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Seelsorge - Pflicht eines jeden Christen!

Der Seeleneifer
Michael Stumm

Der verstorbene Papst Johannes Paul II. rief mit „Duc in Altum - fahret hinaus!" allen Gläubigen ins Gewissen, sich aktiv für Gott und ohne Menschenfurcht für die Wahrheit und seine Verbreitung einzusetzen. In Zeiten des Glaubensverfalls, eines Relativismus, einer Verwüstung der Seelen, einer Privatisierung des Glaubenslebens bzw. -Verkündigung ist es unersetzlich, in jedem Stand und nach allen Kräften sich in den Dienst Christi und seiner Kirche zu stellen. Die zunehmende Taubheit gegenüber dem Wort Gottes und seinem Rufen macht es dringend notwendig, die Ohren der eigenen und fremden Seele gegenüber der Wahrheit feinfühlig zu machen. Fast gänzlich aus dem Sprachgebrauch verschwunden ist der Begriff des Seeleneifers. Oft - und zu Recht - ist er den wichtigen Attributen eines Priesters zugeschrieben, denn der wahre Seeleneifer ist auch Grundlage für eine segensreiche Seelsorge. Doch der Eifer für die Seelen ist nicht ausschließlich Aufgabe des Klerus. Der Eifer ist der tiefe und aufrichtige Ausdruck der Nächstenliebe.
Der Seeleneifer ist die Liebe zu den Menschen, die uns alle antreibt, dem Nächsten auf dem irdischen Pilgerweg in die Ewigkeit behilflich zu sein und ihm in den Angelegenheiten seines Seelenheils beizustehen. Diesem Liebesdienst sollte sich jeder Christ verpflichtet sehen. Nach den Umständen bzw. Verhältnissen seiner Person und seines Standes - ob als Laie oder als Kleriker - nimmt sich der gewissenhafte und treue Christ der unsterblichen Seelen an, um sie zu gewinnen, zu retten und im Guten zu bestärken. Wie sollte es auch anders sein? Wer Gott wahrhaft liebt, der liebt auch seine
Mitmenschen. Er dürstet nach dem Heil ihrer Seelen, daß auch sie durch die Quelle der Sakramente gestärkt werden und den schmalen Weg zu Gott finden.
Der hl. Augustinus schreibt treffend:
„Der Seeleneifer ist eine Wirkung der Liebe. Wer für das Heil der Seelen keinen Eifer zeigt, der liebt Gott nicht (...). Sofern du Gott liebst, trage auch dazu bei, daß er von allen geliebt wird."
Im Seeleneifer zeigt sich die Gottesliebe in ihrer schönsten Entfaltung und Reinheit.
„Der ist der Größte in der Liebe Gottes, der die meisten zu seiner Liebe hinführt." So der hl. Papst Gregor der Große. Welchen Beweis wir Gott auch von unserer Liebe geben möchten, keiner gefällt ihm so sehr wie der Eifer für das Heil der Seelen.
„Die Treue zu Jesus", so der hl. Chrysostomus, „zeigt sich in der unermüdlichen Sorge um das Seelenheil des Nächsten. Sie ist das höchste Zeichen der Freundschaft mit Christus."
So dachten und handelten auch alle Heiligen. Sie waren davon überzeugt, daß Gott nichts so wohlgefällig wäre, als der Eifer und das Opfer für das Seelenheil. Die Heiligen waren von der Gottesliebe so erfüllt, daß sie zu jedem Opfer bereit waren, um Seelen für den Himmel zu gewinnen. Ihr gesamtes Leben war ein Leuchtfeuer für die Wahrheit, ein Opferdienst für Christus.
Der hl. Ignatius sagte: „Wenn mir Gott die Wahl ließe, entweder sofort zu sterben und in den Besitz der ewigen Seligkeit zu gelangen oder in Ungewißheit über mein Seelenheil noch länger auf der Erde zu bleiben, so würde ich die Ungewißheit meines Heils der Gewißheit vorziehen, um den Seelen weiterhin zu helfen."

