CHRISTOPH CHARAMSA
Der Rosenkranz - Eine Schule der Anbetung
Kommentar und theologische Anmerkungen zum apostolischen Schreiben von Johannes Paul II. Rosarium Virginis Mariae
Am
25. Jahrestag des Pontifikats Johannes Pauls II. hat die Kirche eine große
Gabe erhalten: es ist das Geschenk des Papstes zum Jahrestag, zum Jubiläum
der weltumfassenden Mission des Nachfolgers Petri. Diese Gabe, die wir
in den Händen halten, ist das apostolische Schreiben Rosarium Virginis
Mariae. Er konnte uns nichts Schöneres geben, da es das ist, was
der Papst in seiner Spiritualität[1]
bevorzugt, was er liebt[2].
Es ist das Herzstück seines Gebetes. Der heilige Vater bietet als
erster das Zeugnis seines gelebten Glaubens an, in dem er sich der heiligsten
Mutter übergibt, der Dankbarkeit für den Schutz Mariens.
Die
Gabe wird aber auch zur Aufgabe: es ist die pastorale Botschaft eines nun
beendeten Jahres, das vollständig dem Rosenkranz gewidmet war (11.2002
– 11.2003). Für die Kirche war es das 25. Jahr des Dienstes Johannes
Pauls II. als Nachfolger Petri. Für die Kinder und Jugendlichen, für
die Studenten war es ein neues Schul- und Studienjahr. Für die Welt
war es eine Zeit der Unsicherheit und der heftigen Prüfung einer Menschheit,
die das Drama des mangelnden Friedens erleidet, der Attentate und des Krieges.
Die Menschheit, die vom Angriff des 11. Septembers 2001 und von den immer
neuen Einfällen des Bösen erschüttert wird, erwartet Trost
und Erleichterung. DieGläubigen
bedürfen des Halts und der Bestätigung Gottes, der sein Volk
nicht verlässt. Und der Papst zeigt das einfache und wirksame Mittel
der Hoffnung auf, ein ermutigendes Mittel des Trostes. Gerade in einem
schweren Augenblick der Geschichte hat ein Sohn Mariens die Herausforderung
des Gebetes vor sich. Denn für den Gläubigen gibt es keine Verzweiflung,
keinen Pessimismus ohne Vertrauen, denn er weiß – auch in einer dunklen
und gewalttätigen Welt –, daß er einen sicheren Hafen hat, wo
er Gott die Unsicherheiten des Menschen anbieten kann, des Menschen, der
Sein Heil nötig hat. Es ist der sichere Hafen des Gebetes… Die
großen Anliegen des Marianischen Gebetes, die der Papst für
eine neue Verbreitung des Rosenkranzgebetes vorstellt, sind zwei. Der Rosenkranz
soll Teil eines Einsatzes für den Frieden und für die Familien
sein[3]
. Zwei Aspekte, die in einer gewissen Form die Schwierigkeiten der heutigen
Welt zusammenfassen. „Somit kann
man den Rosenkranz nicht beten, ohne den Auftrag zur Teilnahme am Einsatz
für denFrieden anzunehmen,
mit einem besonderem Augenmerk auf das so schwer geprüfte Land Jesu,
das uns Christen so teuer ist. Dieselbe Dringlichkeit an Einsatz und Gebet
tritt an einem anderen kritischen Punkt unserer Zeit hervor, nämlich
dem der Familie, der Keimzelle der Gesellschaft, die immer mehr durch zersetzende
Kräfte auf ideologischem oder praktischem Niveau bedroht ist“[4]
Im
Gegenteil, der Friede selbst beginnt in der Familie, beginnt im mütterlichen
Schoß und in der Annahme dessen, was der heimatliche Herd, die häusliche
Kirche ist. Der Papst lädt daher ein, um den Frieden zu bitten und
gerade dort darum zu bitten, wo sein Ursprung ist, die Wurzel des Friedens
selbst, der aus dem Herzen des Menschen und aus seiner Familie kommt. Es
gibt also ein wirksames Mittel, welches gerade in Momenten großer
Krisen besonders gefördert werden muss. Es ist das Mittel des ehrlichen
und eifrigen Gebetes. Es handelt sich um ein besonderes Gebet, das sehr
kontemplativ ist, oder durch die Meditation zur Kontemplation führt.
