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Was versteht man unter
»Himmelskunst«? - Und was ist ihre Aufgabe?
Unter »Himmelskunst«
versteht man die urchristliche Bauweise, wie sie uns in der ältesten
Lichtarchitektur der »Hagia Sophia« in Konstantinopel vor Augen
tritt. Dann im Kirchenbau der Gotik und in den Meisterwerken der tausendjährigen
christlichen Tradition. Dazu gehören die Kathedralen von Saint Denis
und Chartres in Frankreich.
»Aus Chartres
hat sich ein Strom von Licht-Metaphysik ergossen, der durch das ganze Mittelalter
weiterfließt und von den gotischen Bischofskirchen des 12. Jh. übernommen
wurde. (Hans Sedlmayr, Die Entstehung der Kathedrale, Akademiedruck und
Verlagsanstalt, Graz-Austria ) 315 601
Aufgabe dieser Kunst
Die urchristliche
»Himmelskunst« betrachtet es als ihre Aufgabe,
den Geist des Menschen
stufenweise
mit Hilfe aller Künste
vom sinnlich Schaubaren
nach oben zum sinnlich Unschaubaren
vom Sichtbaren - zum
Unsichtbaren zu führen.
Dem Glauben
dem Schauen
der Erhebung
dem Staunen
der heiligen Entrückung
zu dienen.
Und in diesem Sinne
- dem gläubigen Verlangen entgegenkommend, dem Menschen göttliches
Licht - den Himmel - und den König des Himmels zu zeigen.
I.
Das
Himmelslicht (wunderbares Licht)
Die gotische Kathedrale
hat
1. Eine Raum-Form,
die das Hauptlicht von oben empfangen soll.
Denn man erstrebt
eine geheimnisvolle Lichtfülle zur Verklärung des Raumes; ja,
auch die Wände sollen licht werden
durchscheinend
Licht hereinholend,
ja, Licht erzeugend.
2. Die sich wölbende
mit Fenstern versehene Wand holt mehr Licht in den Raum als die flache;
die durchfensterte
Apsis ist als Lichtfänger gedacht,
entsprechend dem Wunsch,
noch mehr Licht hereinzuholen. So besteht die Wand fast nur mehr aus leuchtenden
Flächen.
3. Dieses Licht ist
aber nicht das alltägliche Licht, wie das der weißen Fensterscheiben
unserer modernen Glasbauten.
Es hat einen besonderen
Charakter. Es ist Zeichen überirdischer Wirklichkeit. Es ist ein »wunderbares
Licht!«:
Es scheint nicht von
außen zu kommen,
sondern von den Fenstern
selbst auszustrahlen,
als ob die Mauer selbst
leuchtend geworden wäre.
Da die Glasfenster
selbst zu leuchten scheinen.
Eine ganz neue Fülle
des Lichtes
die von keiner irdischen
Quelle ausgeht.
II.
Den Himmel
Aufgabe der urchristlichen
»Himmelskunst« ist es, auch den Gläubigen schon hier auf
Erden eine Ahnung vom Himmel zu geben
durch die Kathedrale
selbst,
durch Baldachine
und durch die heilige
Liturgie.
Eine Ahnung vom Himmel.
1. Durch die Kathedrale
Sie selbst ist ein
Abbild des Himmels, der himmlischen Stadt mit Wänden leuchtend wie
Edelstein.
Erbaut aus Steinen,
die Gott
die Welt
und die Menschen abbildhaft vergegenwärtigen.
Die Kathedrale mit
ihren hochgeschobenen Gewölben
ihren hohen Trägern und Strebe-Pfeilern
und ihrem zauberhaften Licht soll
Erstens,
die Menschen in sich aufnehmen wie der Himmel die Seligen.
Zweitens, die Gläubigen
etwas vom Glanz und von der Pracht des Himmels erleben lassen.
Drittens, die
Menschen sollen, mit den Bewohnern des Himmels vereint, sich schon hier
auf Erden gleichsam in den Himmel versetzt fühlen. Der Himmel soll
auch dargestellt werden
2. Durch Baldachine
(Lichtkronen) Nach Angabe der Geheimen Offenbarung:
»Ich sah die
heilige Stadt herabschweben vom Himmel.«
Von allen uns bekannten
Darstellungen des himmlischen Jerusalem halten diese Lichtkronen sich am
getreuesten an die Angaben der Geheimen Offenbarung. Sie zeigen die himmlische
Stadt, die herabschwebt »wie eine Braut«.
