Die
heilige Ursula, Jungfrau und Märtyrerin mit ihrer Gesellschaft
Zu
Köln am Rhein, der echt katholischen Stadt, wurden die Beine der
heiligen Drei Könige im weltberühmten Dome ihre Ruhestätte
gefunden und war der heilige Maternus, ein Schüler des heiligen
Apostel Petrus, der die erste christliche Gemeinde gebildet, ruhen auch
in einer ehrwürdigen Kirche, in einem kostbaren Schreine bei der
heiligen Ursula und ihrer Gefährtinnen. Am Rhein auf und abwärts, ja
in ganz Deutschland ist der Name dieser jungfräulichen Heldin
bekannt, und alle Künste haben seit Jahrhunderten gewetteifert,
diesen glorwürdigen Namen zu verherrlichen. Die Legende erzählt von
ihr folgendes:
In
Britannien lebte einst ein mächtiger König, die Dionok oder
Dionetheus genannt. Ihm dienten viele reiche Grafen und Herren und er
war gerne gesehen im Nordland und in den Inseln weit umher. Denn er
war ein frommer Christ und ein guter Herr für seine Untertanen. An
seiner Seite lebte als eheliche Hausfrau die gottselige Dairen und
beide führten ein heiligmäßiges Leben. Sie begehrten allein dem
Herrn zu gefallen und ihrer Untertanen Glück zu fördern, nur ein
heimlicher Kummer lag schwer auf ihrem Herzen, den sie öfters dem
Herrn vortrugen im stillen Kämmerlein. Sie waren nämlich ohne
Leibeserben und ihre Krone sollten fremde Hände bekommen. Sieben
Jahre leben sie fruchtlos um ein Kind; endlich genas die fromme
Dairen eines gesunden, freundlichen Töchterleins, dem sie in der
heiligen Taufe den Namen Ursula, d.h. „die Bärenstreiterin“
gaben. Es hatte nämlich der Königin sofort geträumt, sie sehe eine
starke, gewappnete Jungfrau im wilden Walde mit Bären und reißenden
Tieren im harten Streite; dies deuteten ihre Hofkapläne als des
Kindleins einstiges Schicksal. Wundersam wuchs das Mägdlein empor,
sanft und mild war sein Herz, stark sein Geist; ihre jungfräuliche
Schönheit entfaltete sich gleich der Rose wunderbar. Bald ging der
Ruf durch die Länder, daß an des Königs Dionoks von England Hof
eine Jungfrau blühe, der keine weit und breit an Schönheit und
Züchtigkeit zu vergleichen wäre. Es zog deshalb von nah und fern
Fürsten und Prinzen an des Königs Hof, und warben um die Hand der
holden Maid. Sie aber schaute keinen an; denn ein höherer Fürst und
Herr als sie alle hatte bereits ihr Herz gewonnen, der Schönste
und Herrlichste unter den Menschenkindern, der Mächtigste im Himmel
und auf Erden, des ewigen Vaters und Königs Sohn, unser lieber Herr
Jesus Christus. Ihm hatte sie von Kindheit an das Herz geweiht,
seiner keuschen Liebe sich vermählt für alle Zeit.
Da
geschah es, daß der mächtige Fürst von Umorika in der heutigen
Bretagne in Frankreich, Conan mit Namen, um die Hand der blühenden
Jungfrau anhielt. Er war in Irlands grünen Gefilden geboren, und
groß an Macht und gewaltig an Vasallen zu Fuß und zu Roß. Mit dem
römischen Feldherrn Maximus, der sich gegen Kaiser Gratian empört
und sich an dessen Stelle zum Kaiser hatte ausrufen lassen, war er
nach Gallien, dem heutigen Frankreich, gezogen und half ihm mit
seinen Kriegen die Schlacht gewinnen, in der Gratian besiegt wurde.