Es handelt sich um das Gebet, das sein Vorbild in der betenden Lehrerin,
in Maria hat, die völlig versunken ist in der seligen Anbetung des
Sohnes. Dennoch
ist der Rosenkranz zugleich keine ganz einfache Übung. Er ist anspruchsvoll
und er erfordert doch ein wenig Aufmerksamkeit, man muß Nachdenken
und wie wir sagten, es bedarf einer Zeitspanne; man kann es in einem Wort
ausdrücken: man muß ihn beten lernen[5].
Man braucht dafür eine gewisse Übung, wie für alle Dinge.
Um ein Beispiel zu machen: wer noch nie alleine eine Seite der Bibel gelesen
hat, wird, wenn er die Heilige Schrift zum ersten Mal in den Händen
hält, etwas verunsichert sein, orientierungslos, weil man die Meditation
lernen muß. Man übt sie, und läßt sie zu einer Gewohnheit
des Geistes werden. Es braucht dazu ein Training, eine Übung, wie
in einem Sport, weil wir uns beim Gebet in der Sphäre sozusagen der
Gymnastik des Geistes befinden. Paul VI. sprach von den Laien, die sich
um die Heiligung in der Welt bemühen, wie von den Bergsteigern des
Geistes, das heißt wie die, die mit einer täglichen Anstrengung,
mit evangelischer Übung, zu Gott aufsteigen[6].
Der Einsatz für das Gebet ist auch ein Bergsteigen, das man lernt,
indem man es übt und sich nicht entmutigen läßt von der
Schwierigkeit eines Ganges in der Höhe. Hier
ist einer der Gründe für das Jahr des Rosenkranzes, das der Heilige
Vater ausgerufen hat. Im Jahr, das wir als Jubeljahr für sein Pontifikat
anerkennen, wollte Er die Kraft des Gebetes stärken, die in unseren
Händen liegt. Er gibt uns die Möglichkeit zu einer reiferen Aufgabe
in unserem Leben des Rosenkranzes. Die alte Praxis des Rosenkranzes erscheint
wie der Brunnen des Friedens, aus dem man mit immer neuer Freude schöpfen
kann. Es ist der Brunnen der Anbetung, der jede geistliche Wüste erfreuen
kann. Die Herausforderung des neuen marianischen Jahres wurde mit Freude
von der Kirche angenommen und wird zum Ruf für den, der dem Rosekranzgebet
treu ist, und für den, der erst jetzt den Mut haben wird, ihn in den
Händen zu halten, und sich mit der Schule des Gebetes zu messen. In
seinem neuen apostolischen Schreiben lässt der Heilige Vater die Schönheit
der Anbetung Christi in marianischer Perspektive wieder aufblühen.
Sie wird vorgestellt als jene Richtung, auf die hin der Gläubige sich
im dritten Jahrtausend der Kirche ausrichten soll[7].
Anbeten heißt schauen und sich wandeln in die Form, die man sieht,
und als solche ist sie das Ziel jedes menschlichen und christlichen Lebens[8].
Wir sind eingeladen unsere Augen nicht allein, sondern zusammen mit Maria
auf das Antlitz Christi zu werfen. Christus
ist wie die Sonne, die das Auge desjenigen blenden sollte, der glaubt.
