheiligsten
Altarsakrament! „Die Mitwirkung zum Heil der Seelen ist unter allem Göttlichen
das Göttlichste."
(hl.
Dionysius)
(Quelle:
"Dienst am Glauben" Heft 4/2007, S: 124ff., Innsbruck 2007. Bestellen
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