Zum Danke gab Maximus ihm und seinen Leuten das Land Umerika zum
Geschenke. Conan ließ sich in der Stadt Nantes nieder und wählte es
zu seinem Herrschersitze. Noch stand ihm keine Gemahlin zur Seite und
auch seine Mannen waren noch unbeweibt. An den Töchtern des Landes
hatten sie kein Wohlgefallen, denn diese waren noch dem heiligen
Götzendienst ergeben, sie aber waren Christen und wollten nur eine
christliche Jungfrau zum Altare führen. Conan hatte schon öfters
von des Königs Dionoks Tochter gehört, daß sie schön sei und
züchtig, fromm und gottesfürchtig, und daß auch die Töchter
Englands dem Heilande dienen in keuscher Zucht und Ehre. Deshalb
ordnete er feierlich eine Gesandtschaft ab an Dionoks Hof, auf daß
sie für ihn um Ursula’s Hand freieten und für seine Kriegsmannen
aus den Töchtern des Landes züchtige Frauen wählten. Heftig
erschrak die bräutliche Jungfrau, als sie aus dem Munde des Vaters
vernahm, daß sie des Königs von Umorika eheliche Gemahlin werden
sollte. Mit Tränen bat sie den Vater, er möge ihre jungen Tage
schonen und mit ihren Gespielinnen sie die schöne Zeit ihrer Jugend
noch genießen lassen. Vergeblich war ihr Flehen; der Vater und
König, dem unbekannt war seiner Tochter heilig Gelübde, das sie dem
Herrn gemacht, verlangte Gehorsam von ihr, und Ursula beugte
schweigend das Haupt und gab sich in den Willen des Vaters. Da gab es
viel Trauer und Tränen am Hof, auch viel Trauer unter den Jungfrauen
des Landes, die mit Ursula ziehen sollten nach Umerikas Fluren, um
unbekannten Männern ihre Hand zu reichen. Doch Ursula baute fest auf
ihres göttlichen Bräutigams Hilfe. Es sagte ihr eine geheime
Stimme, der Herr Jesus Christ, dem sie Hand und Herz geweiht, werde
es nicht zugeben, daß sie ihr Gelübde breche und je eines Mannes
Hand ihren jungfräulichen Leib berühre. Während der Brautschatz
von der sorgsamen Mutter bereitet und Schiffe zugerichtet wurden,
welche Ursula und 11.000 Jungfrauen des Landes, darunter ihre
Gespielinnen, Cordula, Pimosa, Kunera und Christina, nach Umerika
übers Meer führen sollten, betet die fromme Jungfrau unausgesetzt
zu dem Geliebten ihres Herzens, er möge sie schirmen mit starker
Hand und unbefleckt bewahren den Schatz ihre Jungfräulichkeit. Und
siehe, ihr Gebet ward erhört.
Schon
standen die Schiffe bereit, welche die Jungfrauen aufnehmen sollten,
schon waren alle Gaben, welche die Eltern ihren Töchtern zum
Brautschatz spendeten, geladen, schon machten sich die Schiffsknechte
daran, die Anker zu lichten. Die Segel waren gespannt, und ein
günstiger Wind hob sich vom Lande her, aber noch lag die heilige
Ursula in den Armen ihre geliebten Eltern, von denen sich zu trennen
ihr so hart ankam; noch schmerzlicher aber war ihr der Gedanke, einem
Manne die Hand zu reichen und so ihrem göttlichen Bräutigam untreu
zu werden. Laut schluchzten und weinten die Jungfrauen, welche mit
Ursula das geliebte Vaterland und Vaterhaus verlassen sollten. Ein
solcher Jammer ward wohl selten gehört und gesehen. Endlich ermannte
sich die starke Jungfrau, und zum Himmel emporblickend, wo sie allein
Hilfe suchte, warf sie sich auf die Knie nieder vor ihren Eltern und
bat um ihren Segen. Von diesem Segen neu gestärkt, erhob sich Ursula
mutig und schritt umgeben von der Schar der Jungfrauen dem Meeresufer
zu. Nochmal umarmte sie die guten Eltern, dankte ihnen für ihre
Liebe und, das letzte Lebewohl ihnen zurufend, bestieg sie das Schiff
mit Cordula, Mimoza, Kunera und Christina, die nicht von ihrer Seite
wichen. Andere Schiffe nahmen die übrigen Jungfrauen auf, die selbst
