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Die heilige Maria Baouardy von Jesus dem Gekreuzigten (die Kleine Araberin) hatte mystische Erlebnisse und trug die Stigmata an ihrem Körper - die gleichen Wunden, die auch Christus zugefügt wurden. Auf wundersame Weise überlebte sie ihren eigenen Märtyrertod für den Glauben. Als junges Mädchen legte sie die Gelübde der Keuschheit ab und trat im Alter von 21 Jahren in den Karmel in Pau ein. Ihr ganzes Leben war voller unfassbarer Gnaden Gottes, aber das Fundament ihrer Heiligkeit war die Demut.
Pater Mieczystaw Piotrowski SChr
Im August 1870 fuhr Schwester Maria von Jesus dem Gekreuzigten zusammen mit fünf anderen Schwestern zu einer Missionsstation nach Mangalore in Indien. Während dieser Schiffsreise starben drei der Schwestern.
In Mangalore
Nach der Ankunft im Kloster in Indien durchlebte Maria eine Phase
intensiver Versuchungen. Der Satan erschien ihr in Gestalt verschiedener
Heiliger und versuchte, sie dazu zu überreden, das Kloster zu verlassen
und zu heiraten. Schwester Maria entlarvte jedes Mal seine Gegenwart und
vertrieb ihn mit dem Kreuzzeichen. Den Schwestern sagte sie: „Der Herr
lässt die Versuchung nur deshalb zu, damit wir wachsen können.
Lasst euch niemals entmutigen, ihr seid schließlich keine Engel.
Ich kann nichts aus mir selbst heraus, nichts außer der Sünde,
aber Gott kann große Dinge in mir tun." Die Entmutigten ermunterte
sie zum Vertrauen in die unendliche Barmherzigkeit Gottes: „Den
Zerknirschten, Demütigen und Gerechten vergibt Gott immer alle Sünden."
Ihre erste Ordensprofess legte Schwester Maria am 21. November 1871
in der Klosterkapelle in Mangalore ab. Nach der Ablegung der Ordensgelübde
wies sie in Ekstase auf das Allerheiligste Sakrament und rief entzückt
aus: „Da ist die Liebe!" Als man sie später fragte, was man tun müsse,
um so wie sie Jesus lieben zu können, bückte sie sich, hob ein
wenig Staub von der Erde auf und sagte: „Man muss so klein werden wie dieser
Staub!"
Am nächsten Tag bat die Oberin Schwester Maria, sie möge
ihr ihr gesamtes inneres Leben offenlegen. Schwester Maria antwortete,
dies sei ein Geheimnis, welches allein dem Beichtvater vorbehalten sei.
Die Oberin befand, diese Ablehnung deute auf das Wirken des bösen
Geistes hin. Darin wurde sie zusätzlich vom Ortsbischof Efrem bestärkt.
So begannen die Versuche, Schwester Maria davon zu überzeugen, dass
sie sich einer Illusion hingeben würde, und dass ihre Ekstasen und
Stigmata das Werk des Teufels seien. Im Februar 1872 informierte Bischof
Efrem die Schwestern im Karmel, dass die Stigmata und Ekstasen von Schwester
Maria als Werk des Dämons oder Ausgeburt ihrer kranken Phantasie zu
betrachten seien. Man übte Druck auf sie aus, alle bisherigen mystischen
Erfahrungen zu verleugnen. Sie sollte dazu unter anderem dadurch bewegt
werden, dass man ihr den Zutritt zum Chor, zum gemeinsamen Gebet der Schwestern
verwehrte, und indem man ihr die Essensportionen kürzte. Schwester
Maria nahm demütig alle Entscheidungen ihrer Vorgesetzten an, auch
die, dass sie Exorzismen unterzogen werden sollte. Da der Exorzismus nicht
das ewünschte Ergebnis brachte, drängte die Oberin Schwester
Maria weiterhin, ihren vermeintlich falschen Weg zu verlassen. Dies war
für sie eine Zeit besonders schmerzhaften Leidens.
Während einer seiner Erscheinungen erklärte ihr der Herr
Jesus den Sinn dieses Leidens: „Meine Tochter, du bist wie ein Weinstock.
