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Der 13-jährige Bernhard Lehner, Schüler des bischöflichen
Knabenseminars Obermünster in Regensburg, wurde Ende 1943 mit Diphterie
in die städtische Kinderklinik eingeliefert und ertrug den zehnwöchigen
Krankheitsverlauf außerordentlich geduldig, oft sogar heiter. Er
war seinen Lehrern bereits zuvor als ungewöhnlich hilfsbereit, selbstlos,
liebenswürdig und aufrichtig fromm aufgefallen. Eine Krankenschwester
bezeugte: „So wie dieser Vierzehnjährige gestorben ist, so habe ich
in all den Jahren meines Pflegedienstes keinen Jugendlichen sterben sehen."
Die Verehrung begann bereits in seinem Todesjahr. Schon bald wurden ihm
auch Gebetserhörungen auf seine Fürsprache bei Gott zugesprochen.
Der Überführung der Gebeine in die heimatliche Pfarrkirche von
Herrngiersdorf wohnten über 20.000 Menschen bei. Am 2. April 2011
- also genau vor sieben Jahren - autorisierte Papst Benedikt XVI. die Heiligsprechungskongregation,
das Dekret über den heroischen Tugendgrad Bernhard Lehners zu promulgieren:
Er darf seitdem als ehrwürdiger Diener Gottes
bezeichnet werden. Wenn sich ein nachweisbares Wunder ereignet, kann auch
die Seligsprechung erfolgen.
Am Gebetstag um die Seligsprechung des Dieners Gottes Bernhard Lehner
(Sonntag, 13. Sept. 2015) predigte Diakon Dr. Sigmund Bonk über
die Macht Gottes, aus Schlechtem letztlich doch noch Gutes entstehen
zu lassen:
Liebe Mitbrüder, Schwestern und Brüder im Herrn, liebe
Buben, Mädchen und Jugendliche!
Wer immer darüber liest oder hört, wird den frühen
Tod des frommen Kindes Bernhard Lehner bedauern. Es versteht sich von selbst,
dass es sehr traurig ist, wenn ein Mensch früh sterben muss. Als Christen
glauben wir aber, dass Gott selbst noch aus dem Schlimmen, ja Schrecklichen
etwas machen kann, das sich auf eine andere Weise als gut erweisen kann
— v. a. für das Heil der Seele. Am deutlichsten ist das freilich beim
Kreuzestod Jesu gewesen. Als Bewunderer Bernhard Lehners erkennen wir aber
auch im Sterben dieses jungen Menschen etwas, das uns vorbildlich erscheint
und das auch uns, wenn es mit uns selbst einmal zu Ende geht, neuen Mut
verleihen könnte. Es ist gut und tut gut, sich an der Tapferkeit,
Geduld, Liebenswürdigkeit und vor allem an der tiefen Gottes- und
Marienliebe des kleinen Bernhard zu orientieren.
Ich weiß nicht, ob es in den Schriften über Bernhard
oder auch bei den vergangenen Gebetstagen erwähnt worden ist, dass,
freilich nur medizinisch-nüchtern betrachtet, dieser wunderbare Junge
gar nicht hätte sterben müssen. Er litt unter einer bakteriellen
Rachenerkrankung mit der Bezeichnung „Diphterie", die auch bis auf das
Herz übergreifen kann, aber mit Penicillin und Antitoxin sehr gut
heilbar ist. Das Penicillin tötet die Bakterien in nur wenigen Tagen.
Der Schotte Alexander Fleming hatte diesen winzigen aber ganz besonderen
Schimmelpilz, den er eben „Penicillin" genannt hat, bereits 1928 entdeckt
und vor allem Engländer und Amerikaner setzten das daraus bestehende
Medikament im Todesjahr Bernhard 1944 bereits in großem Umfang —
auch an der deutschen Front — sehr wirksam ein. In Deutschland wollte man
von diesen medizinischen Neuerungen des verachteten und mit viel Propaganda
geschmähten Kriegsgegners aber nichts wissen. Man verkannte größten
Teils die Segnungen der Antibiotika oder schloss teilweise, willentlich
und verstockt, bewusst die Augen davor. Aufgrund dieser nationalistisch
bedingten - heute kaum fassbaren Borniertheit - mussten damals viele Deutsche,
die ansonsten hätten überleben können, elend zugrunde gehen.
So auch unser Bernhard.
Dieser Schattenseite seines frühen und, aus dem Blickwinkel
der Medizingeschichte heraus besehen, unsinnigen Todes ist jedoch auch
eine Lichtseite gegenüber gestellt. Diese kann allerdings nur das
Auge des Glaubens sehen. Sie gehört dennoch zur Wirklichkeit dazu.
Während seiner siebeneinhalb Wochen dauernden Leidenszeit in der Regensburger
Kinderklinik hat sich Bernhard vom guten Kind zum heiligmäßigen
Kind gewandelt.
