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Betrachtung der Leiden Jesu Christi
Was Jesus Christus an Seele und Leib gelitten 
(Vierte Betrachtung im Buch des Lebens) 

Durch göttliche Erleuchtung schaute Angela von Foligno, was Christus an Seele und Leib gelitten; wie Jesus gelitten und warum Jesus Christus all das auf sich genommen hat:



l. Was Jesus Christus seelisch gelitten hat
Als ständige Begleiter wählte Jesus Leid und Schmerz. Dieser begann nicht erst während seines Lebens. Er gesellte sich alsogleich der Seele Christi zu. In dem Augen-blick nämlich, da die Seele dem Leibe Christi verbunden wurde, ist sie mit der Gottheit und damit auch mit der göttlichen Allwissenheit erfüllt worden. Die Seele Christi sah alle Leiden, die sie in Vereinigung mit dem Leib erfahren und für uns erdulden sollte. Im Allgemeinen und im Besonderen; so daß Christus schon im ersten Augenblick seiner Empfängnis im jungfräulichen Leib seiner heiligen Mutter großen Schmerz empfand; und da schon sein Leiden begann. Die Seele Christi sah das Leid durch ehrabschneiderische Zungen und wußte ohne Unterlaß, wann, wie, von wem, inwieweit das Leid von daher kam. Sie mußte voll der Schmerzen sein, wenn sie betrachtete, wie sie in ihrem Leibe verkauft, verleugnet, verlassen, gefangen, gebunden, geschlagen, verspottet, verflucht, gegeißelt, verurteilt und wie ein Mörder ans Kreuz gebracht und mit der Lanze durchstochen wurde. Sie wußte um alle Hammerschläge, alle Nägel und um alle Tropfen Blutes. Den Schmerz des Kreuzes empfand Christus nicht nur in der Stunde der Kreuzigung, sondern aufgrund der Vereinigung mit dem ewigen Wort sein ganzes Leben hindurch. Jesus Christus sah die Undankbarkeit und Gleichgültigkeit der Menschen. Er sah die Bosheit seiner Feinde, die Grausamkeit verstockter Herzen. Die Seele Christi litt
a) wegen seiner heiligen Mutter, die in ein Meer von Angst und Traurigkeit versenkt wurde. In Jesus
    war der Schmerz und das Mitleiden über seine allerliebste Mutter, weil er seine Mutter mehr als
    irgend ein erschaffenes Wesen liebte; und weil Maria ihn mehr als ein anderes Wesen bemitleidete.
b) Christus litt wegen seiner Jünger, „die den Glauben verloren und seinetwegen Verfolgung leiden
    mußten".
c) Unendlichen Schmerz verursachte ihm das Mitleid, das er mit dem Menschengeschlecht hatte,
    welches er liebte; nicht nur mit den Menschen allgemein; er hatte Mitleid mit jeder einzelnen
    Seele. So viel der Menschen waren und noch sind, so viel der Sünden jeder Mensch begangen und
    die Menschen noch begehen werden, so viele Schmerzen hatte Christus vermöge seines
    unendlichen Mitleidens und seiner Barmherzigkeit. Denn Christus liebte jeden Menschen
    unaussprechlich und empfand darum unermeßliches Leid wegen der Schuld und Strafe, deren sich
    alle Menschen schuldig gemacht. „Durch das göttliche Licht erkenne ich", sagte Angela v.
    Foligno, „wie Christus schon im Schoße seiner Mutter alle Leiden seelisch empfinden konnte, die
    dann über ihn gekommen sind."

2. Was Jesus Christus an seinem Leib gelitten
„Gleich nach seiner Geburt ward er nicht in ein Bad oder Federbett gelegt, noch in Felle eingewickelt, sondern auf das Heu in einem Stall, in eine harte Krippe gelegt. Kaum geboren, fing das Kindlein an, am Leibe schon körperliche Mühseligkeiten zu erdulden. Dann machte er mit Maria und Josef die Wanderung durch weite Wüsten bis nach Ägypten. Auch reiste er als Knabe nach der Vorschrift des Gesetzes nach Jerusalem, immer zu Fuß gehend, obwohl Nazareth mehrere Tagreisen von Jerusalem entfernt war. Nach seiner Taufe im Jordan fastete er in der Wüste vierzig Tage. Er ging durch die Dörfer und Städte, litt Hunger, Durst, ertrug Regen, Hitze, Kälte und Mühseligkeiten ohne Zahl bis - zum Tod am Kreuze.
Sie zerrten an seinen Händen und Füßen, spannten seinen ganzen Leib, rissen die Glieder aus den Gelenken, so daß man sie zählen konnte. Man warf sie auf das Kreuz und nagelte sie an. Besonders leidvoll waren die Nägel, denn seine Feinde nahmen große, kantige Nägel, die seine Hände und Füße grausam durchbohrten. „Einmal dachte ich nach über den großen Schmerz, den Christus am Kreuz erduldete, als er angenagelt wurde. Da hörte ich sagen, daß die Nägel etwas aus den Händen und Füßen mithinein ins Holz gerissen haben. Da entstand in mir ein solcher Schmerz über diese Pein Christi, daß ich mich nicht aufrecht halten konnte."

3. Wie Jesus Christus gelitten hat
„Und bei all dem, was der Heiland der Welt, der Gottmensch Jesus Christus litt, drohte er nicht, lästerte er nicht, verteidigte er sich nicht, rächte er sich nicht. Da sein Angesicht bespien wurde, verbarg er es nicht; da seine Hände und Arme ausgespannt wurden, zog er sie nicht zurück; da er zum Tode gesucht wurde, versteckte er sich nicht, sondern gab sich ihrem Willen hin, daß er das Werk der Erlösung vollbrachte. Im Leiden gab er das Beispiel der Geduld. Durch den Schmerz, den sie ihm antaten, leistete er Genugtuung, versöhnte er sie mit dem Vater, öffnete die Pforten des Paradieses, versetzte uns alle in den Stand der Gnade und machte uns zu Kindern Gottes."