Aber für den Menschen ist es nicht leicht die Sonne anzuschauen. Von
ihr geblendet schließen wir die Augen unwillkürlich, daher muß
man notwendigerweise die Augen an den Anblick der Herrlichkeit ihrer Strahlen
gewöhnen, um die Schönheit, die leuchtet und „entführt“,
genießen zu können. So entführte das Antlitz Christi, daß
die Jünger auf dem Tabor kennen gelernt hatten, Petrus, Jakobus und
Johannes (Mt 17,2), oder das Antlitz des Auferstandenen Paulus bei seiner
Berufung (Apg 9,3-9), oder die Gottesschau, die der hl. Thomas von Aquin
am 6. Dezember 1273 gehabt hat, die seinen Gang in den Himmel voraus ging,
und ihn in die Stille und Anbetung versetzte, die seinen Zustand in der
Ewigkeit antizipierte[9]. Doch
das erhabenste Modell des Schauens des Antlitzes Christi – sowohl im Leid,
wenn es von Schmerz und Tod verdunkelt ist, als auch in der Herrlichkeit
– ist die Jungfrau Maria. In ihr finden wir den wahren Regenbogen der anbetenden
und sich mit dem Sohn durch ihr Mitwirken an seiner Heilsmission identifizierenden
Blicke mit dem Sohn. Mit dem strahlenden und durchdringenden, dem leidenden
und sich verzehrenden Blick, mit dem Blick der Mutter und Jüngerin,
umfasst sie das Leben des Sohnes und Herrn. Alle
ihre Blicke sind der Spiegel der Christusgeheimnisse. Sie ordnen sich zu
einem harmonischen und ununterbrochenen Lob, in ein Fiat (mihi secundum
verbum tuum) und in ein Magnificat (anima mea Dominum). Sie,
die das menschliche Antlitz bietet zum Antlitz Gottes, erlaubt Gott vor
allem in ihr die ganze Schönheit der göttlichen Physiognomie
neu zu gestalten. Der
kontemplative Blick ist die dauernde Nahrung des Lebens Mariens. Man könnte
sagen, er gibt ihrem Leben die wirkliche Farbe, die nur deswegen scheinen
kann, weil er ständig der Sonne des Heils ausgesetzt ist. Wenn das
tiefe Schauen nicht einfach heißt einen Blick zu werfen, sondern
zu einer geistlichen Nähe führt und zur Kontemplation, verwandelt
und erbaut er das Gedächtnis (zakar). Eine besondere Schönheit
die, wenn sie uns einmal entführt hat, nicht mehr vergessen werden
kann. Es ist etwas Herausragendes, das wir gesehen und bewundert haben,
das man nicht vom Gedächtnis löscht. Aus diesen Erinnerungen
des Sohnes ist das Leben Mariens gemacht, so daß sie für ihre
Brüder zum Zentrum der Evangelisierung wird[10].
Der Rosenkranz steht ganz in dieser kontemplativen Perspektive. Maria nachahmend,
führt er den Blick zur Kontemplation Christi. Mit ihrer Hilfe hält
er nicht bei einer nur menschlichen Erinnerung an, sondern in der Erinnerung
aktualisiert er die Werke Christi. Sie erinnert ihn im Herzen und mit immer
stärkerer Einbindung in die Kontemplation. Um
zur Kontemplation Gottes zu gelangen, ist es nötig, sich nach ihr
auszurichten[11],
indem man verschiedene Übungen verrichtet, die uns für die höchste
Wahrheit und göttliche Liebe öffnen. Der Rosenkranz ist eine
dieser frommen Übungen, die dem Betenden die gute Gelegenheit geben,
anzubeten. Insbesondere wenn er tägliche Übung wird: „Er
dient dazu, den Tageslauf vieler kontemplativer Menschen im Gebet zu erfüllen;
ebenso ist er ein Begleiter der kranken und alten Menschen, die ausreichend
über Zeit verfügen“[12].