Schau, wie der Besitzer des Weinbergs arbeitet, wie er sich um den Weinstock
kümmert: Er lockert die Erde um ihn herum auf. Die Erde bedeutet deinen
Körper: Ich bereite den Weinstock durch Leiden vor. Damit der Weinstock
viel Frucht bringen kann, schneidet der Besitzer des Weinbergs die schlechten
Ästchen ab und säubert die guten. Ebenso benutze ich Versuchungen,
Demütigungen, Verachtung, um meinen Weinstock zu reinigen,
und ich schneide die schlechten und unnützen Ästchen ab: den
Stolz und die Natur, die absterben muss. Der Weinbergbesitzer arbeitet
nicht umsonst, er wartet hoffnungsvoll auf die Frucht. (...) Gebt Acht,
es muss Frucht kommen. Der Herr entfernt Bäume, die keine Frucht geben,
wirft die schlechten Bäume ins Feuer und setzt andere ein. Ertrage
die Prüfung, die Versuchung, das Leiden, die Mühen und den Widerwillen,
die Vereinsamung. Dies alles reinigt den schlechten Boden und bereitet
ihn auf den Empfang meiner Gnade vor." Ein andermal sagte der Herr Jesus:
„Meinst du, dass nur du leidest? Ich leide mehr als du, denn ich trage
die Last all eurer Sünden." Eines Tages hörte Schwester Maria
während des Gebets eine Stimme: „Gott ist im Herzen des Menschen verborgen
wie der Samen in der Frucht, wie fünf Samenkörner im Apfel. Er
ist dort verborgen mit den Geheimnissen des Leidens, die von diesen fünf
Samenkörnern symbolisiert werden. Gott hat gelitten, und es ist notwendig,
dass auch der Mensch leidet, ob er das will oder nicht will. Wenn er aus
Liebe in Vereinigung mit Gott leidet, wird er weniger leiden und Verdienste
erwerben. In der Tiefe seines Herzens sind jene fünf Samen, die keimen
und reiche Frucht bringen werden, aber wenn der Mensch rebelliert, wird
er mehr zu leiden haben und dabei keinen Verdienst gewinnen." Schwester
Maria verstand, dass es das Schönste im Leben ist, jedes Leiden anzunehmen
und es Jesus darzubringen.
Schwester Maria nannte den Gehorsam gegenüber
Gott die Flügel der klösterlichen Seele. Sie erklärte
den Schwestern, dass „der Gehorsam für die Seele das ist, was die
Flügel für den Vogel sind. Wehe dem Menschen, der nicht alles
dem Gehorsam opfert: seine Wünsche, seinen Willen,
all das, was ihm angenehm ist. Wenn er dieses Opfer nicht bringt,
wird er Gott niemals schauen. Eine Seele, die Gott gehorsam ist, ist ihrem
Vorgesetzten gehorsam - und eine solche Seele ist eine Königin des
Friedens und der Freude. Eine Seele, die Gott nicht gehorsam ist, ist auch
ihrem Vorgesetzten nicht gehorsam und ist eine Königin des Chaos und
der Unruhe."
Auf Entscheidung ihrer höheren Vorgesetzten verließ Schwester
Maria am 23. September 1872 Mangalore und kehrte in ihr Mutterhaus in Pau
in Frankreich zurück.
Wieder in Pau
Nach ihrer Ankunft im Karmel in Pau bat Schwester Maria, Konversschwester
werden zu dürfen, die für die niedersten Arbeiten vorgesehen
war. In dieser Schwesterngemeinschaft wurde sie normal behandelt.
Die Vorgesetzten waren dort nicht gegen ihre mystischen Gaben voreingenommen.
