Der Natur und der Gottesmutter zu Ehren! |
Wenn die Natur wieder grünt und blüht, gedeiht auch eine
besondere Form der Spiritualität wieder: die Maiandacht, die, obwohl
eine verhältnismäßig junge Frömmigkeitsübung,
in ihrer Form vor allem von Frauen gerne besucht wurde. Maiandachten sind
heutzutage großteils Marienandachten; in früherer Zeit waren
sie viel mehr einfache Flurgebete, die um das Gedeihen der Feldfrüchte
baten. Hinweise auf besondere Maiandachten mit marianischer Intention gibt
es aber bereits im Mittelalter. So soll etwa Heinrich Seuse, der selige
Dominikanermönch, im 13. Jahrhundert zu Konstanz am Bodensee die erste
Maiandacht gehalten haben - mit sich allein als Gemeinde. In Anlehnung
an den Brauch des Maibaumaufstellens setzte Heinrich Seuse für Maria
gleichsam einen geistlichen Maibaum und zierte ihn mit Gebeten und Liedern
ihr zu Ehren. Er sammelte auch die Erstlinge der Blumen und wand sie zu
einem Kranz, mit dem er das Bild der Gottesmutter schmückte. In einem
Marienbüchlein von 1692, das Laurentius von Schnüffis verfasst
hat, wird der Vergleich zwischen Maria und dem Frühling gezogen: „Maria
ist ein lieblicher Frühling, in dem sie uns den prächtigen Tau
und warmen Gnadenregen gebracht hat... Sie ist ein lieblicher Frühling,
indem sie der in Todesnacht liegenden Welt die erquickende Lebensblum'
hervorgebracht hat.... Sie ist ein anmutiger Frühling, bei dessen
Ankunft allerhand wohlriechende Blumen zu blühen angefangen..." Hierin
liegen wohl Anfang und Begründung der Tradition, den ganzen Mai hindurch
tägliche oder häufige Gebete der Mutter Jesu zu weihen. Als erste
und schönste Blüte der Erlösung - „als Frühling des
Heils" - gilt in der katholischen Spiritualität die Gottesmutter -
wie passend für den Blumenmonat! Im 18. Jahrhundert wurde diese Andachtsform
zunächst in Neapel gefeiert, um sich innerhalb des nächsten Jahrhunderts
über Rom in die ganze Weltkirche ausbreitete. Einen Teil dazu trug
Papst Pius VII. bei, der seine Befreiung aus der Gefangenschaft durch Napoleon
der Fürsprache der Gottesmutter zuschrieb und die Andacht sofort nach
seiner Rückkehr in die Heilige Stadt empfahl; auch wurden damit umfangreiche
Ablässe verknüpft. Über die Schweiz, Frankreich und Belgien
kam die Maiandacht schließlich in den engeren deutschen Sprachraum,
wo sie zuallererst in Aachen begangen wurde. Eine Vereinigung junger Mädchen,
die wohltätig ausgerichtet war, bildete den Ausgangspunkt dort. Sie
gründeten eine Notküche zur Essensausgabe an Bedürftige.
Im Raum dieser Armenküche hielt ihr geistlicher Leiter den ganzen
Monat hindurch die erste Maiandacht unter reger Beteiligung. Diese führte
weiter dazu, dass im nächsten Jahr die Maiandacht in die Pfarrkirche
verlegt werden musste. Als nächste Stadt feierte München die
Maiandacht, wo sie einen starken Auftrieb v.a. durch die Marienlieder erhielt,
die der katholische Schriftsteller Guido Görres verfasst hatte. Von
ihm stammen auch „Maria, Maienkönigin" oder „Wir grüßen
dich mit frohem Sinn" und natürlich die „Marienblume" (siehe dazu
auch weiter unten). Heutzutage ist die Maiandacht in der ganzen katholischen
Welt verbreitet. Die Menschen bringen nicht nur ihre Verehrung Marias zum
Ausdruck, sondern auch ihre Bitten an die Madonna. Denn wenn jemand unser
Leben mit all seinen Freuden und Sorgen, Höhen und Tiefen kennt, dann
Maria - sie ist schließlich eine von uns. Dies kommt z.B. in der
3. Strophe des Liedes „Maria, dich lieben ist allzeit mein Sinn" gut zum
Ausdruck, wenn es da heißt: „Du Frau aus dem Volke, von Gott ausersehn,
dem Heiland auf Erden zur Seite zu Stern, kennst Arbeit und Sorge ums tägliche
Brot, die Mühsal des Lebens in Armut und Not." Leider war in Europa
wie im gesamten Glaubensleben ein Rückgang bei den Andachten zu vermerken.