Der Rosenkranz ist nämlich die Praxis des „freundschaftlichen
Besuchs“[13]und
als solcher erlaubt er immer mehr das kontemplative Gewahrwerden der göttlichen
Mysterien, dessen erste Frucht die Freude über die göttliche
Freundschaft ist. Wenn man einem Freund begegnet, ist man froh, man ist
in der Freude. Als
großer Pädagoge des Gebetes zeigt der Papst vier Etappen auf,
denen man mit dem Rosenkranz in den Händen folgen soll. Zunächst
sind wir gerufen Christus durch Maria kennen zu lernen, danach ihm ähnlich
zu werden, sodann ihn zu bitten und schließlich ihn mit Maria zu
verkündigen[14].
Die erste Jüngerin Jesu, sie wird zur erfahrensten Lehrerin, indem
sie sich vom Geist Christi formen läßt, der hier der innere
Lehrmeister ist.Sich von der Lehre
Mariens leiten lassen bedeutet nichts anderes als sich dem inneren Lehrer
anzugleichen, ihm zu entsprechen in einem Gang immer stärkerer Assimilierung.
Die Schule des Rosenkranzes ist eine wertvolle Etappe der Angleichung an
den Herrn, indem man sich ihm unterordnet und immer mehr die eigenen Handlungen
auf ihn gründet. Christus möchte im Herz des Gläubigen geformt
werden, so wie er sich in der Peron Mariens geformt hat. Andererseits möchte
er, daß der Gläubige in seinem Mysterium immer mehr heimisch
wird. Das hohe Ziel dieses Prozesses ist einer Art Konsekration bis zur
Mystischen Ehe. Die
vertrauende und eifernde Freundschaft drückt sich auch in vertrauender
Bitte und Fürbitte aus, die nur in der Verkündigung des Evangeliums
münden kann. Maria ist das Modell, aber sie ist vor allem die Hilfe
des Beters. Die mächtige Fürbitte Mariens, die mit der Kirche
betet, ist ein wirksamer Halt. Beim Gebet des Rosenkranzes bin ich nicht
allein, sondern Maria ist da, die mit mir betet und deren Fürbitte
ich mich anvertrauen kann. Wenn
der Rosenkranz wirklich ein „biblisches Gebet [ist], in dessen Mitte das
Geheimnis der erlösenden Menschwerdung steht, ist der Rosenkranz ganz
klar auf Christus hin ausgerichtet“[15],
dann gibt es einen starken Grund dafür, auch die Mysterien des öffentlichen
Lebens Christi von der Taufe zur Passion[16]
zu umfassen. Fünf
neue lichtreiche Mysterien sind für die Anbetung des öffentlichen
Lebens Jesu hinzugekommen: 1. Die Taufe im Jordan, 2. die Hochzeit zu Kanaa,
3. die Ankündigung des Reiches und die Einladung zur Umkehr, 4. die
Verklärung, 5. die Einsetzung der Eucharistie. In
glücklicher Form werden sie Lichtmysterien genannt. Jedes Licht (phos,
phéngos) bringt es mit sich, eine Situation zu erhellen,
die im Dunklen ist. Eine angezündete Fackel, ein Licht, das Licht
ausstrahlend, Klarheit bringt. Viel mehr erhellt die Sonne die Natur der
Erde. Das Licht läßt also den Kontrast mit der Dunkelheit erkennen
und zur gleichen Zeit besiegt es den Schatten. Es ist für das Leben
notwendig. Licht und Leben sind eng miteinander verbunden, wie – auf der
anderen Seite – die Schatten und der Tod. Nun sind Leben und öffentliche
Mission Jesu die Quellen für das Licht der Welt. Sie zeigen sein Sein
als Gott-Mensch. Er trägt in sich den wirklichen Glanz des Lichtes,
weil die wirkliche Erleuchtung vom Himmel kommt und das Licht der Sonne
übersteigt (wie es in der Berufung des Paulus geschehen war, Apg 26,
13). Das Licht Christi ist göttliches Licht, ein alles überstrahlendes
Licht (Mt 17,2). Er selbst erscheint in der Apokalypse des Johannes wie
ein wunderbarer Morgenstern (22,16). Nach dem heiligen Lukas, wird Christus
am Ende der Zeiten wie ein Blitz aufleuchten (17, 24), und in dieser Zeit
werden auch die Gerechten leuchten wie die Sonne (Mt 13, 43, vgl. Dn 12,3).
