Mit dem Passionssonntag beginnen wir die Zeit des Kirchenjahres, die
in besonderer Weise dem Gedächtnis des Erlöserleidens geweiht
ist. Die Kirche trauert. Sie hat den Witwenschleier angelegt, das
Kreuz ist verhüllt. Unser Blick soll ganz nach innen gerichtet sein
auf unseren Erlöser und auf seinen Leidensweg, er, der jetzt
als Lamm Gottes, als das Sühnopfer Gottes den Weg nach Golgotha nimmt.
Und so tritt das Kreuz stark in unser inneres Bewusstsein. Es ist
das Königsbanner, vexilla regis. „Die Königsbanner flattern voran",
so heißt es in einem wunderbaren Hymnus; und es ist der Baum der
Erlösung. Ich lade Sie immer wieder ein, meine Freunde, in dieser
Passionszeit das zu betrachten, was uns besonders nahe steht, nämlich
das Kreuz. In der Präfation der Passionszeit heißt es: „Der
am Holze gesiegt hat, (nämlich der Satan im Paradiese), der sollte
auch am Holze besiegt werden" (nämlich durch Jesus und sein bitteres
Leiden). Am Holze ist Satan Sieger gewesen, am Holze hat Christus ihn besiegt. Wir sehen den Erlöser, wie er den Weg zum Kreuze nimmt. Aber
ehe die Kirche ihn uns zeigt, wie er wehrlos seinen Feinden ausgeliefert
wird, bringt sie uns noch einmal zu Bewußtsein, wer das ist, der
hier leidet. Ein Gerechter ist es, ein Gerechter, der unschuldig in den
Tod geht, der Hohepriester des Neuen Bundes, der ewige Gottessohn. Im Eingangsgebet
der Messe heißt es mit den Worten des 42. Psalms: „Schaff Recht mir
Gott gegen ein unheiliges Volk. Entscheide meinen Rechtsstreit wider meine
Feinde." Und die Epistel schildert uns den Hohenpriester: Nicht mit dem
Blut von Böcken und Stieren, wie im Alten Bunde, trete er in das Zelt
des Allerheiligsten ein, sondern mit seinem eigenen Blut als makelloses
Opfer des Neuen Bundes. Und im Evangelium, da offenbart sich der Herr noch
einmal selber: „Wer aus euch kann mich einer Sünde beschuldigen?"
Antwort: Niemand! Und: „Ehe Abraham ward, bin Ich!" Damit ist seine Ewigkeit
als der Sohn Gottes ausgesagt. Opfergabe und Priester zugleich, das ist
der Herr, das ist das Thema der Passionszeit. Die Worte des Evangeliums künden uns auch die Auseinandersetzung
des Herrn mit den Juden. „Warum glaubt ihr mir
nicht?" Das ist die Frage, die er an sie richtet. Sie hätten
doch allen Anlaß gehabt zu glauben. Niemals ist ein Zeuge so beglaubigt
worden wie er. In ihm sind die Verheißungen der Propheten in Erfüllung
gegangen. Er hat Wunder gewirkt, die kein Mensch wirken kann. Seine Lehre
ist von erhabener Vollkommenheit; sein Wandel ist von äußerster
Reinheit; sein sittliches Leben ist makellos. „Wer von euch kann mich einer
Sünde beschuldigen?" Niemals hat ein Bote solche Zeugnisse aufweisen
können wie unser Herr und Heiland. Und doch stößt er auf
eine Mauer des Unglaubens. „Warum glaubt ihr mir
nicht?" Das ist die Schicksalsfrage, die der Messias an die
verblendeten Führer seines Volkes richtet. Die Antwort gibt der Herr
selber: „Weil ihr nicht aus Gott seid." Sie glauben nicht, weil sie nicht
glauben wollen. Sie verharren in ihren menschlichen Lehren, in ihren Wünschen,
in ihren Ansprüchen, in ihrem Dünkel. Sie wollen sich nicht vom
Throne stoßen lassen durch die Wahrheit. Sie wissen, dass im Gottesreiche
kein Raum ist für Pharisäer. Deswegen darf seine Lehre nicht
wahr sein, deswegen greifen sie zum letzten und niedrigsten Mittel: sie
beschimpfen ihn. Sie heben Steine auf, um ihn zu töten. „Warum glaubt ihr mir nicht?"