Die großen Baldachine bedeuten den Himmel, oder richtiger »die
Himmel«. Noch heute heißen in unserer Volkssprache Baldachine
über Thronen »Thronhimmel«; und der in Prozessionen über
dem Allerheiligsten auf vier Stangen getragene Schirm: Trag-»Himmel«.
Ist die Kathedrale
- Abbild des Himmels, dann ist
3. Die heilige
Liturgie - Abbild der himmlischen Liturgie
Und der Mensch zugleich
mit den Engeln zum himmlischen Gottesdienst vereint. Eine Liturgie, die
durch das ganze Weltall geht,
an der Sonne,
Mond
und Sterne teilnehmen.
Die Feier der heiligen
Liturgie soll nicht nur erbauen; sie möchte von Herzen froh machen,
ja - einen Vorgeschmack des Himmels geben. In diesem Sinne spricht Augustinus:
»Im
Hause des Herrn ist ein immerwährendes Fest!
Ein
ewiges Fest - der Chor der Engel!
Die
Gegenwart Gottes Und das Schauen seines Angesichtes! - Freude ohne Unterlaß!«
Dieses Fest ist so geartet, daß es weder durch einen Anfang eröffnet; noch durch ein Ende geschlossen wird.« (Gamber, Gemeinsames Erbe, 113)
Papst Pius XL:
»Es ist wunderbar,
wie sehr bereits von den ältesten Zeiten an jene edlen Gesänge,
welche die heiligen Gebete und die Feier der heiligen Liturgie verschönerten,
zur Förderung der Frömmigkeit im Volk beigetragen haben.
In den alten Basiliken,
wo einst Bischof,
Klerus und Volk abwechselnd
das Lob Gottes sangen,
war es nicht zuletzt die Wirkung der liturgischen Gesänge, daß
Ungläubige in großer Zahl für das Christentum gewonnen
wurden, wie die Geschichte bezeugt.
So wurde der arianische Kaiser Valens angesichts der erhabenen Pracht der von einem heiligen Basilius gefeierten göttlichen Geheimnisse von ungewöhnlichem Staunen ergriffen, so daß er sich besiegt gab.
Die »Himmelskunst« zeigt uns auch
III.
Den König des Himmels
Als Braut des himmlischen
Königs sieht die Kirche den König des Himmels im Altarmysterium.
1. Die Kirche sieht
Jesus, den König des Himmels
Berühmte Zeugnisse
der Apostolischen Väter und des heiligen Franziskus. Erstens, Zeugnisse
der Apostolischen Väter:
Irenäus:
»Die Größe und Herrlichkeit
Gottes könnte kein Mensch schauen ohne zu sterben.« (Ex 33,20)
Der Mensch kann aus
eigener Kraft Gott nicht sehen. Gott aber
will sich Menschen zeigen:
Welchen er will
wann er will
und wie er will!
Die heilige Menschheit
Christi läßt er diejenigen schauen
die ihn lieben.
Sie dürfen Gott
schauen, wie die Propheten verkündet haben.« (Adv. haereses/4,
20, 5)
Ambrosius von Mailand:
»Die Hirten
eilten, das Wort zu sehen.
Denn, sieht man den Leib des Herrn
sieht man das Wort,
das Person ist!«
(Ambrosius von Mailand
II 83)
»Wir sehen
den Hohenpriester zu uns kommen!«
(Ambrosianische Liturgie)
P. lat. 14,1102
Johannes Mandakuni:
»Mit wahrem
Glauben wissen wir daß wir ihn schauen.«
»O Mensch, bedenk,
wo Du stehst! (bei der Feier der heiligen Liturgie)
Unter himmlischen
Mächten weilst Du! Christus schaust
Du!«
(Johannes Mandakuni
II 227 228)
Cyrill von Jerusalem:
»Stärke
Deine Seele mit dieser verklärten Speise und sei freudigen Herzens!
Mögest Du die
Herrlichkeit des Herrn
wie in einem Spiegel
schauen!
Und in dieser Herrlichkeit
von Stufe zu Stufe
wachsen in Christus
unserem Herrn! Ihm sei Ehre - Macht und Herrlichkeit
- in Ewigkeit!« (4. mystag.
Kat.)
Balläus:
»Niemand täusche sich! Hier ist der König! In das Gotteshaus
laßt uns gehen
um ihn zu schauen!