Eines Tages hörte Schwester Maria während des Gebets eine
Stimme, die aus einem wunderbaren Licht kam:
„Wenn du Mich suchen und Mir nachfolgen willst, dann rufe das Licht an, das heißt, den Heiligen Geist, der Meine Jünger erleuchtet hat und der alle Völker erleuchtet, die Ihn anrufen. Wer auch immer den Heiligen Geist anrufen wird, der wird Mich finden. Sein Gewissen wird empfindlich wie eine Feldblume sein. Wenn er Vater oder Mutter ist, dann wird in seiner Familie Frieden herrschen. Priester, die einmal monatlich die Heilig-Geist-Messe feiern, werden Mich damit ehren. Und jeder, der daran teilnimmt, wird die Gaben des Heiligen Geistes empfangen, wird Licht und Frieden erhalten. Er wird die Kranken heilen und jene, die schlafen, aufwecken." |
Schwester Maria liebte Jesus so sehr, dass sie in Verzückung
und Ekstase fiel, wenn jemand auch nur seinen Namen in ihrer Nähe
aussprach. Am 22. Juni 1873 wurden die Schwestern Zeugen des unfassbaren
Phänomens der Levitation. Die Äbtissin und die Novizenmeisterin
bemerkten, dass Schwester Maria beim Abendessen fehlte. Sie gingen in den
Garten hinaus und sahen Schwester Maria über den mächtigen Linden
schweben, wobei sie ausrief: „Oh Liebe!" Die Levitation - eine Erfahrung,
bei der der Körper entgegen dem Gravitationsgesetz in der Luft schwebt
- wurde vielen Heiligen zuteil. Sie ist ein greifbares Zeichen der Nähe
eines Menschen zu Gott. Die erschrockene Äbtissin befahl Schwester
Maria, sofort wieder auf die Erde zu kommen. Als die Nonne heruntersank,
verfing sich eine ihrer Sandalen und blieb am höchsten Ast einer Linde
hängen. Während sie in Ekstase war, war sich Schwester Maria
nicht darüber bewusst, dass ihr Körper levitierte. Als sie wieder
zum Normalzustand zurückgekehrt war, bemerkte sie mit Verwunderung,
dass ihre Sandale auf der Spitze der Linde hing und fragte, wie das geschehen
konnte.
Schwester Maria pries während mancher Ekstasen mit wunderschönem
Gesang die unaussprechliche Güte, Liebe und Barmherzigkeit Gottes.
Während einer anderen Ekstase sagte sie: „Alle
schlafen! Und vergessen den so guten, so großen, so anbetungswürdigen
Gott. Niemand denkt an Ihn! Die Natur, der Himmel, die Sterne, die Bäume,
die Pflanzen rühmen Ihn, alles rühmt Ihn. Auch der Mensch, der
doch seine Wohltaten kennt, sollte Ihn lobpreisen, er aber schläft!
Schnell, schnell, wecken wir das Weltall auf! Kommt, lasst uns Gott rühmen,
lasst uns Ihm Danklieder singen! Die Welt schläft, lasst sie uns wecken!"
Ein anderes Mal sagte sie mit Tränen in den Augen: „Jesus
wird nicht gekannt, Jesus wird nicht geliebt. Er, der so voller Güte
und Milde ist. Er, der für den Menschen alles getan hat."
Doch das Fundament der Heiligkeit von Schwester Maria war die
Demut, nicht ihre außergewöhnlichen mystischen
Gaben. Sie sagte über die
Demut: „Heiligkeit, das ist nicht Gebet oder
Visionen, noch sind das Erscheinungen, auch nicht die Fähigkeit, sich
gut auszudrücken, auch keine Bußhemden oder andere Bußen,
sondern Demut und eine strenge Regel. Demut ist Frieden! Eine demütige
Seele ist immer glücklich. Ein demütiges Herz ist ein Gefäß,
ein Kelch, der Gott enthält! Wenn Seelen, die sich in vielen Tugenden
üben, sich nicht bemühen, die Demut zu erlangen, dann werden
sie Jesus niemals angenehm sein. Jene aber, die sich in Demut üben,
werden, auch wenn sie viel mehr Sünden begangen hätten, bei Gott
Gnade finden. Der Herr sagt: »Eine wahrhaft demütige Seele wird
mehr Wunder vollbringen als die alten Propheten.«" Im Licht der Liebe
Jesu konnte Schwester Maria ihre ganze Nichtigkeit sehen, daher waren ihr
jegliches Lob, jegliche Kritik oder Verleumdung gleichgültig. Sie
sagte: „Ich bin so, wie ich vor Gott bin. Ich bin nur Sünde, Elend,
Undankbarkeit. Mein Gott, erweise mir Dein Erbarmen!"
