Wenn wir den Altar betrachten, auf dem wir das Opfer Christi darbringen,
da ahnen wir etwas davon, dass Christus ein König ist. Die Kirchen,
vor allem die Kirchen aus der Zeit des Barock und des Rokoko, sind wie
Königssäle geschmückt. Der Hochaltar ist der Königsthron,
für den Herrn errichtet, Stufen führen hinauf, Teppiche und Tücher
sind ausgebreitet, Kerzen leuchten, Blumen duften, und im Kirchenraum drängt
sich das gläubige Volk, um Christus den Königsdienst, den Ehrendienst
des Königs zu erweisen. Christus ist König über sein Volk. Einst war es nicht so. Da stand der Herr gebunden vor dem römischen
Statthalter. So wenig königlich war sein Auftreten, dass der Statthalter
ihn fragte: „Bist du - die Jammergestalt! - bist du der König der
Juden?" Er war von den Juden als Nebenbuhler des Kaisers verklagt worden,
doch sie wussten genau, dass Jesus dem Kaiser keine Konkurrenz machte.
Er hatte doch gesagt: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und gebt Gott,
was Gottes ist!" Auch Pilatus wäre nie auf den Gedanken gekommen,
Jesus zu verhaften oder als Nebenbuhler seines kaiserlichen Herrn zu betrachten,
wenn die Juden ihn nicht ihm unter politischer Anklage vorgeführt
hätten. Deswegen fragt er den Herrn, und der Herr antwortet mit einer
Gegenfrage: „Sagst du das aus dir selbst, oder haben es dir andere von
mir berichtet?" In der Tat, Pilatus war nur das Sprachrohr der Juden. Sie
hatten Jesus als einen Thronprätendenten, als einen, der Anwartschaft
auf den Thron erhebt, vorgestellt. Er selber musste wissen durch seine
Spione und Zuträger, die er im Lande hatte, dass Jesus ihm nicht gefährlich
werden konnte, dass er keine Königsansprüche erhoben hatte. Er
entzog sich ja dem Volke, als es ihn zum König machen wollte. Freilich
tat er Wundertaten und predigte, wie jemand noch nie gepredigt hatte. Was war dieser Jesus für ein Mensch? Pilatus war sich unschlüssig.
Er wurde von den Seinen verehrt und von seinen Feinden verfolgt. Da erhebt
sich die Frage: Ist er ein König oder ist er keiner? Diese Frage ist
bis heute nicht verstummt, denn sein Auftreten, seine Herrschaft in der
Welt ist machtvoll und schwach zugleich. Machtvoll bei denen, die sich
seiner Herrschaft unterwerfen, die seinem Willen folgen, die sein Gebot
ernst nehmen. Wie viele sind bereit, für ihn Gesundheit, Freiheit,
ja das Leben zu opfern! Solche Menschen gibt es doch und hat es gegeben
und wird es immer geben. Und dennoch ist sein Reich auch schwach. Man kann
über ihn herfallen, über seine Stellvertreter, den Papst und
die Bischöfe. Man kann seine Altäre schänden, man kann seine
Tabernakel berauben, man kann das Allerheiligste zertreten, das alles ist
möglich. Hat sich der Herr selbst zu dieser Wehrlosigkeit verurteilt?
Warum verzichtet er darauf, seine Königsmacht unter den Menschen zu
offenbaren? Wäre das nicht auch für unseren Glauben eine starke
Hilfe, wenn wir sehen, dass er sein Zepter nicht nur in der Hand hält,
sondern auch damit regiert? Pilatus kennt sich nicht aus. Deswegen seine barsche Antwort: „Bin
ich denn ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überliefert.
Was hast du getan?" Jetzt gibt der Herr Auskunft über sein Reich:
„Mein Reich" - er hat ein Reich! - „ist nicht von dieser Welt. Wäre
mein Reich von dieser Welt, dann würden meine Diener kämpfen,
und ich wäre nicht den Juden überliefert worden. Nun aber ist
mein Reich nicht von hier." Er ist ein König. Er hat ein Reich. Und
zwar ein Reich, das mit keinem irdischen Reich in Vergleich treten kann.