Die Gläubigen sehen Dich, wie Du in Deiner Krippe ruhst und wie Deine
Glorie auf Deine Windeln gewoben ist!«
Aus der Markus-Liturgie:
»Wahrhaft voll
ist Himmel und Erde von Deiner Herrlichkeit durch die Erscheinung unseres
Herrn Jesus Christus.«
Johannes Chrysostomus:
»Wenn wir mit
gläubigem Herzen hinzutreten werden wir ihn wirklich in der Krippe
sehen! Dieser Altar vertritt nämlich die Krippe.« (P.gr. 48,
753) Die Gläubigen können »mit
den Augen
die heilige Hostie
umarmen.« (P.gr. 49, 361)
In der Chrysostomus-Liturgie
trägt der Priester das Allerheiligste zur Kommunionspendung vor die
Gläubigen hin und ruft:
»Mit Ehrfurcht
-Glaube - und Liebe kommt herbei!« Die Gläubigen alle im Chor:
»Gepriesen! -
der da kommt - im
Namen des Herrn!
Gott ist der Herr!
Auch uns ist er
erschienen!«
Makarius von Ägypten:
»Denn das muß
man wissen, daß es außer diesen leiblichen Augen noch
ein inneres Schauen
gibt.
So schauen wir,
von göttlichem Licht erleuchtet
den wahren Freund
den vielgeliebten Bräutigam
den Herrn.
Durch dieses geistige
Schauen der ersehnten
unaussprechlichen
Schönheit
wird die Seele zu
allen Tugenden des Geistes geführt.
So besitzt sie eine
unbegrenzte und unerschöpfliche Liebe zu dem von ihr ersehnten Herrn.«
(Geistliche Homilien 4, 11, 12, 28, 30)
Gebet der katholischen
Kirche des Morgenlandes:
»Den wunderbar
menschgewordenen Gott schauend wollen wir uns von der eitlen Welt entfernen
und den Sinn auf das Göttliche richten!
Denn dazu ist Gott
auf die Welt gekommen daß er uns zum Himmel führe! Die wir rufen:
Alleluja!«
Zweitens, Franziskus:
»O seht doch!
Täglich erniedrigt
er sich wie einst, als er vom königlichen Thron herab
in den Schoß der Jungfrau stieg!
Täglich kommt
er zu uns und zeigt sich in Demut!
Täglich steigt
er in den Händen des Priesters aus dem Schoß des Vaters
herab auf den Altar! Und wie er einst den Aposteln in Menschengestalt erschien
so zeigt er sich heute in der Gestalt des Brotes!«
2. Die Kirche zeigt
uns den König des Himmels
bei Erhebung der heiligen
Hostie, vor Empfang der heiligen Kommunion:
»Seht das wahre Lamm Gottes
das hinweg nimmt die Sünden der Welt!« Und in der Monstranz
(diese Bezeichnung kommt vom lateinischen Wort »monstrare«
- zeigen. Die Monstranz ist also ein Schau-Gefäß, besonders
geeignet, uns Jesus schauen zu lassen.) »Eine selbständig gewordene
Erhebung der heiligen Hostie außerhalb der heiligen Messe, um den
Glauben und die Liebe zu wecken, Jesus im Sakrament der Liebe anzubeten.
Ein feierlicher Akt der Anbetung, gleichsam eine Vorwegnahme der Anbetung
Gottes im Himmel.« (Katholische Kirchenzeitung 1936, 67)
3. Die »Himmelskunst«
zeigt uns auch den König des Himmels in der Monstranz
Nicht gering zu schätzen
- diese Architektur, die »so stark an die Sinne appelliert«
und den König des Himmels unserem Auge nahebringt. Auch nicht als
eine »zwar legitime, aber eher wegführende Entwicklung«
anzusehen! Denn die Monstranz ist
Erstens,
aus dem sensus fidelium - gewachsen und eigentlich nur ein Aufblühen
des legitimen Verlangens: »Wir möchten gerne Jesus sehen!«
Jo 12,21
Zweitens,
dient sie der geistlichen Kommunion durch große »Annäherung
an das
Mysterium durch das Medium der Augen«.
Drittens,
in dem (mit den Augen des Leibes) Schaubaren offenbart sich hier das
Mysterium des wahren Lichtes »doch so nahe gebracht, daß ich
es mir mit
den Augen des Leibes geradezu einverleiben kann«. (Seite 603)
Schluß:
»O wahre Sonn!
O schönster Stern!
Wir wollen Dich anschauen - gern!