Diese Frage, meine Freunde, ist stehen geblieben. Sie ist die Frage, die
Christus an alle Zeiten richtet: „Warum glaubt
ihr mir nicht?" Am Glauben hängt alles, und ohne Glauben
ist alles nichts. „Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen,
denn wer Gott naht, muss glauben, dass er ist und dass er denen, die ihn
suchen, ein Vergelter wird." So fasst der Hebräerbrief den Inhalt
des Glaubens zusammen: „Er muss glauben, dass Gott ist und dass er denen,
die ihn suchen, ein Vergelter ist." An einer anderen Stelle heißt
es: „Nur wenn wir glauben, gehen wir in die Ruhe ein." Und wieder an einer
anderen Stelle: „Das ist der Sieg, der die Welt
überwindet: unser Glaube." Wenn auch die äußeren Verhältnisse heute andere
sind als zur Zeit Jesu, das Menschenherz hat sich nicht geändert.
Immer aufs Neue wiederholt sich, was der Apostel Johannes schrieb: „Das
Licht leuchtete in der Finsternis, aber die Menschen liebten die Finsternis
mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse." Das Licht leuchtete
in der Finsternis, aber die Menschen liebten die Finsternis mehr als das
Licht, denn ihre Werke waren böse. So schreibt der Apostel Johannes
vor 2000 Jahren. Und in unserer Zeit hat ein englischer Schriftsteller,
Bruce Marshall, sich in einem Roman ähnlich ausgedrückt. Da unterhalten
sich ein Geistlicher und ein anderer über die Glaubensunwilligkeit
des Menschen. Es werden Gedanken ausgetauscht zwischen ihnen, aber schließlich
sagt der Geistliche zu dem Gegenüber: „Die Menschen glauben nicht,
weil sie sich nicht wollen in ihren Vergnügungen stören lassen."
0 wie recht hat er! Sie glauben nicht, weil sie sich nicht wollen in ihren
Vergnügungen stören lassen. Der Glaube ist eine Gnade, aber er ist auch zugleich eine Tugend,
ein Werk des Willens. Fast stets entspringt der Unglaube nicht dem Verstände,
sondern dem Willen, dem Herzen. Da hat er seinen Ursprung. Der Menschengeist,
der viele Geheimnisse der Natur durchforscht hat, will sich nicht beugen
vor jenen Wahrheiten, die immer ein Geheimnis bleiben. Man ruft, meine
lieben Freunde, die Wissenschaft an, eine Scheinrechtfertigung für
den Unglauben. Man missbraucht die Wissenschaft zu diesem Zweck. Man spricht
davon, dass die Wissenschaft, die Naturwissenschaft, gegen den Glauben
stehe. Selbstverständlich gibt es ungläubige Wissenschaftler,
aber es gibt ebenso viele gläubige. Ich hatte in meiner Schulzeit
zwei Lehrer in Physik, also in Naturwissenschaft. Der eine war untüchtig,
er war Atheist. Der andere war tüchtig, er war jeden Sonntag um 8
Uhr in der heiligen Messe. So also sieht es mit dem Glauben und mit dem
Unglauben der Wissenschaftler aus. Es ist lächerlich, die Wissenschaft
für den Unglauben in Anspruch zu nehmen. Der Glaube ist nicht wider
die Vernunft, er ist über der Vernunft. Er klärt uns das, was
die Wissenschaft nicht klären kann. Wer glaubt, braucht nicht der
Wissenschaft den Abschied zu geben, er schreitet vielmehr weiter in Gefilde,
die der Wissenschaft nicht zugänglich sind. Der Glaube ist nicht dagegen,
er ist darüber. Glaube ist dem Wesen nach die Annahme einer Wahrheit,
die unsere Vernunft nicht erreichen kann, einfach auf das Zeugnis hin.