Nur ein demütiger Mensch hat ein reines Herz, das ganz Gott
hingegeben ist, und nimmt dann an der unzerstörbaren Freude der Auferstehung
teil. Schwester Maria wollte, dass alle sich darüber bewusst wären,
deswegen appellierte sie: „Mensch, freue dich und frohlocke, denn dein
Schatz ist der Höchste! Sei stolz, dass du einen so großen Gott
hast! Wenn du das, was geschaffen wurde, mehr liebst als Gott, der all
das erschaffen hat, dann wird sich deine Liebe in Dunkelheit verwandeln.
Liebe von ganzem Herzen Gott, der alle Dinge erschaffen hat, und deine
Liebe wird sich in Licht verwandeln!"
Schwester Maria riet: „Wenn ihr etwas für Jesus tut, dann tut
es ganz. Er mag kein halbherziges Wirken. Eine Seele, die Ihm nicht alles
gibt, ist wie lauwarmes Wasser, das Jesus aus seinem Munde ausspeit. (...)
Derjenige, der Jesus nicht seinen Willen aufgeopfert hat, hat gar nichts
getan."
Nach ihrer Rückkehr aus Indien nach Pau sagte Schwester Maria
der Mutter Oberin, dass Jesus sie nach Betlehem berufe, weil Er wolle,
dass dort eine Karmelitergemeinschaft entstünde. Sie kündigte
an, dass sie vor Ablauf von drei Jahren zusammen mit anderen Schwestern
nach Betlehem ausreisen würde, um dort eine neue Karmelitergründung
zu errichten. Die Vorgesetzten maßen ihrer Prophetie anfänglich
keine Bedeutung bei, aber Schwester Maria bestand darauf, indem sie daran
erinnerte, dass dies eine Bitte und Aufforderung Jesu selbst sei.
Als sie die Skepsis ihrer Vorgesetzten bemerkte, sagte Schwester
Maria dem Herrn Jesus: „Zum Beweis, dass es Dein Wille ist, dass ein Karmel
in Betlehem entsteht, mache, dass dieses verwelkte Geranienblatt eine Wurzel
bildet." Kurze Zeit später konnten alle Schwestern sehen, wie aus
dem vertrockneten Blättchen eine wunderbare Geranie wuchs. Die Gründung
eines neuen Karmelklosters in Betlehem schien jedoch ein unerfüllbarer
Traum zu sein. Es gab keine Geldmittel, es gab kein Baugrundstück,
und es gab vor allen Dingen kein Einverständnis des Apostolischen
Stuhls.
Doch für Gott ist kein Ding unmöglich. Während der
Anbetung Jesu im Heiligsten Sakrament erhielt Frau Dartigaux aus Pau eine
innere Eingebung, dass sie die Gründung des neuen Karmels in Betlehem
finanzieren sollte. Also begab sie sich zur Oberin und zu Schwester Maria
und erzählte ihnen von alledem. Die Schwestern berichteten dem Bischof
Lacroix von dem Problem, und dieser sandte nach kurzem Zögern eine
Bitte an den Vatikan, die Gründung eines neuen Karmelklosters zu genehmigen.
Zum Erstaunen aller schickte der selige Pius IX. sehr schnell ein Dekret
über die Errichtung eines Karmels in Betlehem. Im Mai 1875 waren alle
Formalitäten bereits erledigt.
Diese Tatsache bestätigte Bischof Lacroix in der Überzeugung,
dass Schwester Maria, die sich selbst als „kleines Nichts" bezeichnete,
mit außergewöhnlichen mystischen Gaben und Charismen bedacht
worden war. Der Bischof erzählte davon während eines Treffens
mit Priestern seiner Diözese, die wiederum seine Meinung den Gläubigen
in ihren Pfarreien überbrachten. Die Menschen begannen, in Scharen
zum Karmel in Pau zu gehen, um die demütige Schwester zu treffen.
Der Weisung ihrer Oberin gehorsam, empfing Schwester Maria im Sprechzimmer
des Klosters Menschen, die geistige Unterstützung benötigten.
Damals fanden dort zahlreiche wunderbare Bekehrungen statt.
Auf dem Weg nach Betlehem
Es kam die Zeit, nach Betlehem auszureisen. Schwester Maria verließ
am 20. August 1875 zusammen mit neun Schwestern und der Stifterin Frau
Dartigaux Pau; unterwegs machten sie Halt in Lourdes.