Der Papst benützt die große Theologie des Rosenkranzes, ein
Gebet das in seiner Zärtlichkeit leuchtet. Versuchen
wir einige Lesearten, die im neuen Teil des Rosenkranzes Vorrang zu haben
scheinen, auch wenn sie nicht völlig in der traditionellen Form des
Rosenkranzes fehlen. Sie möchten die Schlüssel sein, die eine
Meditation von Christus, dem Sohn Mariens in einem neuen leuchtenden Kranz
ermöglichen. Christus
nimmt uns an seine Hand auf dem Weg seiner Offenbarung in der Welt. Er
ist das authentische Vorbild der Kontemplation, indem er die Augen auf
den Vater richtet (Lk 4,20). Maria bleibt, wie der Papst bemerkt, bei diesen
Mysterien im Hintergrund, aber ihre Gegenwart ist nicht passiv. Sie weiß
in der Harmonie ihres Christus zugewandten Herzens, wann sie handeln soll,
so daß die Worte, „Tut was er sagt“ (Joh 2,5b), die sie an die Jünger
zu Beginn der öffentlichen Mission Jesu richtet, in gewisser Weise
in jeder Seite des Evangeliums widerhallen und das tägliche Gedächtnis
der Kirche sind, bis er wiederkommt. Sie weiß auch, daß ihre
erste Aufgabe als Gläubige die Anbetung der Offenbarung des Sohnes
ist. Sie hört nicht auf, all dies in ihrem Herzen zu tragen, und es
in ihrem Herzen zu meditieren (Lk 2,19, vgl. 2,51). Es handelt sich um
eine zurückhaltende und leise Gegenwart, aber zugleich auch um eine
stark Gegenwart, weil sie kontemplativ ist. Die
Mysterien des Lichtes enthüllen und zeigen sich im Glanz seiner Person.
Zur gleichen Zeit weisen sie auf eine Herrlichkeit hin, die sich verbirgt,
die nicht vor Kreuz und Leid flieht, sondern sie annimmt, wie es in jedem
menschlichen Leben geschehen muss und in jeder christlichen Mission. Für
die Evangelisten, vor allem für Lukas und auch für Matthäus,
ist das öffentliche Leben nichts anderes als ein nach Jerusalem gehen
(vgl. Lk 9,51b.53; 13,22; 17,11, 19,28, etc.), immer zur heiligen Stadt
hingewendet sein (vgl. Lk 13,13), das heißt dem Kreuz und dem Osterfest
der Auferstehung entgegengehen. Es ist der Gang, in dem die Spannung der
Gegner Jesu wächst, aber zur gleichen Zeit sich immer mehr in den
Augen der Jünger das geopferte Lamm für das Heil, Christus, unser
Osterlamm, offenbart (vgl. 1 Kor 11,26; 1 P 1,19). Es
ist ein schöner Gedanke, daß die erste Kirche Maria nachahmte,
die in ihrem Schoß den Retter der Welt trug, ihren Schöpfer.
Ihre enge Gemeinschaft mit dem Messias ist die tiefste Natur der Kirche
Gottes[24]seit
Beginn der Welt[25].