Noch einmal der Hebräerbrief: „Der Glaube ist das feste Vertrauen
auf das, was man erhofft, das Überzeugtsein von dem, was man nicht
sieht." Der Glaube ist das feste Vertrauen auf das, was man erhofft, das
Überzeugtsein von dem, was man nicht sieht. In der letzten Zeit wird häufig die Evolutionstheorie, die
Entwicklungstheorie gegen den Glauben angeführt. Es gebe eine Entwicklung
vom Einzeller bis zum Menschen über verschiedene Stufen in überaus
langen Zeiten. Im Laufe von Jahrmillionen habe sich das Leben von einfachsten
Formen über zahllose Zwischenstadien zu der heutigen Höhe emporgeschwungen,
und deswegen sei die Lehre von der Schöpfung überholt. Es brauche
keinen Gott, um das Leben und seine Entwicklung zu erklären. Ich gebe
darauf eine doppelte Antwort: 1. Der Beweis für die behauptete Entwicklung fehlt. Niemand
hat erlebt, wie eine Art aus der anderen hervorginge. Die behauptete Entwicklung
beruht nur auf Rückschlüssen aus fragmentarischen Funden. Diese
Rückschlüsse gehen außerordentlich weit auseinander. Was
der eine Forscher vor 5 Millionen Jahren verlegt, für das braucht
der andere 7 Millionen. Die Gelehrten sind sich nicht einig; und wo sie
einig sind, spricht der eine dem anderen nach. Der Konsens der Gelehrten
ist kein Beweis für die Wahrheit. Wir wissen, wie solche Einigkeiten
zustandekommen. 2. Selbst angenommen, es habe eine solche Entwicklung gegeben, dadurch
wird Gott nicht überflüssig. Es muss doch erst einmal etwas da
sein, was sich entwickeln kann. Es muss eine Wirklichkeit geben, die etwas
aus dem Nichts schafft, das sich dann entwickeln kann. Es muss eine übermächtige,
unendlich mächtige Wirklichkeit geben, die aus dem Nichts etwas hervorbringt.
Wir nennen sie Gott. Es muss auch jemand leben, der die Entwicklung lenkt.
Die Gesetze entstehen ja nicht von selbst. Von selbst entsteht überhaupt
nichts. Es muss jemand da sein, der diese Gesetze gibt. Es muss einen Gesetzgeber
geben. Wir nennen ihn Gott. Die Entwicklungstheorie, meine lieben Freunde,
die ich schon als Kind in der Schule gelernt habe, zerstört nicht
den Glauben, sie bestätigt ihn. Die Vernunft steht nicht wider den
Glauben, sie ist über dem Glauben. Und deswegen kann man auch die
Vernunft nicht anrufen gegen den Glauben. Der zweite Grund, warum die Menschen nicht glauben, liegt in ihren
unbeherrschten Trieben und Begierden. Sie wollen nicht Wahrheiten annehmen,
die ihnen schwere Pflichten auferlegen. Die Selbstüberwindung, der
beharrliche Kampf, das Opfer, das wollen sie fliehen, und deswegen nehmen
sie den Glauben nicht an. Jeder echte Glaube muss die Wiedergeburt des
Lebens bewirken. Und davor versuchen sich die Menschen zu drücken.
Sie leben weiter in ihrer Fäulnis, in ihrem Schlamme; sie wollen nicht
ablassen von ihren Begierden und Leidenschaften. Die Welt will weiter in
ihren Vergnügungen bleiben, die gegen die Religion gerichtet sind.