zum Ruder griffen, und unter dem Schutze der Himmelskönigin Maria,
von der heiligen Kirche der Stern des Meeres genannt, ihre Meerfahrt
mutig antraten. Ein günstiger Wind schwellte die Segel; die Ruder,
von der Jungfrau Hand kräftig geführt, trieben pfeilschnell die
Schiffe über die Meeresfläche; bald war das teure Vaterland ihren
Augen entschwunden. Weit umher sahen sie nichts mehr als Himmel und
Wasser. Anfangs ging die Fahrt ruhig dahin, schon glaubten sie nicht
ferne vom Ziele zu sein; Aber siehe, da zeigen sich am fernen
Himmelsraume schwarze Wolken, und die schwüle Luft deutet auf Sturm
und Wetter. Immer dunkler werden die Wolken, immer näher ziehen sie
heran. Da wurde den Jungfrauen Angst und Bange, doch Vertrauen auf
der heiligsten Jungfrau Maria Fürbitte, überließen sie sich ruhig
der Hand des Herrn, der den Stürmen und Wellen gebietet. Schon
leuchten die Blitze durch die Luft, schon rollte der Donner, schon
hörte man das Brausen des nahenden Sturmes, die empörten Wogen
ergriffen die Schiffe und rissen sie fort. Die schwachen, ermatteten
Hände der Jungfrauen ließen die Ruder fallen; alle fielen auf die
Knie und beteten. Finsternis umgab sie, nichts sah man als der Blitze
Feuer, nichts hörte man als das Rollen des Donners, das Brausen des
Sturmes und das Seufzen der Jungfrauen. Die Schiffe trieben
pfeilschnell dahin. Endlich nach einigen Stunden schrecklicher Fahrt
ließ der Sturm nach, die Wolken verzogen sich allmählich und in der
Ferne zeigte sich Land; dahin nun trieben die Schiffe. Allein statt
Umorikas liebliche Ufer sehen die Jungfrauen das kahle Gestade eines
unbekannten Landes. Sie landen, steigen aus, aber niemand empfängt
sie; fremde Menschen zeigen sich ihren Augen, eine fremde Sprache
hört ihr Ohr; der Sturm hatte sie an die Küste von Niederland
getrieben. Ratlos, was sie tun sollten, besteigen sie wieder ihre
Schiffe und fahren den Rheinstrom hinauf, um auf einer anderen Seite
nach Umorika zu kommen. Um diese Zeit waren die Hunnen, ein wildes,
dem finsteren Heidentum ergebenes Volk, von Mitternacht her sengend
und brennend in Deutschlands Auen eingebrochen und umlagerten die
christliche Stadt Köln am Rhein. Die Stadt aber war fest und ihre
Bürger, tapfere Männer, werden sich die Feinde mit feurigem Mute.
Viele Monate lagen die wilden Krieger in ihren Gezelten von
Tierhäuten und bewachten jeden Ausgang aus der Stadt, hoffend, sie
doch noch zu bezwingen. Die Wellen des Rheines, an dessen Ufern die
Stadt gebaut war, trugen derweilen die Schiffe der Jungfrauen, die
freudig den Strom aufwärts fuhren. Jetzt kam Ihnen die heilige Stadt
zu Gesicht, wie jauchzte da ihr Herz. Jetzt landen sie an, steigen
aus und ziehen zur Stadt, aber wie erschrecken sie, als sie mit
Entsetzen die Zelte der Hunnen zu Tausenden stehen sehen, als sie die
grausen Gesichter dieser rachedürstenden Krieger erblicken. Sie
wollen eilig die Flucht ergreifen, allein zu spät. Schon haben die
entsetzlichen Männer sie erblickt und stürzen mit wilder Begierde
auf sie los. Jetzt sind die Jungfrauen umringt, und mit wildem,
gottlosen Spotte werden sie ergriffen, um der bösen Leidenschaft als
Opfer zu fallen. Da erhob sich unter den heiligen Mädchen ein großes
Wehklagen, angsterfüllt erheben sie ihre Hände zum Himmel und
flehen nur um dies eine: Gott wolle ihre Unschuld vor Schmach und
Verderben schirmen, gerne wollen sie des schmerzvollsten Martertodes
sterben. Eng klammern sie sich aneinander, auf dem feuchten
Rasengrunde liegen sie auf den Knien und seufzen und weinen.