4. Warum Jesus Christus gelitten hat
Christus hat gelitten, um den, der am Baum des Paradieses gesiegt hat, zu besiegen. Er hat gelitten, a) um uns das Beispiel der Geduld in Trübsal und Leid zu geben, damit wir den Feinden das Böse
    nicht nur nicht vergelten, sondern ihnen aus Liebe zu Jesus Gutes tun.
b) Er hat gelitten, um uns den rechten Weg zu zeigen: „Er beteuerte auch ganz und gar, daß auf
    keinem anderen Weg und auf keine andere Weise als durch Leid und Trübsal jemand die ewige
    Herrlichkeit erlangen könne. Denn das ist wahrhaft der königliche Weg, den Gott selbst
    gegangen; und sehr töricht, wer da zweifelt oder säumig ist, seinem Herrn und Erlöser zu folgen,
    nachdem der Sohn Gottes, unser Schöpfer, darauf gegangen ist."
c) Er hat gelitten, um anzudeuten, daß in Erduldung von Leid und Trübsal das Glück, die Ehre der
    Menschen bestehe. Er wußte wahrhaftig, wieviel Gutes in Leid und Trübsal verborgen liegt.
    Darum nahm er sie auf sich. Wer wäre so töricht, am Segen von Leid und Schmerz zu zweifeln!
    Seit der Sohn Gottes so große Mühsal auf sich genommen hat.

5. Und wir?
O wir Unglücklichen und Elenden, die wir sogar jene Leiden verschmähen, die uns vom allerweisesten Arzt Jesus Christus angeboten werden. Wenn uns ein wenig Kälte befällt, suchen wir gleich die Wärme des Feuers und verdoppeln die Kleider; wenn Hitze kommt, sucht man Kühlung; wenn wir Kopf- oder Magenweh haben, schreien und seufzen wir, laufen zum Arzt, suchen Hilfe, gebrauchen delikate Sachen, bestürmen, um Linderung zu erhalten, Gott und die Heiligen, geloben Wallfahrten und Gebete, um solche heilsame von Gott gesandte Leiden und Schmerzen von uns abzuwenden. Wenn wir aus Fügung oder Zulassung Gottes um unseres Heiles willen von jemandem Widerwärtigkeit erleiden, dann werden wir sogleich verwirrt, zürnen, klagen, urteilen bös, verleumden, fluchen und rächen uns, so daß wir keine Trübsal, die uns vom himmlischen Arzt zugedacht ist, mit Geduld ertragen. Wie sinnet und müht man sich, allen Widerwärtigkeiten auszuweichen, die Gott uns aus Barmherzigkeit sendet oder zuläßt. Sie wären ohne Zweifel heilsamer als viele andere Bußwerke, die nach eigenem Gutdünken übernommen werden. Denn der himmlische Arzt weiß besser, welche Widerwärtigkeiten notwendig sind, um die Seele zu läutern, zu unterweisen und vollkommen zu machen. Bußwerke, die aus eigener Wahl gesucht und übernommen werden, geben manchmal der eitlen Ehre Raum. Kommen sie aber auf Grund göttlicher Anordnung und werden sie mit Geduld und Freude angenommen, können sie zum Heile sein. Ich sage also, daß wir Kälte, rauhe Witterung, Wärme, Hitze und auch andere Schmerzen geduldig ertragen; und daß wir nicht allzu besorgt darauf bedacht sind, uns davon zu befreien. Auch sage ich, wenn, aus Anordnung oder Zulassung Gottes, Armut, Unterdrückung, Verfolgungen, Beraubung oder derlei Unfälle uns begegnen, so wollen wir sie mit Geduld ertragen und sie bereitwillig von unserem Arzt und Erlöser annehmen, der sie uns aus Liebe zugeteilt hat. Wir Armseligen! Was wollen wir sagen, da wir die Schmerzen und Trübsale, die uns Gottes Weisheit und Barmherzigkeit zuteilt, fliehen. Denn Tag und Nacht suchen wir körperliche Freuden und Annehmlichkeiten und sind auf Vergnügen bedacht. Wahrlich, das ist nicht das Leben des Gottmenschen Jesu Christi. Ich sage das nicht nur im Hinblick auf Dinge dieser Welt. Ich sage es auch von den geistlichen; denn im Dienste Gottes sollen wir uns nicht viel um Tröstungen kümmern. Hat denn Maria, die geliebte Mutter Jesu, als sie ihren geliebten Sohn sterben sah, von ihm etwa Trost verlangt? - So soll es auch in unserer Seele sein. Gott gefällt der Dienst des Armen, der ihm aus Liebe treu dient ohne Hoffnung auf Wiedervergeltung.

(Quelle: "Dienst am Glauben", Heft 2-2006, S. 42ff., Höttinger Gasse 15a, A-6020 Innsbruck, mit freundlicher Genehmigung v. P. Fridolin - bestellen Sie sich diese sehr empfehlenswerte, außergewöhnlich gute Zeitschrift!)


Gebet:
Jesus, Maria und Joseph, rettet Seelen, rettet Priesterseelen,
rettet auch unsere Seelen! Amen. Ich danke Euch! Ich liebe Euch!
(Am Rosenkranz zu beten)

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