Was Pater Josef Kunz in seinem Buch „Unser Bernhard" über Bernhards
Zeit im Krankenhaus schreibt, ist äußerst ergreifend. Wir sehen
bei der Lektüre vor unserem inneren Auge ein abgemagertes Kind mit
geschwollenem Hals in seinem Bett liegen und die weitgehend schlaflosen
Nächte betend verbringen. Er bekommt kaum noch einen Bissen Nahrung
hinunter und leidet unter Übelkeit und starken Schmerzen. Bald kann
er kaum noch sprechen. Und doch scherzt er tagsüber, so gut es eben
geht, sehr liebenswürdig mit seiner Krankenschwester. Oder er tröstet
seine immer besorgter werdenden Besucher. Gefasst und dankbar empfängt
er die heiligen Sterbesakramente. Seine Gedanken und Sehnsüchte gelten
immer mehr dem Himmel und dem ewigen Leben. Seine unglückliche Mutter
versucht er dementsprechend auch mit den Worten aufzurichten: „Wer wird
denn weinen, wenn man in den Himmel geht?"
Ein christusförmiger Dulder und Tröster ist er geworden,
der im „Ave Maria" viel Trost erfahren hat. Durch das Licht göttlicher
Gnade erhellt, wusste er, was das ist — ein guter, ein gottgefälliger
Tod. Die letzten etwa drei Wochen im Krankenhaus lassen Bernhard innerlich
weit über alle Altersgenossen seiner Zeit hinauswachsen. Dieses „innerliche
Wachstum" ist ein solches in der Liebe zu Gott gewesen. Immer mehr gehört
die Liebe Bernhards Gott, dem er immer ausschließlicher dienen will.
Dies wird geradezu sein drängendster Wunsch. Eines Tages ist dieser
Wunsch sogar stärker als der, diese schreckliche Krankheit zu überleben
und zu seiner Familie zurückzukehren. Nachdem ihm klar geworden ist,
dass er Gott, wie er bis dahin ersehnte, als Priester nicht werde dienen
können, wächst die Einsicht: Auch mit einem gottgefälligen
Sterben kann ich meine Liebe zu Gott verwirklichen und bezeugen. Auch mit
meinem Sterben und Tod kann ich Gott dienen und meinen Beitrag zu seiner
Verherrlichung leisten.
Im 8. Kapitel des Römerbriefs findet sich ein Wort, das mir
zum Verständnis des Lebens und Sterbens Bernhard Lehners das Entscheidende
beizutragen scheint. Es lautet: „Wir wissen, dass
Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt." Bernhard
hat Gott geliebt und Gott hat bei Bernhard wirklich alles zum Guten geführt:
Ganz entgegen dem völlig anderen ersten Anschein. Das zeigt sich schon
daran, wie viele Menschen, auch heute wieder, hierher nach Herrngiersdorf
gekommen sind. Ihr wäret nicht hier, wenn Euch das Leben, Leiden und
vor allem das gottselige Sterben dieses Buben nichts sagen, nichts bedeuten
würde. Auch durch Euch bezeugt Gott, dass er aus dem sehr Schlimmen
immer ein noch größeres Gutes bewirken kann. Bernhards Heimgang
zum Vater im Himmel hat in der dunklen Zeit einer Diktatur die Zuversicht
und Volksfrömmigkeit im Bistum Regensburg neu angefacht. Bis heute
bewegt dieser außergewöhnliche Junge die Herzen (und Füße)
seiner zahlreichen Verehrerinnen und Verehrer. Vielen konnte er helfen,
vielen ist er mit seiner tapferen Ergebenheit am Ende des Lebens Vorbild
und Halt geworden.
Denkt daran, liebe gläubige Christen, dass auch für Euch
gilt, was sich für Bernhard als gültig erwiesen hat: „Wir
wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt."
Auch die Fortsetzung dieses Wortes Gottes aus dem Mund des hl. Paulus ist
sehr beachtenswert. Mit deren Verlesung will ich nun schließen. Bitte
denkt bei diesen Worten zuerst an Bernhard Lehner, dann aber ruhig auch
an Euch selbst, denn als Christen sind wir alle Kinder Gottes, sind wir
ausnahmslos Menschen, die von ihm berufen sind: Der hl. Paulus schreibt:
„Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben,
alles zum Guten fuhrt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind;
denn alle, die er im Voraus erkannt hat, hat er auch im Voraus dazu bestimmt,
an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene
von vielen Brüdern sei. Die aber, die er vorausbestimmt hat, hat er
auch berufen, und die er berufen hat, hat er auch gerecht gemacht; die
er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht (Röm 8.28-30)."
(Quelle: Dr. S. Bonk
in: "Bote von Fatima" Jgg. 76/Nr. 2, März/April 2018, S. 21-23, IMR
Regensburg)