Aber Gott und Maria lassen die Ihren nicht im Stich: wie die Blumen im
Frühling blüht auch der Stellenwert der Maiandachten wieder auf.
Gerade in ihr spielt der Gemeinschaftscharakter eine wesentliche Rolle.
Marienaltäre und Marienbilder werden gemeinsam liebevoll mit Blumen
und Kerzen geschmückt. Die Leute wollen wieder mehr unter guten Vorzeichen
wie Gemeinschaft und Glaube zusammenkommen, sich eine halbe Stunde oder
mehr Zeit nehmen für Besinnung, Gesang und Gebet und vielleicht auch
noch im Anschluss gemütlich beisammen sein, um das Erlebte nochmals
gemeinschaftlich zu vertiefen. So entsteht auch heute noch aus vielen kleinen
Mosaiksteinen ein großes Lob, das Maria zur Ehre gereicht.
Litaneien, und besinnliche Texte und vor allem innige Lieder bereichern
jede Maiandacht. Die Marienlieder zählen mit Recht zu den schönsten
und beliebtesten des Gotteslobs.
Eines davon findet sich besonders häufig auch in Zusammenstellungen
von Einspielungen auf CDs, Kassetten oder anderen Medien: „Es blüht
der Blumen eine", dessen Text aus der Feder von Guido Görres stammt,
einem katholischen Schriftsteller aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Er
verfasste es 1842 in Rom als Teil seiner Dichtung „Marienlieder", die explizit
zur Feier von Maiandachten geschrieben wurden. Es stellt Maria als die
wunderbare Blume dar, die Betrübte tröstet und Verwundete heilt.
Und es greift damit auf ein sehr altes Symbol zurück: das Bild der
reinen Blume,
die später vornehmlich als „Lilie" verstanden wurde, findet schon
in der Bibel häufige Verwendung und wurde später zum Inbegriff
der Jungfräulichkeit Mariens als der „Unbefleckten Empfängnis".
Als das Glaubensdogma darüber verkündet wurde, fand der Text
verständlicherweise besonderen Anklang und Verbreitung. Aber seine
hoffnungsspendende und tröstliche Wirkung reichte weit über die
ursprüngliche Intention hinaus: es fand sich auch in Feldgesangbüchern
des Ersten Weltkriegs - ein Schimmer der Hoffnung für viele Soldaten,
die vielleicht bald ihr Leben lassen mussten! Bei einem Text von solcher
Wirkmacht durfte natürlich die Vertonung nicht mehr lange auf sich
warten lassen. Als erster versuchte sich Mitte des 19. Jhdt. der bayerische
Hofkapellmeister Kaspar Aiblinger daran, die Worte in Musik zu fassen.
Doch für den eigentlich beabsichtigten Gebrauch in der Maiandacht
und damit für den einfachen, einstimmigen Gesang durchschnittlicher
Gemeindemitglieder, war seine Komposition bei weitem zu anspruchsvoll.
Es brauchte eine einfache, eingängige Melodie. Die heutig vorliegende,
die noch mehr zur Beliebtheit des Liedes beigetragen hat, stammt von Anselm
Schubiger, der im Stift Einsiedeln als Kapellmeister tätig war. Seine
Fassung erfuhr großen Zuspruch und hat bis heute nichts von ihrer
Strahlkraft eingebüßt.
DIE MARIENBLUME Guido Görres
(1805-1852)
Es blüht der Blumen eine Auf ewig grüner Au, Wie diese
blühet keine So weit der Himmel blau.
Wenn ein Betrübter weinet, Getröstet ist sein Schmerz:
Wenn ihm die Blume scheinet Ins leidenvolle Herz.
Und wer vom Feind verwundet Zum Tode niedersinkt, Von ihrem Duft
gesundet, Wenn er ihn gläubig trinkt.
Die Blume, die ich meine, Sie ist euch wohl bekannt, Die fleckenlose,
reine Maria wird genannt.
Maria ist's die süße, Die Lilie auserwählt, Die
ich von Herzen grüße, Die sich der Geist vermählt.
Maria ist's die reine, Die also lieblich blüht, Daß in
so lichtem Scheine Der Rosen keine glüht.
Erfreue süße Blüthe, Der Erde finstre Gruft, Erblühe
im Gemüthe Mit Deinem Himmelsduft.
Und Heiligkeit und Frieden Verleihe unsrer Brust, Und nach dem Tod
hinieden Des Himmels ew'ge Lust.
(Quelle: "Erneuerung
in Christus", Heft Nr. 4/5-2016, S. 8-11, Gaming)
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