Sie wirkt in den Jahrhunderten und dient in der Zeit als Spiegel des Lebens
Christi. Indem sie eine enge Verbindung mit dem Retter bildet, „christianisiert“
die Kirche die Geschichte und das Universum. Die
Lichtmysterien verstärken die Möglichkeit mit Maria die Bildung
und Auferbauung der Gemeinschaft der Kirche durch Jesus zu leben[26],
von seiner Taufe bis zur ersten Eucharistie, von der Predigt zur Bekehrung
für das Reich Gottes bis zur Verklärung auf dem Tabor – mit einer
frohen Pause in Kanaa, wo die Hauskirche in der Gegenwart Christus vorausgenommen
wird. Wenn
man diesen Weg entwickelt, können wir die nun folgende Meditation
der Kirche als Sakrament anschließen, die Christus in den sakramentalen
Zeichen mitteilt. Sie ist das sichtbare Zeichen der verborgenen Gegenwart
des Heils. Alle
drei Sakramente sind immer an die Verkündigung des Reiches Gottes
gebunden. Die Firmung ist die Salbung für die Reife und Verantwortung
inmitten des Wachstums des Gottesreiches in der Welt. Die Beichte hilft
direkt zur Bekehrung, die von Christus den Gliedern der Kirche angeboten
wird. Und die Krankensalbung: im Wirken Jesu ist sie eines der ersten Dinge,
die er tat. Er heilte die Kranken und gab so die Gabe der Gesundheit und
das erste greifbare Zeichen eines andauernden Heils, des ewigen Heils,
d.h. des Gottesreiches. Denn die Sicherheit der frohen Botschaft zeigt
sich in den Zeichen der Zeit: wenn ihr die Kranken Gesund werden seht,
und die Lahmen laufen, sagt, daß das Gottesreich nahe ist (vgl. Mt
11,5), und wenn ich die Dämonen durch den Geist Gottes austreibe,
dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen (Mt 12, 28). In
dieser sakramentalen Optik ist die Verklärung (4. Mysterium) eine
Repräsentation des gesamten Weges der christlichen Vollkommenheit.
In einem Augenblick hat Jesus Christus sein Antlitz geändert. Er war
voller Licht. Die menschliche Natur hat die göttliche geoffenbart.
Der Leib ist vom Geist überwältigt worden. Das, was im Christen
die Gnade ist, hat sich in Ihm als Herrlichkeit geoffenbart. Das, was man
im sakramentalen Zeichen sieht, im Schatten des Glaubens, hat man in einem
Augenblick gesehen, so wie es in seiner verborgenen Wirklichkeit ist. Alle
Etappen der Betrachtung helfen, weil sie die Kontemplation des Antlitz
Gottes und die Mysterien seines Lebens, in die er sich mit Maria – Seine
und unsere Mutter – einfügt, immer im Blick behalten. Der
theologische Gehalt der Mysterien des Lebens Christi Dank
der tiefen Intuition des Papstes werden im Gebet des Rosenkranzes die Mysterien
des Lebens Christi hochgeschätzt. Wenn der heilige Paulus vom Mysterium
spricht (mysterion), fasst er den göttlichen Heilsplan zusammen
und sein sich Vollenden im Leben Jesu. Man muß sagen, dass wenn man
die Mysterien des Lebens des Herrn vernachlässigt, die Theologie ein
wenig trocken wird, sehr abstrakt und wenig direkt im Hinblick auf das
Leben. Der Mensch braucht zuerst die erinnernde Zuwendung zu den Mysterien,
und dann die abstrakten Wirklichkeiten. Beide Aspekte sprechen die Natur
des Menschen an, die Gott sehr respektiert. Gott, der Mensch wird und nicht
eine abstrakte Theorie oder eine Arbeitshypothese. Sein Wort wird Fleisch,
und das ist nicht eine abstrakte These. Das
gesamte Leben und der Auftrag Jesu ist ein großes Mysterium der barmherzigen
Liebe, die Gott offenbart und verwirklicht vor den Augen seines Volkes.