Als sie durch die Meerenge von Bonifacio fuhren, sagte Schwester
Maria, entzückt von deren Schönheit: „Wie
ist das schön, aber wie unendlich viel schöner muss Gott sein,
der das alles gemacht hat! Herr, Gott der Heerscharen, wie groß bist
Du!"
Die ganze Schiffsbesatzung freute sich an der Gegenwart von Schwester
Maria, der kleinen, bescheidenen Nonne, die jeden bemerkte und jedem ein
aufmunterndes Wort zu sagen wusste. Sie sprach zu den Matrosen von der
Notwendigkeit des Gebets und von der Vergänglichkeit des irdischen
Lebens. Sie hörten ihr mit großer Wertschätzung zu. Wenn
sie von Gott sprach, waren ihre Worte erfüllt von der Glut der Liebe,
und ihre Worte fielen den Menschen tief in die Seele. Sie tröstete
die Sorgenvollen, und Niedergeschlagenen gab sie die Lebensfreude zurück,
Zweifelnden den vertrauensvollen Glauben und die Hoffnung. Nach einer Begegnung
mit ihr fühlte sich jeder stärker und besser. Sie hatte den Mut,
die Wahrheit zu sagen, denn: „Der Herr Jesus will nicht, dass man Komplimente
mache." Ihre Gesprächspartner nahmen von Schwester Maria nur deshalb
die für sie manchmal sehr schmerzhafte Wahrheit an, weil sie sahen,
dass sie von selbstloser Liebe geleitet wurde.
Am 3. September 1875 ging das Schiff für drei Tage in Alexandria
vor Anker. In genau dieser Stadt hatte Schwester Maria 13 Jahre zuvor das
Martyrium für den Glauben durchlebt. Der Mörder hatte ihr die
Kehle durchgeschnitten, weil sie es kategorisch abgelehnt hatte, ihrem
Glauben an Jesus abzuschwören und zum Islam überzutreten, und
Gott hatte sie auf wunderbare Weise ins Leben zurückgeholt.
Am 6. September kam das Schiff in Jaffa an. Am Abend des gleichen
Tages fuhren die Schwestern nach Ramallah, und am nächsten Tag nach
Jerusalem. Drei Tage lang pilgerten sie zu den wichtigsten Sanktuarien
dieser heiligen Stadt.
Als sie am 24. September 1875 nach Betlehem kamen, gingen sie zuerst
zur Geburtsgrotte Jesu, um dort zu beten. Sie wurden dort vom Patriarchen
von Jerusalem, Vertretern der französischen Regierung und fast allen
Bewohnern feierlich hineingeführt und begrüßt. Dann wurden
sie in einer Prozession zu einem provisorischen Kloster zurückbegleitet,
in dem sie für ein Jahr wohnen sollten. Die Schwestern wollten so
schnell wie möglich ein passendes Grundstück kaufen, um das Kloster
zu bauen. Einige Jahre zuvor, hatte der Herr Jesus während einer Erscheinung
Schwester Maria ein Grundstück für das künftige Kloster
in Betlehem gezeigt und gesagt, dass dieses der Ort der letzten Ruhestätte
Mariens auf dem Weg zum Ort seiner Geburt gewesen war. Dieser Hügel
wird auch Davidshügel genannt, denn hier befindet sich die Grotte,
in der David zum König gesalbt wurde. Dieses Gebiet war Eigentum einiger
Muslime und nichtkatholischer Christen, also türmten sich die Schwierigkeiten
bei seinem Kauf. Gemäß der Ankündigung des Herrn Jesus,
die Er Schwester Maria gemacht hatte, sollten sich die Eigentümer
dieses Grundstücks selbst mit der Bitte um den Kauf an die Schwestern
wenden. Und so geschah es auch nach einigen Tagen. Die Transaktion wurde
ohne Probleme vollzogen und die Schwestern wurden Eigentümerinnen
eines großen Anwesens. Der Herr Jesus zeigte Schwester Maria auch
das architektonische Projekt des gesamten Klosters, nach welchem es auch
gebaut wurde.
Das Kloster in Betlehem
Da Schwester Maria arabisch sprach, trug die Oberin ihr auf, sich
um die Arbeiter zu kümmern und den Bau des Klosters zu überwachen.