Vergeblich ist der Heiden Wüten und Drohen, die heilige Ursula tritt
ihnen mutig entgegen, weist sie mit Blick und Wort hinweg. Da
ergrimmen die verwilderten Menschen, sie spannen ihre Bogen und ein
Hagel voll Pfeilen fällt auf die jungfräuliche Schar und durchbohrt
ihre reinen Herzen. In Strömen fließt das Blut, bald liegen 1000
Leichen rings umher, bleich und kalt, noch schwesterlich umschlungen,
ihre weißen Kleider vom Blute besprengt. Als das Blutbad seinen
Anfang genommen, hatten die Jungfrauen einen engen Kreis um die
Königstochter Ursula, ihre Führerin und Herrin, geschlossen. Sie
wollten sie mit ihren eigenen Leibern schützen vor den mörderischen
Pfeilen der Gottlosen. Da nun alle ihre Genossinnen hingesunken
waren, getroffen vom schwirrenden Pfeil, stand die hohe, erlauchte
Jungfrau einsam da, Augen und Hände zum Himmel erhoben. Wundersam
war ihr Anblick, himmlischer Glanz erhob ihre Schönheit. So sah sie
von der Ferne der Hunnenfürst und entbrannt von wilder Leidenschaft,
sprengt er hoch zu Pferd zur Jungfrau und verheißt ihr Rettung ja er
bietet ihr sogar seine Hand und seinen Königsthron an, wenn sie sich
ihm ergeben würde. Aber die Jungfrau, vom heiligen Zorne entflammt,
straft ihn mit ernsten Worten und spricht: „Einem Knecht der
Finsternis, einem Mann des Blutes, der nur Feuer und Schwert liebe,
könne sie nie zu eigen werden.“ Da ergreift den wütenden Hunnen
grausame Mordlust, er reitet die heilige Jungfrau nieder und stößt
ihr den Speer tief in die jungfräuliche Brust. Aufblickend zum
Himmel stirbt die heilige Ursula und ihre reine Seele fliegt freudig
dem göttlichen Bräutigam entgegen, um dort im Reiche seines Vaters
ewig mit ihm vereint zu sein in süßester Liebe. Eine von den
Gespielinnen der Heiligen, die jüngste von allen, Cordula, hat sich
in einem der Schiffe während des Blutbades versteckt. Als nun alles
ruhig geworden ringsum, da erhob sie schüchtern das Haupt und eilte
in das Freie. Aber welch ein Schrecken ergriff sie, als sie weit
umher den Boden getränkt sieht mit Blut und alle ihre Freundinnen
wie Blumen niedergemäht sieht von der Hand des Todes. Sie weint, sie
klagt und tiefe Reue ergreift sie, daß sie durch furchtsame Flucht
nicht teilhaftig geworden der schönen Märtyrer Krone. Doch was sie
noch nicht hatte, das konnte sie ja noch erringen. Sie eilt in das
Lager der Hunnen, stürzt los auf die Wachen, entreißt einem der
Krieger das Schwert, seine Genossen aber eilen ihm zu Hilfe und ein
Pfeilschuß streckt die kühne Jungfrau zu Boden. So stirbt auch die
heilige Cordula, damit keine fehle von den 11.000 Jungfrauen, die
sich der himmlische Bräutigam gewählt zu teilen seine Herrlichkeit.