Der hl. Serapion gab sein Einsiedlerleben auf und verkaufte sich viermal als Sklave gottlosen Herren. Auf diese Weise verbrachte er 30 Jahre unter härtesten Lebensbedingungen. Er erniedrigte sich selbst und nahm sein schweres Kreuz auf sich, um Seelen aus der Knechtschaft des Teufels zu befreien.
Die hl. Magdalena von Pazzis beneidete oft die Vögel um ihr Los, weil diese an jeden Ort fliegen können. „Ach", seufzte sie, „hätte ich Flügel und dürfte das Kloster verlassen, so würde ich mich noch heute emporschwingen und nach Indien fliegen. Dort würde ich die Kinder um mich sammeln. Ich würde sie in den Hauptwahrheiten unserer hl. Religion unterrichten, um ihnen Jesus und Jesus ihre Seelen zu schenken."
Der hl. Paulus wünschte nichts so sehnsüchtig als die Bekehrung aller. Er scheute weder Hunger noch Durst, weder Verfolgung noch Peitschenhiebe und war zu den größten Opfern bereit, so daß er schreiben konnte: „Ich sage die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht; da mein Gewissen mir Zeugnis gibt im Hl. Geist, daß ich große Trauer und beständigen Schmerz in meinem Herzen trage. Denn ich wünsche selbst, verbannt zu sein von Christus für meine Brüder, die dem Fleisch nach meine Stammesgenossen sind." (Rom. 9,1-3) Mit diesen Worten drückt er in selbstloser, gleichsam blinder Liebe - die
nicht überlegt, ob ihr Opfer auch möglich sei - das Verlangen aus, ewig verworfen und von Christus getrennt zu werden, wenn dadurch seine Brüder gerettet würden.
Der hl. Franz von Sales flehte immer wieder:
„Nimm alles, o Herr! Laß mich nur Seelen retten!"
Mitarbeiten am Heil der Seelen ist ein Werk, das uns selber den höchsten Segen bringt. Wie tröstlich sind die Verheißungen, die der Hl. Geist für das Spenden macht. Diese göttlichen Versprechungen gelten aber noch weit mehr für das Werk der Seelenrettung: „Es errettet vom Tod und tilgt die Sünden und läßt Erbarmung und ewiges Leben finden." (Job. 12,9) „Es tut Widerstand den Sünden!" (Sir. 3,33)
Die „Stimme unserer Sünden" erhebt sich gegen uns. Sie wird aber durch die Rufe unseres Seeleneifers, die für uns sprechen werden, unterdrückt. „Die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden." (1 Petr. 4,8) Auch werden ganz gewiß die Seelen, an deren Rettung wir, mit Gottes Gnade, mitgearbeitet haben, nicht ermangeln, dereinst vom Himmel aus unser - als ihrer Wohltäter auf Erden - zu gedenken und für uns zu beten, bis wir zu ihnen kommen.
Die Mitwirkung an der Bekehrung der Sünder ist ein leuchtendes Zeichen der Vorherbestimmung und der Aufzeichnung unseres Namens im Buch des Lebens. „Wenn du eine Seele gerettet hast", schreibt der hl. Augustinus, „so hast du deine eigene Seligkeit vorherbestimmt."
Als der hl. Philipp Neri im Sterben lag, sandte ihm Gott alle Seelen, die er durch seine Bemühungen und Arbeiten gerettet hatte, entgegen, damit sie seine Seele in den Himmel abholten.
„Meine Brüder, wenn einer von euch abirrt von der Wahrheit, und es führt ihn jemand zurück, so wisse er, daß wer einen Sünder von seinem Irrweg zurückführt, der wird dessen Seele vom Tod retten und eine Menge Sünden zudecken." (Jak. 5,19-20)
Das eigentliche öffentliche Amt der Seelenrettung ist der Kirche übergeben und wird von ihr durch das Lehr-, Priester- und Hirtenamt ausgeübt.
Aber außerdem gibt es noch ein Apostolat zur Rettung der Seelen, an dem sich jeder katholische Christ beteiligen muß. Es hat zu allen Zeiten aus jedem Stand Laien gegeben, die voll Eifer für die Ehre Gottes und das Heil der Seelen wirkten. Jeder muß sich in den Dienst der guten Sache stellen und sich je nach seinem Beruf und seiner Stellung um das Seelenheil der Mitmenschen bemühen. Großeltern für Enkel, Eltern für Kinder, Kinder für Eltern, Geschwister untereinander. Freunde untereinander, Kollegen, Nachbarn usw.
Der wahre Seeleneifer hat aber bestimmte Kennzeichen. Wer einen wahren Seeleneifer hat, der denkt immer zuerst an seine eigene Seele. So will es die Nächstenliebe und die christliche Demut. Nicht das Gute, was wir tun an andern - nein, das Gute, was wir an uns selbst tun, muß der Ausgangspunkt des Seeleneifers sein.
Wer also vor allem nicht sich selbst bessert, wird schwer andere bessern. Wer für sich nicht gut ist, der kann es wirklich nicht für andere sein. Derjenige, der die Sitten anderer verbessern will, nicht bei sich selbst anfängt, verschwendet Mühe und Arbeit. Der Seeleneifer bemüht sich darum, zuerst selber zu tun, was er anderen zumutet. Der Seeleneifer hat dann ein liebevolles Mitleid mit dem Sünder. So machte es Jesus. „Wenn wir jemand, der gefallen ist, aufrichten wollen, so müssen wir uns selbst durch die Barmherzigkeit beugen, wie es Christus, unser gütigster Erlöser getan hat, als ihm die Ehebrecherin vorgestellt wurde", so der hl. Franziskus Seraphikus.
Freilich darf es kein Mitleid mit der Sünde aus eigener Schlechtheit sein, noch ein Entschuldigen der Sünde. „Wohl ist es Pflicht, sich zu dem Gefallenen herabzuneigen, aber nicht, um mit ihm in die Grube zu stürzen", sagt Papst Gelasius. Bei denen, die am Ertrinken sind, bedarf es großer Vorsicht, um ihnen ohne eigene Gefahr Hilfe leisten zu können. Manche, die nicht schwimmen konnten, sind dem Ertrinkenden zu Hilfe geeilt und kamen dadurch selbst ums Leben.
Der wahre Seeleneifer muß sich ferner ganz besonders von der christlichen Klugheit leiten lassen. „Nimm die Klugheit hinweg und der Eifer artet in Fehler aus", warnt der hl. Bernhard. Eben die christliche Klugheit - fern von mißverstandener Zudringlichkeit - und die Gnade des Hl. Geistes macht uns auf den richtigen und günstigen Zeitpunkt aufmerksam. Die liebevoll zeigende Hand Gottes zeigt unserem Herzen und Verstand die geeigneten Mittel, das rechte Maß, die vernünftige Grenze. Der wahre Seeleneifer ist wohl geordnet, ruhig und überstürzt sich nicht. Er gleicht dem scharfsinnigen Jäger, der dem Wild nachspürt und oft Tage die Spur verfolgt, ohne zu ermüden.
Der hl. Franz von Sales sagt ganz mit Recht: „Der Eifer ist eine gefährliche Tugend, weil so wenige darin Maß zu halten wissen. Sie gleichen schlechten Dachdeckern, die mehr Ziegel zertreten als auflegen."
Der wahre Seeleneifer läßt auch nicht nach, wenn er nicht sofort Erfolge sieht. Er hat dafür ein zu lebendig reines Interesse für die unsterbliche Seele. Dieses Interesse verleiht ihm Mut. Er erlahmt darum nicht und läßt sich nicht durch Menschenfurcht abschrecken, wenn es Zeit ist, zum Heil der Seelen zu reden oder zu handeln.