Einer dieser Arbeiter war ein junger Mann, der das Christentum aufgegeben
hatte und zum Islam übergetreten war. Schwester Maria bemerkte seine
feindseligen und misstrauischen Blicke. Sie begann, ihm von der Liebe zu
Jesus zu erzählen. Mit ihrer Haltung machte sie einen solchen Eindruck
auf ihn, dass er ihr sein Herz ausschüttete und ein Verbrechen gestand,
welches er begangen hatte. Er ging zur Beichte, widerrief feierlich seinen
Akt der Apostasie und empfing die hl. Kommunion. Alle waren Zeugen der
wunderbaren Verwandlung, die Jesus in ihm vollzogen hatte.
Schwester Maria sagte ihren Schwestern, dass
„der Herr Jesus Heuchelei nicht ausstehen kann, die rechtschaffenen Herzen
aber liebt. Den rechtschaffenen Menschen liebt Gott, und selbst wenn er
viele Sünden begehen sollte, wird der Herrgott ihm das Licht geben,
sich zu bekehren; aber auf einen falschen Menschen kann Gott nicht schauen,
und selbst wenn er jeden Anschein der Heiligkeit hätte, wird er Gott
nicht so gefallen, wie Ihm der rechtschaffene Mensch trotz all seiner Unvollkommenheiten
gefällt."
Schwester Maria fürchtete am meisten die Sünde, der gegenüber
sie geradezu Abscheu empfand. Mit ihrem ganzen Herzen wünschte sie,
dass alle Menschen Gott liebten. Sie wollte die Herzen der Menschen mit
Liebe zu Jesus entzünden, und diese Liebe war untrennbar mit der Liebe
zum Kreuz verbunden, welches das Zeichen der Liebe „bis zur Vollendung"
ist. Indem sie das Kreuzesleiden auf sieh nahm, wollte sie ihrerseits mit
Liebe auf die Liebe Jesu antworten. Sie war zu einer besonderen Teilnahme
an seinem Leiden für die Erlösung der Sünder berufen. In
Betlehem erreichte ihr Mitleiden mit Christus seinen Höhepunkt. Am
meisten litt sie, wenn sie durch die Gnade der Bilokation zur Zeugin der
Verfolgungen und Verbrechen an Christen in verschiedenen Winkeln der Welt
wurde. Gott der Herr gab Schwester Maria die Fähigkeit, an diesen
tragischen Ereignissen teilzunehmen, die sich an Orten abspielten, welche
hunderte oder tausende von Kilometern entfernt waren. Viele Notizen über
dieses Thema sind erhalten geblieben. Eine wollen wir hier zitieren, sie
ist vom 28. Januar 1877: „Gestern Abend sah ich, dass man sich weit von
hier entfernt auf ein Massaker an Christen vorbereitete. Ich war entsetzt.
Die Christen wurden gewarnt, schafften es aber nicht, zu fliehen. Ich sah
das Massaker. Durchdringende Schreie, es wurde um Hilfe gerufen, aber niemand
konnte diese Hilfe leisten. Das war schrecklich."
Schwester Maria berichtete detailliert vom Märtyrertod einiger
Missionare in China und anderen Missionsländern. So erzählte
sie zum Beispiel sofort nach dem Martyrium des Priesters Baptifault in
Yunnan in China am 14. September 1874 dem Bischof Lacroix davon. Als einige
Monate später der Bischof in der Zeitschrift „Univers" den offiziellen
Bericht über dieses Martyrium las, konnte er sich davon überzeugen,
dass dieser Bericht bis in die kleinsten Einzelheiten den Ausführun
gen von Schwester Maria entsprach. Sämtliche
Demütigungen, Verleumdungen und Lügen, die Menschen bösen
Willens gegen die Kirche losließen, verursachten Schwester Maria
großes Leiden, die sich als lebendiges Glied der Kirche fühlte.
Und wir wissen, dass die Kirche Christus selbst ist und wir alle arme Sünder,
die seiner Barmherzigkeit bedürfen.
In der Fastenzeit 1876 öffneten sich erneut Schwester Marias
Stigmata am Herzen, am Kopf, an den Füßen und Händen. Es
waren blutende Wunden, Zeichen eines besonderen Mitleidens mit Jesus für
die Rettung der Sünder. Damals geschah auch ihre mystische Vermählung
mit Jesus. Schwester Maria erklärte: „Als er
uns ins Dasein berief, beschenkte uns der Herrgott mit einem freien Willen.