Gott läßt das Blut seiner Heiligen nicht ungerächt und unbezeugt.
In der Nacht nach dem Martertume der Jungfrauen erhob sich ein
sonderbares Getümmel im Lager der Hunnen. Zahllose Kriegsheere
schienen gegen dasselbe anzurücken. Im namenlosen Schrecken fliehen
die Heiden, verlassen ihr Lager und suchen auf ihren schnellen Rossen
über die Rheinbrücke zu entkommen. Viele Tausende stürzen in den
Strom und ertrinken. Morgens früh sehen verwundert die Bürger der
Stadt Köln das Lager der Feinde leer und die Umgegend verlassen.
Vorsichtig senden Sie Späher aus, um zu forschen, ob die Feinde
geflohen, und als sie die Kunde erhielten, das Lager der Heiden sei
leer, öffnen Sie die Tore und jubelnd eilt das Volk dem Lager zu.
Aber welche Wehmut erfaßt ihr Herz, als sie eine zahllose Schar von
Jungfrauen im Blute bleich und kalt von Pfeilen durchbohrt rings
umher liegen sahen. Doch bald ermannten sie sich; sie ahnen, daß
diese Jungfrauen gefallen seien dem Heiland zum Opfer, der Unschuld
zur Verherrlichung. Aus Baumästen und Weiden flechten sie schnell
Tragbaren zusammen und tragen, Psalmen und heilige Lieder singend,
die heilige Leichname in die Stadt, wo sie dieselben auf einem
eigenen Friedhof bestatten und ein Kirchlein darüber bauen, denn
bald hatten sie den Namen der Königstochter Ursula und ihr und ihrer
Gesellinnen Geschick erfahren. Da nun der liebe Gott auch die Gräber
der heiligen Jungfrauen mit vielen Wunden verherrlichte und Kaufleute
von Köln in ferne Gegenden die Kunde hiervon brachten, zogen
zahlreiche Pilger zur heiligen Stadt und beteten auf dem Grabe der
Heiligen. Vom Morgenlande her kam auch ein weißer und gottseliger
Mann, Klematius mit Namen, die Heiligtümer zu besuchen. sich
erfreuend am Glauben und an der Frömmigkeit der Bürger von Köln,
ließ er sich da für immer nieder und erbaute Kirche und Kloster zu
Ehren von Sankt Ursula und ihrer Gesellinnen. Dies geschah im vierten
Jahrhundert. Mit der Zeit aber, da die Völker wanderten, und Städte
und Dörfer in Schutt und Asche fielen, wurden auch die beiden
Rheinstädte Köln und Trier schwer heimgesucht. Die Städte erhoben
sich wieder aus dem Schutte, aber das Andenken an die alte Zeit und
Geschichte erlosch allmählich aus den Gemütern, auch der Kirchhof
von Sankt Ursula war fast ganz vergessen. Da begab es sich, daß der
heilige Kunibert, Erzbischof in Köln, im Jahre des Herrn 640 wieder
recht innig Sankt Ursulas gedachte und sie als Schutzpatronin der
Stadt anrief. Als er einst die Messe feierte im Chor des Münsters,
flog vom Gewölbe eine blendend weiße Taube auf das Erzbischofs Hand
darnieder, von da weg flatterte sie auf ein Grab an der
Kirchenmauer, und verschwand dort im hellen Glanze zerfließend.
Sogleich ließ der heilige Kirchenfürst die Haue ansetzen und
graben, und die Gebeine der Heiligen erschienen wohlbehalten in
tiefer Gruft. Nebenan lag eine Bleiplatte mit dem Namen und der
Erzählung des Martertums der Jungfrauen. Die heiligen Überreste
wurden feierlich erhoben und in einer reichen, wundersam
ausgetäfelten Kapelle im Andenken und der Verehrung der christlichen
Jahrhunderte aufbewahrt. Dort ruhen sie bis heute und noch jetzt
wallen viele Pilger zu diesem Heiligtum und preisen Gottes Macht und
Güte und der heiligen Jungfrauen Ursula und ihrer Gesellinnen
glorreichen Sieg für die Unschuld und Reinigkeit.