Zu den Mitteln des Seeleneifers gehören:
das gute, gelebte Beispiel,
das Gebet,
das Almosen und
die geistlichen Werke der Barmherzigkeit.

Ein wichtiges Werk des Seeleneifers ist die private Belehrung. Und in dieser Hinsicht kann jeder, der einen lebendigen Glauben hat, von wahrer
Gottes- und Nächstenliebe erfüllt ist, in seinem Kreis und in seiner Umgebung viel Gutes stiften - unabhängig von Stand, Position oder Alter.
Du hast Eltern, Kinder, Geschwister, Verwandte, Freunde und Bekannte. Du kommst da und dort mit jemandem zusammen, dem du ein gutes und aufrichtiges Beispiel vorleben und geben kannst.
Ein gutes Wort zur rechten Zeit, ein wohlgemeinter Rat im richtigen Augenblick und eine herzliche Aufmunterung hat nicht selten eine Wunderkraft.
Willst du erfolgreich sein, so denke an:
Das Lösen von verderblichen Freund- oder Bekanntschaften.
Das Besänftigen eines gewalttätigen Charakters durch ein mildes Wesen.
Das Widerlegen gefährlicher Ansichten.
Das Zerstören schädlicher Vorurteile.
Das Mißbilligen schlechter Rede.
Hier ein gutes Wort, dort ein heilsames Buch, das kannst du immer geben.
Das kraftvollste Mittel ist aber darüber hinaus zusätzlich das Gebet. Die Bitte um Erleuchtung und Gnade der Erkenntnis der betroffenen Seele(n).
Ohne das Gebet und die Gnade bleibt alles fruchtlos.
Es muß von Gott die Gnade kommen, denn Er teilt sich mit, wem Er will.
Die heutige Menschheit ist taub dem Wort Gottes gegenüber. Sie hat Ohren und hört nicht. Ein echtes, klares, standhaftes Vorbild kann guten Samen ausstreuen. Überhaupt ließen sich viele retten, wenn wir frei wären von unsrer engherzigen Selbstsucht. Gar mancher könnte auf dem Weg zum Himmel mitgezogen werden, wenn wir ihm nur die Hand reichen würden. Wecken wir in uns und in den anderen Seelen die Sehnsucht nach Gott, nach der Liebe Jesu und seiner Mutter und nach dem Allerheiligsten Altarsakrament! „Die Mitwirkung zum Heil der Seelen ist unter allem Göttlichen das Göttlichste."
(hl. Dionysius)
(Quelle: "Dienst am Glauben" Heft 4/2007, S: 124ff., Innsbruck 2007. Bestellen Sie diese urkatholische Zeitschrift! Email:tauhof(at)aon.at)


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