Derjenige, der seinen Willen Gott dem Schöpfer darbringt, empfängt
einen Ring als Zeichen der Vermählung mit Gott. Dies ist der Gipfel
von Allem, was man hier auf Erden erlangen kann. Es ist ein Trauring!"
Schwester Maria war von ihrer eigenen großen Sündhaftigkeit
überzeugt. Sie war demütig, weil sie in der Wahrheit lebte. Sie
sagte: „Mein Gott, wir sind etwas so Geringes! Wie kann sich der Mensch
selbst etwas Gutes zuschreiben? Trotz all meiner Treulosigkeiten liebt
Gott mich und wird mich ausschließlich durch seine Barmherzigkeit
erretten."
Der Bau des neuen Klosters schritt sehr schnell voran. Schon am
21. November 1876 zogen die Karmelitinnen in ihrem neuen Sitz auf dem Davidshügel
ein. Der Patriarch zelebrierte dort die erste Heilige Messe. Schwester
Maria sah, wie währenddessen viele Seelen vom Fegefeuer in den Himmel
eingingen.
Die letzte Etappe
Schwester Maria sehnte sich nach dem Himmel. Sie erwartete den Tod
als Stunde ihrer Befreiung. Sie betete: „Herr, führe
den Moment meines Weggangs früher herbei. Ich sehne mich nach Dir!
Ich bin wie ein Kind, das den Vater verloren hat und umherläuft, um
ihn zu suchen. Ich bin wie ein Vogel, der in einen Käfig eingesperrt
ist. Öffne mir die Tür, damit ich zu Dir herausfliege!"
Sie riet den Schwestern: „Auf
dem Weg, auf dem wir gehen, geben wir Acht, dass uns der Feind nicht betrügt.
Machen wir oft das Zeichen des Kreuzes. Ich sage euch, worüber mich
der Herr belehrt hat. Wenn ihr versucht werdet, dann kniet vor dem Herrn,
wo auch immer ihr euch gerade befindet. Sagt: »Herr,
ich widersage dem Satan und all seinen Werken, ich will nur Deinen Geist.«
Wenn ihr nicht wisst, was gut und was böse ist, sagt in der Tiefe
eures Herzens und auf Knien: »Herr,
ich widersage dem Satan, all seinen Werken und Gefühlen, ich will
nur Dich und Deinen Geist.« Ihr werdet
sehen, dass ihr immer siegen werdet, wenn ihr diesen Worten die Treue haltet,
denn man wird euch häufig Schläge und Wunden zufügen."
Im Frühling 1878 begab sich die Oberin in Gesellschaft von
Schwester Maria und einer anderen Schwester nach Nazareth, um ein Grundstück
für ein neues Karmelkloster zu kaufen. Als die Ordensschwestern unterwegs
waren, zeigte der Herr Jesus Schwester Maria den Ort, an dem zwei seiner
Jünger Ihm nach seiner Auferstehung begegnet waren und Ihn nach dem
Brotbrechen erkannt hatten (vgl. Lk 24,29-32). Spätere archäologische
Funde bestätigten, dass dies wirklich Emmaus war, von dem wir im Evangelium
lesen.
Nach ihrer Rückkehr nach Betlehem nahm Schwester Maria ihre
Pflichten bei der Aufsicht über die Bauarbeiten wieder auf. Am 22.
August 1878, als sie über die Treppe ging und dabei ein Getränk
für die Arbeiter trug, stolperte sie und fiel hin, wobei sie sich
die linke Schulter brach. Sehr schnell entwickelte sich bei ihr eine Gangrän.
Sie war sich darüber im Klaren, dass sie bald sterben würde.
Sie sagte zu ihren Schwestern: „Ich bin auf dem Weg zum Himmel, die Sehnsucht
meines ganzen Lebens wird sich in Kürze erfüllen. Ich gehe zu
Jesus."
Am 26. August 1878 erfüllte sich die größte Sehnsucht ihres
Lebens. Schwester Maria kehrte heim zum Herrn. Sie war 33 Jahre alt. Vor
ihrem Tod beichtete sie, empfing das Sakrament der Krankensalbung und die
hl. Kommunion. Sie brachte ihre Leiden für die Kirche, für Frankreich
und für den Karmel dar. Wahrend ihrer Agonie rief sie aus: „Wie der
Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach Dir!"