Ehe
und Jungfrauschaft in der Katholischen Kirche
Die
heilige Ursula hätte die besten Aussichten gehabt auf eine
glückliche Ehe. Sie war reich, schön, vom hohen Stande, ein
christlicher Mann freite um ihre Hand, der sie liebte und ihr Herz
und Krone anbot, und dennoch verschmähte sie all dies vermeintliche
hohe Glück und hielt treu an ihrem Vorsatz und Gelübde, dem
göttlichen Heiland eine keusche Braut zu sein und so bleiben bis zum
Tode. Was sie dem Herrn gelobt hatte, das besiegelte sie mit ihrem
Blut und trug so einen doppelten Sieg und eine zweifache Krone, die
der Jungfrauschaft und der
Martyrerschaft, davon, Dieses Benehmen der heiligen Königstochter
ist freilich denen unbegreiflich, die, fleischlich gesinnt, nicht
wissen, was des Geistes ist, besonders denen, welche außerhalb
unserer heiligen Katholischen Kirche stehen. Diesen ist der hohe
Begriff der jungfräulichen Würde ganz abhanden gekommen; sie
wollen, ja sie können nicht verstehen, wie es möglich ist, daß ein
Jüngling, ein Jungfrau um des Herrn Jesus willen der Ehe entsagen
und freiwillig auch der erlaubten und von Gott selbst zugelassenen
ehelichen Freuden sich entschlagen können. Sie wagen es, die Ehe
über das jungfräuliche Leben zu setzen, und halten es für ein
Unglück, wenn eine Jungfrau keine Versorgung, wie sie sagen,
bekommt.
Diese
unsinnige, der Lehre Jesu und seiner heiligen Apostel, ja der Meinung
des Ganzen restlichen Altertums entgegenstehende Behauptung verwirft
die heilige Katholische Kirche. Sie lehrt, daß die Ehe ein Sakrament
sei, eingesetzt von Christo dem Herrn, sie ehrt mit dem heiligen
Apostel Paulus die Ehe als ein großes Geheimnis, sie dringt mit
aller Macht auf die Heilighaltung der Ehe, sie lehrt, daß die Ehe
sei ein Gnadenmittel des Himmels zur rechtmäßigen Fortpflanzung des
Menschengeschlechtes, zur Bezähmung der fleischlichen Begierlichkeit
für die, welche zur Enthaltsamkeit keinen Beruf haben, zur Erziehung
der Kinder zu Bürgern des Himmels. Sie betrachtet die Ehe als ein
Sinnbild der unsichtbaren Vermählung Jesu mit der Kirche, seiner
geliebten Braut; sie achtet also die Ehe als eine heilige Einrichtung
ihres göttlichen Meisters hoch und hat die ketzerliche Lehre
derjenigen, welche die Ehe verworfen, mit dem heiligen Apostel Paulus
(1 Tim 4) als eine Teufelslehre gebrandmarkt; aber die Katholische
Kirche lehrt auch, daß die stete Jungfrauschaft oder immerwährende
Keuschheit weit erhabener sei als die Ehe, und daß sie nicht genug
gelobt und gepriesen und empfohlen werden kann. Die Katholische
Kirche gründet ihre Lehre auf das Wort Christi selbst, der die
Ehelosigkeit für alle, die nach der Vollkommenheit streben,
ausdrücklich angeraten hat. Denn als er einst feierlich erklärte,
daß das Eheband unzertrennlich sei, riefen die Apostel aus: „Wenn
die Sache des Mannes mit seinem Weibe sich so verhält, so ist nicht
gut heiraten.“ Jesus aber entgegnete: „Nicht alle fassen dieses
Wort, sondern denen es gegeben ist“, denn einige enthalten sich der
Ehe, weil sie vom Mutterleib so geboren sind; andere, weil sie von
den Menschen hierzu gebracht werden; und es gibt noch andere, die um
des Himmels willen freiwillig der Ehe entsagen. Wer es fassen kann,
der fasse es.“ (Mt 19).