Der unvergessliche Münchener Erzbischof Faulhaber hat einmal den schönen
Satz geschrieben: „Wenn das Einmaleins und der pythagoräische Lehrsatz
die gleichen Forderungen an das sittliche Leben stellten wie die Artikel
des Glaubensbekenntnisses, sie würden ebenso ungläubig wie diese
aufgenommen werden." Wie wahr! Wenn das Einmaleins und der pythagoräische
Lehrsatz die gleichen Forderungen an das sittliche Leben stellten wie die
Artikel des Glaubensbekenntnisses, sie würden ebenso ungläubig
wie diese aufgenommen werden. Schon die edlen Denker des Heidentums wussten
um den Zusammenhang von Unglauben und Unsittlichkeit. Cicero schreibt einmal:
„Viele denken schlecht von den Göttern, das bewirken ihre schlechten
Sitten." Und der große Plato hat den schönen Satz geschrieben:
„Wer ungerecht ist, ist immer Gott feind. Der Gerechte kommt leicht mit
ihm zurecht." Der häufigste Grund, weshalb Gläubige vom Glauben lassen,
ist der Aufstand gegen die geschlechtliche Sittlichkeit. „Die Welt wäre
nicht ungläubig, wenn sie nicht unkeusch wäre!" Dieses Wort des
heiligen Augustinus hat bis heute seine Gültigkeit behalten. Die Welt
wäre nicht ungläubig, wenn sie nicht unkeusch wäre! Wir
dürfen die Religion nicht nach unseren sittlichen Maßstäben
formen. Wir dürfen sie nicht nach unserem sittlichen oder unsittlichen
Verhalten formen, sondern wir müssen unser sittliches Verhalten nach
der Religion formen. Und wenn wir daran schuldig werden, dann müssen
wir eben bereuen. Aber wir dürfen nicht die sittlichen Normen nach
unserem Versagen formen wollen. „Warum glaubt ihr mir nicht?"
fragt der Herr, fragt er die Juden seiner Zeit, fragt er auch unser Volk,
fragt er auch uns heute. „Warum glaubt ihr mir
nicht?" Am Glauben hängt alles, meine lieben Freunde. Ohne
Glauben ist alles nichts. Unser Glaube muss vollständig sein, keine
Abstriche, keine Verkürzungen. Nein, keine Auswahl; ganz integral
muss der Glaube sein. Unser Glaube muss fest sein, unerschütterlich,
wahrhaftig, ohne Schwanken, ohne Zweifel. Und unser Glaube muss lebendig
sein. Er muss Taten aufweisen. Wenn man nämlich das tut, was der Glaube
sagt, dann wird man auch inne, dass er stimmt. Taten der Gottesliebe, Taten
der Nächstenliebe befestigen unseren Glauben. Beten wir um die Kraft,
zu glauben, für uns und für unsere ungläubigen Mitmenschen.
Wir wollen nicht über sie richten. Wir wollen sie bedauern. Es muss
uns schmerzen, dass sie den Glauben nicht finden, dass sie ihn noch nicht
gefunden haben. Beten wir für die, denen der Herr heute die Frage
entgegenhalten muss: „Warum glaubt ihr mir nicht?" Beten wir für sie, dass sie die Kraft und den Mut zum Glauben
finden, denn dazu braucht es Kraft und Mut. Beten wir, dass der Herr sich
nicht vor ihnen verbirgt, wie er sich vor seinen Feinden verborgen hat,
sondern dass er sich ihnen mit seiner Wahrheit und mit seiner Gnade offenbart,
dass er Wohnung in ihnen nimmt und dass sich an ihnen erfüllt das
Wort: „Wer an mich glaubt, der hat
das ewige Leben." (Quelle: "Erneuerung
in Christus", Heft Nr. 3/4 -2020, S. 3-6 , Gaming)
- Salvator-Mundi-Verlag
- LINK Bete
jeden Tag den Rosenkranz! Bete
täglich auch den "Barmherzigkeitsrosenkranz", um alles Unheil aufzuhalten
(wie Jesus verspricht!)! Impressum