(Ps 42,2). Im Augenblick ihres Todes erstarrte ihr Gesicht in einem Ausdruck
der Verzückung und der Freude über ihre Begegnung mit Christus.
Auf ihrem Körper waren die Wunden der Stigmata sichtbar, und an diesen
Stellen war ihr Leib durchscheinend.
Die Beerdigung von Schwester Maria fand am 27. August statt. Eine
große Menschenmenge nahm daran teil. An diesem Tag war über
dem Karmel ein Regenbogen mit einer grünen Krone in der Mitte zu sehen,
und in den Karmelklöstern in Betlehem und in Pau verbreitete sich
der gleiche unglaubliche Wohlgeruch, der Schwester Maria an manchen Tagen
begleitet hatte, als sie sich dort aufhielt.
Schwester Maria Baouardy von
Jesus dem Gekreuzigten (die Kleine Araberin) wurde am 13. November 1983
selig gesprochen. Der heilige Johannes Paul II. sagte während
seiner Homilie: „Wahre Klugheit und Verständigkeit setzen die Haltung
eines »Unmündigen« voraus, zu verstehen als Fügsamkeit
gegenüber dem Heiligen Geist. Nur diese ermöglicht im Sohn, durch
den Sohn und mit dem Sohn eine Erkenntnis der Geheimnisse des Vaters, die
den Weisen und Klugen dieser Welt, die aus Dummheit und Stolz blind dafür
sind, verborgen bleiben (vgl. 1 Kor 1,18-21). (...) Das ganze Leben dieser
jungen Araberin, das voller außergewöhnlicher mystischer Gaben
war, war - im Licht des Heiligen Geistes -eine bewusste und unwiderrufliche
Antwort auf die Berufung zur Heiligkeit, also eine Antwort auf jenen ewigen
Erlösungsplan (...), der von der Barmherzigkeit Gottes für jeden
von uns geschaffen wurde."
Durch ihre Fürsprache bei
Gott geschehen unaufhörlich zahlreiche wunderbare Heilungen und Bekehrungen.
Heilige Maria von Jesus dem
Gekreuzigten, erbitte uns die Gnade eines reinen und demütigen Herzens.
Lehre uns, jedes Leiden anzunehmen und es zusammen mit unserem Willen Jesus
darzubringen.
NB!:
Gott der Herr lässt die
Versuchung nur zu, damit wir wachsen können. Lasst euch niemals entmutigen!
Eine demütige Seele ist
immer glücklich. Ein demütiges Herz ist ein Gefäß,
ein Kelch, der Gott enthält!
Gott hat gelitten, und es ist
notwendig, dass auch der Mensch leide, ob er das will oder nicht will.
Wenn er aus Liebe und in Vereinigung
mit Gott leidet, wird er weniger leiden und erwirbt Verdienste!
Wenn Seelen, die sich in vielen
Tugenden üben, sich nicht bemühen, die Demut zu erlangen, dann
werden sie Jesus niemals angenehm
sein!
Wahre Klugheit und Verständigkeit
setzen die Haltung eines »Unmündigen« voraus, zu verstehen
als
Fügsamkeit gegenüber
dem Heiligen Geist.
„Derjenige, der seinen Willen
Gott dem Schöpfer darbringt, empfängt einen Ring als Zeichen
der
Vermählung mit Gott. Dies
ist der Gipfel von Allem, was man hier auf Erden erlangen kann!"
Tägliches Gebet der heiligen
Schwester Maria (der kleinen Araberin):
„Heiliger Geist, beseele mich
mit der Liebe Gottes, nimm mich ganz in Besitz. Führe mich den rechten
Weg. Maria, meine Mutter, schaue auf mich. Segne mich zusammen mit Jesus.
Bewahre mich vor allem Bösen, vor aller Täuschung und Gefahr!"
Am 26. August 1878 erfüllte sich die größte Sehnsucht ihres Lebens. Schwester Maria kehrte heim zum Herrn. Sie war 33 Jahre alt.
(Quelle: "Liebt einander!", Nr.
2-2015, S. 4 - 10, Kloster St. Gabriel, 99894 Leinatal/Altenbergen)