Der
Heiland will aber mit den Worten: „Wer es fassen kann, der fasse
es“, sagen: „Wem von Gott die Gnade der Enthaltsamkeit verliehen
ist.“ Sie wird aber, bemerkt der heilige Hieronymus, denen
verliehen, die sie begehren, die sich um sie bekümmern, wie dies
auch die heilige Ursula getan hat.
Was
Christus, der Herr, mit kurzen Worten angedeutet, das lehrt
vollständig und deutlich der heilige Paulus im ersten Brief an die
Korinther, im siebten Kapitel. Er schreibt ausdrücklich, daß er
wünsche, die Christen mögen so sein wie er, d.h. unverehelicht; daß
es gut sei, wenn sie so bleiben, wie er, und daß der besser tut,
welche eine Jungfrau nicht verheiratet. Er stellt die Enthaltsamkeit
von der Ehe nicht als Gebot auf, sondern als einen Rat für die,
welche vollkommen werden wollen, und erhebt eben damit die
jungfräuliche
Enthaltsamkeit
über die Ehe.
Mit ihm stimmen auch alle heiligen Väter der Kirche über ein,
welche die stete Jungfrauschaft mit allen denkbaren Lobsprüchen
erheben. Der heilige Cyprian nennt die Jungfrauen, welche sich der
Ehe enthalten, die Blüten unter den Früchten der Kirche, die Zierde
und den Schmuck der Gnade, den edelsten und herrlichsten Teil der
Herde Christie. Der heilige Apostel- schüler Ignatius will, daß man
diejenigen, welche im jungfräulichen Stande leben, ehre wie die
Priester Christi. Der Augustinus und Hieronymus bezeichneten die
enthaltsamen Jungfrauen als irdische Engel; ja der heilige
Chrysostomus und Bernhard erheben sie noch über die Engel. „Die
Jungfrauschaft“, sagt der heilige Chrysostomus, „übertrifft den
Ehestand umso viel, als der Himmel über die Erde steht, als die
Engel über den Menschen. Auch noch Größeres muß ich sagen. Die
Engel sind sehr rein, das ist gewiß, aber diese Reinigkeit ist eine
Eigenheit ihre Natur. Die Engel sind nicht aus Fleisch und Blut
zusammengesetzt; überdies leben sie nicht auf der Erde, sie haben
keine Versuchungen, … während die keusche Seele ihre Reinheit
selbst bewahrt, obwohl sie von Feinden bedrängt und angefallen wird,
und sich festhält gegen alle Versuchungen, widersteht und siegt.
Deshalb sind auch die Jungfrauen schätzenswerter, reicher an
Verdiensten, der Bewunderung und des Lobes würdiger.“ (denn die
Engel.)