Denn sein Reich umfasst die ganze Welt. Alles ist ihm unterworfen im Himmel
und auf Erden, Throne, sichtbare Herrschaften und unsichtbare, alles ist
durch ihn und für ihn geschaffen. Er ist vor allem, und alles hat
in ihm seinen Bestand. Christus ist tatsächlich der König der
Könige. Er ist der Herr der Welt. Er ist deswegen König, weil
Gott ihm als Menschen, dem Jesus von Nazareth, weil Gott ihm als Menschen
an Gewalt und Macht und Würde alles verlieh, was nur immer die Menschennatur
zu fassen vermag. Ihm übergab er die Herrschaft über die ganze
Welt. Christus ist Herr der Welt! Alles ist seiner Gewalt unterworfen, wenn ihm auch hinsichtlich
der Ausübung noch nicht alles unterworfen ist. Denn er hat den Menschen
mit freiem Willen ausgestattet. Von ihm wollte er, dass er sich ihm frei
unterwerfe. Die Natur muss ihm gehorchen; die Tiere und die Pflanzen und
die Steine müssen ihm gehorchen. Sie sind gehorsam den Gesetzen, die
er in sie gelegt hat. Aber dem Menschen hat er es überlassen, ihm
zu folgen, wenn er mit seinem Willen mit ihm übereinstimmt. „Mir ist
alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden." Das Wort gilt, aber er will
auch, dass diese Gewalt von den Menschen anerkannt wird, dass sie ihm freiwillig
den Gehorsam leisten, den er von ihnen erwartet. Er ist ein wirklicher
König, er ist kein Schattenkönig. Er will in jeder einzelnen
Seele seine Herrschaft aufrichten. Aber er regiert die Welt so, dass die
vernünftigen Geschöpfe aufgerufen sind, sich freiwillig seiner
Herrschaft zu unterwerfen. Und diese freiwillige Unterwerfung nennen wir
Glauben. Wer seine Herrschaft anerkennt, der glaubt. Wenn immer ein Mensch
im Glauben sich dem Herrn zuwendet, da lässt er Christus über
sich König werden. Und solche Menschen hat es doch gegeben und gibt
es auch heute noch. Nicht nur die Heiligen, die bis zum letzten Atemzug
ihm gedient haben, auch die anderen Menschen, die sich bemühen, seinen
Willen zu erfüllen, lassen sein Königtum über sich aufgehen.
Wenn sie seine Ordnungen und Gesetze anerkennen, dann zeigen sie, dass
sie diesem König unterworfen sein wollen. Und in diesen Menschen wird Christi Reich offenbart, ein Reich der
Wahrheit, ein Reich der Liebe. Das hat Pilatus begriffen. Und deswegen
sagt er: „Du bist also doch ein König?" „Ja, du sagst es, ich bin
ein König. Dazu bin ich geboren und in die Welt gekommen, dass ich
der Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf
meine Stimme." Ein König der Wahrheit. Wahrheit ist die offenbare Wirklichkeit
Gottes. Die Wahrheit ist das Gesetz des Reiches unseres Heilandes. In der
Wahrheit sollen wir uns finden, und in der Wahrheit sollen wir beharren.
In der Wahrheit, die wir aussprechen in unseren Glaubensbekenntnissen und
in unseren Gebeten und in unserem Gottesdienst. In dieser Wahrheit sollen
wir uns dem König Christus unterwerfen. Dadurch, dass er Zeugnis gibt
von seiner Wahrheit, will er seine Königsherrschaft in der Welt durchsetzen
und aufrichten. In jedem Menschen lebt die Sehnsucht nach Wahrheit, wenn auch manchmal
verschüttet und verborgen, vergraben unter Wünschen und Sehnsüchten
anderer Art. Aber grundsätzlich lebt in jedem Menschen die Sehnsucht
nach der Wahrheit. Alle Menschen sollten dieser Sehnsucht nachgeben und
sich zur Wahrheit bekennen und so zum Herrn der Wahrheit finden. Aber der
Herr hat einen Widersacher. Wir nennen ihn den Satan. Er
blendet die Menschen. Er blendet sie mit den Schätzen der
Erde, mit den Lüsten der Erde, mit den Verführungen der Erde.
Und so gibt es eben - Gott sei es geklagt - Menschen, denen an der Wahrheit
wenig gelegen ist. Ein weiser Mann hat einmal das schreckliche Wort gesagt:
„Die Wahrheit ist den meisten Menschen das Gleichgültigste." Ein furchtbares
Wort: Die Wahrheit ist den meisten Menschen das Gleichgültigste. Was
ist ihnen denn dann nicht gleichgültig? Nun, das Leben, das Genießen,
die Bequemlichkeit, das ist ihnen nicht gleichgültig. Aber die Wahrheit
ist den meisten Menschen das Gleichgültigste. Und so müssen wir sie aufrufen, auf die Stimme der Wahrheit
zu hören. Wir müssen sie bewegen, zum Herrn der Wahrheit zu finden.
Wir müssen sie einladen, in das Reich der Wahrheit einzutreten, sich
an Christi Seite zu stellen, nicht nur sich seiner Wahrheit zu unterwerfen,
sondern auch ein Herold der Wahrheit zu werden, die Wahrheit zu verbreiten,
sich nicht zu fürchten. Keine schwarzen Angsthasen, meine lieben Freunde,
sondern mutige Bekenner der Wahrheit, das wollen wir sein. Dann sind wir
seine Bannerträger, dann herrscht Christus auch durch uns auf dieser
Erde. Und wenn er einmal seine Herrschaft sichtbar und unübersehbar
antreten wird, dann wird er denen die Krone geben, die für seine Wahrheit
eingetreten sind. (Quelle: "Erneuerung
in Christus", Heft Nr. 7/8-2019, S. 3-5 , Gaming)
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