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Wenn
man Franziskus genau ansieht
(Josef
Kardinal Ratzinger, München, in der Sendung „Zum Sonntag" des Bayerischen
Rundfunks am 6. Oktober 1979) Unter den Namen,
die der Heiligenkalender des Monats Oktober aufweist, nimmt Franziskus
von Assisi eine herausragende Stellung ein.
1. Christen und
Nichtchristen, gläubige und ungläubige Menschen lieben diesen
Mann
Von
ihm geht eine Heiterkeit aus und ein Friede, der ihn jenseits vieler sonst
unversöhnlich scheinender Gegensätze stellt. Natürlich haben
die verschiedenen Generationen auf wechselnde Weise auch ihren eigenen
Traum vom guten Menschen in ihn hineingelesen. In einer Zeit, die anfing,
des Streits der Konfessionen überdrüssig zu werden, erschien
er als der Vertreter eines überkonfessionellen Christentums, das die
leidige Last einer schweren Geschichte hinter sich läßt und
einfach wieder beim biblischen Jesus anfängt. Später wurde er
in die Wandervogel-Romantik eingeordnet und zu einer Art von Naturschwärmer
umgedeutet. Daß heute Franziskus wieder in neuer Gestalt gesehen
wird, hängt mit zwei Sachverhalten zusammen, die das Bewußtsein
der Menschen in den Industrie-Nationen durchgehend prägen: Da ist
einmal die Angst vor den unüberschaubaren Folgen des technischen Fortschritts
und zum andern das schlechte Gewissen, das wir ob unseres Wohlstands angesichts
des Hungers in der Welt empfinden. So fasziniert an Franziskus seine entschlossene
Absage an die Welt des Besitzes und seine ungekünstelte Liebe zur
Schöpfung, zu den Vögeln, zu den Fischen, zum Feuer, zum Wasser,
zur Erde. Er erscheint als der Patron der Umweltschützer, als der
Anführer des Protests gegen eine Ideologie, die nur auf Produktion
und Wachstum abstellt, als der Anwalt des einfachen Lebens.
2. An all diesen
Franziskusbildern ist etwas Wahres
Überall
sind Probleme angesprochen, die an den Nerv des Menschseins rühren.
Aber wenn man Franziskus genau ansieht, dann wird er überall auch
zur Korrektur unserer Einstellungen. Er bestätigt uns nicht einfach;
er ist viel anspruchsvoller als wir es gerne wahrhaben möchten und
er führt uns mit seinem Anspruch zum Anspruch der Wahrheit selbst.
So können wir zum Beispiel das Problem der Trennung der Christen nicht
einfach dadurch bewältigen, daß wir der Geschichte entfliehen
wollen und uns selbst unseren Jesus schaffen. Ähnliches gilt bei allen
anderen Fragen. Nehmen wir nur die der Umwelt heraus. Ich möchte zunächst
eine kleine Geschichte erzählen. Franziskus bat den Bruder, der den
Garten bestellte, „nie das ganze Erdreich mit Gemüse zu bepflanzen,
sondern einen Teil des Gartens für Blumen freizulassen, damit er zu
jeder Zeit des Jahres unsere Schwestern, die Blumen, hervorbringe, aus
Liebe zu der, welche genannt wird .die Blume des Feldes und die Lilie des
Tales'." (Cant 2, l). Ebenso wollte er, daß stets ein besonders schönes
Beet angelegt werde, damit Menschen zu allen Zeiten durch den Anblick der
Blumen zum Lob Gottes begeistert würden, „denn jedes Geschöpf
ruft uns zu: Gott hat mich um deinetwillen erschaffen, o Mensch" (Spiegel
der Vollkommenheit XI 118). Bei dieser Geschichte kann man nicht einfach
das Religiöse als überholten Kram beiseite lassen, um bloß
die Absage an die schnöde Zweckmäßigkeit und die Erhaltung
des Reichtums der Arten zu übernehmen. Wenn man dies will, tut man
etwas ganz anderes als Franziskus es getan und gewollt hat. Vor allem aber
ist in dieser Geschichte nichts von dem Ressentiment gegen den Menschen
als den angeblichen Störenfried der Natur zu verspüren, das heute
in so vielen Plädoyers für die Natur mitschwingt. Wenn der Mensch
aus den Fugen gerät und sich selbst nicht mehr mag, dann kann die
Natur nicht gedeihen. Ganz im Gegenteil: er muß im Einverständnis
mit sich selbst sein; nur dann kann er ins Einverständnis mit der
Schöpfung treten und sie mit ihm. Und das wieder kann er nur, wenn
er im Einverständnis mit dem Schöpfer ist, der die Natur gewollt
hat und uns. Der Respekt vor dem Menschen und der Respekt vor der Natur
gehören zusammen, aber beides kann letztlich nur gedeihen und sein
Maß finden, wenn wir im Menschen und in der Natur den Schöpfer
und seine Schöpfung respektieren. Nur von ihm her lassen sie sich
zusammenfügen. Wir werden das verlorene Gleichgewicht gewiß
nicht wieder finden, wenn wir uns weigern, zu dieser Stelle vorzudringen.
So haben wir allen Grund, uns durch Franz von Assisi nachdenklich machen
und von ihm auf den Weg bringen zu lassen.
Franz
von Assisi rettet die Welt
P.
Fridolin Außersdorfer OFM