Willst
du aber die Vortrefflichkeit der Jungfrauschaft noch besser erkennen,
so sieh hin auf das Vorbild aller jungfräulichen Seelen, auf Maria,
die reinste Gottesmutter und Jungfrau, auf den Heiligen Josef, auch
den heiligen Johannes den Täufer, den Christus einen Engel nennt,
auf Johannes den Apostel. – Mehrere Apostel hatten zwar Frauen,
aber sie hatten dieselben genommen, da sie das Evangelium noch nicht
kannten; aufgenommen in das Apostelamt, sagten sie sich alsbald von
der ehelichen Pflicht los und lebten enthaltsam. Nach diesen großen
und erhabenen Beispielen haben Tausende und Tausende beiderlei
Geschlechts, zuweilen sogar im Ehestande, sich Gott in ewiger
Jungfräulichkeit geweiht, und sich von diesem heiligen Entschlusse
durch kein Abreden weltlich gesinnter Anverwandten, nicht durch
verkehrte Meinung der Welt, nicht durch Sport und Hohn und durch
keine Qual und Pein abbringen lassen. Ja Tausende und Tausende haben,
wie die heilige Ursula und ihre Gesellen, das Kleid ihrer
Jungfräulichkeit sogar noch mit den herrlichen Rosen des blutigen
Martertums geschmückt und sich ewigen Ruhm bei Gott und Menschen
errungen. So schätze denn auch du, lieber Leser, wessen Standes du
auch sein magst, hoch die Jungfrauschaft. Wehe einem Volke, in
welchem der Sinn für Jungfräulichkeit verschwunden ist; ein solches
Volk ist reif für den Untergang! Darum auch in unserer Zeit so
großes Elend unter dem Volke, so großes Verderben unter der Jugend,
so traurige Wahrnehmungen unter den Verehelichten, weil man die
Jungfräulichkeit nicht mehr achtet. Jetzt will jeder Jüngling, jede
Jungfrau sich verehelichen und die Eltern glauben, es sei das größte
Glück für ihren Kinder, wenn sie Ihnen eine Heirat verschaffen
oder, wie sie sagen, eine Versorgung zuwegebringen. Und dort zeigt
die tägliche Erfahrung, daß unmöglich alle jungen Leute sich
verehelichen können, daß vielmehr eine große Zahl, von Umständen
gezwungen, unverehelicht bleiben muß. Was geschieht aber? Statt sich
in den Willen Gottes zu ergeben, statt den Herrn um die Gabe der
Enthaltsamkeit zu bitten, ja, statt dem Rufe Gottes, der an manches
junge Herz klopft, zu folgen und das jungfräuliche Leben um Jesu
willen zu wählen, geben sich viele der unreinen Lust hin und treten
das kostbare Kleinod der Jungfräulichkeit zu Füßen! Oh was für
traurige Folgen wird die Mißachtung der jungfräulichen Würde noch
nach sich ziehen! Nein, lieber Leser, du sollst nicht unter die Zahl
derer dich rechnen, welche das jungfräuliche Leben gering achten
oder gar verachten. Bist du eine Jungfrau, ein Jüngling, so rate ich
dir mit dem heiligen Apostel, sobald du einen Beruf in dir fühlst,
Jungfrau und Jüngling zu bleiben. Glaube nicht, daß es dir etwa
schlimmer geht, wenn du so allein durch das Leben wandelst, du bist
nicht allein, du bist nicht verlassen, Tausende gehen mit dir den
gleichen Weg, mit dir geht Jesus und Maria und Josef, und diese
verlassen dich nicht. Und wie herrlich wird deine Krone einst sein im
Himmel, wenn du ausharrest bis zum Ende! Bist du verehelicht, bist du
ein Vater oder eine Mutter, so rate ich dir: Pflege das reine,
keusche, jungfräuliche Leben unter deinen Kindern, flöße ihnen
eine recht innige Liebe zur Keuschheit, eine recht hohe Achtung vor
der Jungfräulichkeit ein und freue dich und danke Gott, wenn eines
deiner Kinder dem Herrn seine Jungfräulichkeit weihet. Kannst du es
dahin bringen, so trachte danach, daß deine erwachsenen Kinder den
Jungfrauen und Jünglingsbündnissen beitreten und auf diese Art der
Verführung der Welt entrinnen. Die Kirche bedarf der
Jungfräulichkeit wie der Leib des Markes in den Gebeinen, und
Christus, das Lamm Gottes, will Jungfrauen um sich haben, die ihm
ewiglich das immer neu Lied singen! Willst du nicht, daß der Wunsch
der heiligen Kirche, daß des Heilandes Wille geschehe?
Gebet:
Heilige Ursula, du Liebhaberin der schönen Jungfräulichkeit! Bitte
am Thron Gottes für die katholische Jugend, daß sie erkenne, welch
ein kostbarer Schatz die stete Jungfrauschaft ist, und um des Herrn
Jesu willen dieselbe sich erwähle zum Troste der heiligen Kirche und
zur Freude der Engel im Himmel. Amen.