Nichtsdestotrotz, jedes Geschehen im Leben Jesu, jede seiner Handlungen
ist ein Mysterium, das am totalen Mysterium Gottes partizipiert und dieses
realisiert. In der Theologie der ersten Jahrhunderte kam eine solche Idee
schon zum tragen und ist noch stärker gereift und klar geworden im
Schatz der Kirchenlehrer Ambrosius und Augustinus und schließlich
im großen Sänger des Lebens Christi, dem heiligen Thomas von
Aquino. Der dritte Teil der Summa theologiae (der Christus als Weg der
Rückkehr des Menschen zu Gott, als Brücke des reditus des
Menschen sieht) ist nichts anderes als das spekulative Meditieren der Mysterien
des Lebens des Heilands[29]. Der
heilige Vater unterstreicht die Bedeutung einer solchen narrativen Theologie,
die von den Mysterien Christi zum „Geheimnis des fleischgewordenen Wortes,
in dem »wirklich die ganze Fülle Gottes wohnt«“(Kol 2,9)[30],
voranschreitet. In diesem Zusammenhang kommentiert er die Worte des Katechismus
der Katholischen Kirche: alles im Leben Jesu ist Zeichen seines Mysteriums[31].
Der Rosenkranz überträgt die Theologie des Mysteriums und gibt
einen noch stärkeren Anstoß. Der Papst zeigt dazu noch etwas
ganz besonders auf: Wir können sagen daß der Weg der Mysterien
des Lebens Jesu der Weg Mariens ist, d.h. die Art, in der sie in erster
Person ihren Sohn kannte und erkannte. Der Papst endet und sagt: „Die Geheimnisse
Christi sind in gewisser Weise auch die Geheimnisse der Mutter; dies gilt
sogar für die Situationen, in die sie nicht direkt einbezogen ist,
und zwar aufgrund der Tatsache, daß sie von ihm her und für
ihn lebt“[32].
Maria ist das Vorbild eines authentischen Verhältnisses zu Christus
und zum Mysterium seines für die Welt hingeopferten Lebens. Anschrift
des Autors: Dr. Cristoforo Charamsa; Congregazione per la Dottrina della
Fede, Palazzo Sant'Uffizio; Piazza del Sant'Uffizio, 11; I - 00120 Città
del Vaticano.
[1]
Der Papst vertraute der Kirche zu Beginn des Pontifikats an: Der Rosenkranz
ist mein Lieblingsgebet. Er ist ein wunderbares Gebet, wunderbar in seiner
Schlichtheit und seiner Tiefe. (Angelus, 29 Oktober 1978 vgl.
Rosarium
Virginis Mariae [= RVM], 2). [2]
Das Gebet, das dem Herzen der Katholiken so nahe ist, das ich so liebe
und das die Päpste, meine Vorgänger, so empfohlen haben. (Giovanni
Paolo II, Insegnamenti VI/2 [1983] 853). [3]RVM,
6, vgl. 40-42. [4]RVM,
6. [5]
Zunächst muß man die Verformungen des Marienkults entfernen,
wie sie der Heilige Ludwig Grignion de Montfort (1673-1716) in seinem Traité
de la vraie dévotion à la très sainte Vierge,
Teil II, Kap. 57-64 beschreibt und kritisiert. Er zeigt außerdem
daß die wirkliche Verehrung innerlich, zart, heilig, ausdauernd
und ohne Hintergedanken sein muß. [6]
Vgl. Paul VI, Discorso
ai partecipanti al Convegno internazionale degli Istituti secolari,
26.09.1970. [7]Novo
Millennio Ineunte (= NMI, 6.01.2002),
16-28. [8]Thomas
von Aquin, Summa Theologiae, II-II, 180, 4, resp. [9]
Vgl.: D. Berger, Thomas
von Aquin begegnen, Sankt-Ulrich-Verlag, Augsburg 2002, 79-81. [10]RVM,
11. [11]
Vgl. HeiligerThomas
von Aquin, Summa Theologiae, II-II, 180, 1, resp. [12]
RVM, 38. Unter den vielen Heiligen die das tägliche Rosenkranzgebet
empfahlen, möchten wir besonders den heiligen Johannes
Bosco nennen, der seine Jugendlichen mit Nachdruck auforderte, dieser
Praxis jeden Tag der Woche in ihren Häusern nachzugehen (E.
dal Covolo, «Don Bosco e il Rosario», in Id.,
L’annuncio del Signore, Torino 2000, 64) [13]RVM,
15. [14]RVM,
14-17. [15]Paul
VI, Marialis cultus (2.02.1974), 46 (Insegnamenti
XII [1974] 136); cf. RVM, 18. [16]
Vgl. RVM, 19-23; Lumen Gentium (= LG), 58. [17]
Origenes kommt darauf an verschiedenen Stellen seiner Werke und Predigten
zurück. [18]
Man vgl. dazu den ersten Band (Schau der Gestalt) von Herrlichkeit:
zu den Fundamenten seiner Theologie, die vom Schönen ausgeht,
um den reichhaltigen Ausdruck vom Wahren und Guten zu vervollständigen. [19]
Man vgl. z.B. Kapitel 9 des Lukasevangeliums, in dem die zwei Leidensankündigungen
(v.22 und v. 43b-44) wie einen Rahmen – geheimnisvoll für die Jünger
(v.45) – der Verklärung bilden. [20]
Vgl. Katechismus der katholischen Kirche (=KKK), 1223-1225. [21]
Vgl. KKK, 1382-1383 [22]
Der Heilige Gregor der Große rief oft aus: Dieses Weihnachtsfest
ist ein Ostern! Man kann hier eine schöne Parallele bei Lukas
entdecken: Maria legte ihn in eine Krippe (Lk 2,7b), und nachdem
er alles vollbracht hatte, legte ihn ein anderer in ein Grab (Lk
23,53b). [23]
LG 5 zitiert Mk 1,15: weil die Zeit erfülltund
das Reich Gottes Nahe ist (vgl. Mt 4,17). [24]
KKK,775. [25]
LG, 2; vgl. KKK,759. [26]
KKK,763-766. [27]
KKK, 1115: Die
Mysterien des Lebens Christi bilden das Fundament dessen, was nun Christus
in den Sakramenten durch die Ämter in der Kirche austeilt, weil «das,
was in unserem Retter sichtbar war,auf
seine Mysterien übergegangen ist» (Leo
der Grosse). [28]
KKK, 1613.
Der
Rosenkranz – die Christusgeheimnisse mit marianischen Herzen meditieren
Christus,
die Sonne, die wir mit Maria anbeten, Mutter und unsere Schwester
Die
Lichtmysterien
Der
Schlüssel der Epiphanie
Der
Schlüssel des sich in der Herrlichkeit Offenbarenden
Der
österliche Schlüssel
Ekklesiologische
Leseart
Sakramentale
Leseart
[29]
Vgl. Menschwerdung: Summa Theologiae III, qq. 1-26; und dann Empfängnis
und Geburt, qq. 31-35; Epiphanie, q. 36; Beschneidung, q. 37; Taufe, q.
38; Versuchung, q. 41; Wunder, qq. 43-44; Verklärung, q. 45; Leiden,
qq. 46-49; Tod, q. 50, Begräbnis, q. 51; Höllenfahrt, q. 52,
Auferstehung, q. 53-56; Himmelfahrt, q. 57, Sitzen zur Rechten des Vaters
und Gericht sprechen, qq. 58-59. Man vgl. dazu L.
Scheffczyk, «Die Bedeutung der Mysterien des Lebens Jesu für
Glauben und Leben des Christen», in: Die Mysterien des Lebens
Jesu und die christliche Existenz, Aschaffenburg 1984, 17-34;I.
Biffi, I misteri di Cristo in Tommaso d’Aquino, Jaca Book,
Milano 1994.
[30]
RVM, 24.
[31]
KKK, 515. Man sehe
das ganze wichtige Kapitel: Die Mysterien des Lebens Christi: KKK,
512-570 und dann 595-682.
[32]RVM,
24.