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„Nur eine Privatoffenbarung",
damit wird Fatima abgetan. „Ich habe die Bibel,das ist die Grundlage für
meinen Glauben, da brauche ich keine weiteren Offenbarungen'." So kann
man es hören. Was ist dazu zu sagen?
Was
sagt die Bibel zum Thema „Privatoffenbarungen"?
Im
(wahrscheinlich) ältesten Teil des Neuen Testaments, im Thessalonicherbrief,
lesen wir: „Löscht den
Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles,
und behaltet das Gute!" (5,19ff). Wir
dürfen also sagen: Es gibt neben dem Wirken des Geistes durch die
Heilige Schrift auch „prophetisches Reden", durch das derselbe Geist wirksam
wird. Ich denke, zu diesen prophetischen Reden gehören auch die Marienerscheinungen,
durch die der Heilige Geist in unsere Zeit hineinspricht. Freilich ganz
wichtig: Diese Erscheinungen müssen einer genauen Prüfung durch
die Kirche unterzogen werden: „Prüft alles, und behaltet das Gute!"
Am 13. Mai 1922 wurde
die Untersuchung der Erscheinungen von Fatima einer kirchlichen Kommission
übertragen. Erst am 13. Oktober 1930 erklärte der Bischof von
Leiria/Fatima aufgrund des Berichtes der Kommission die Erscheinungen für
glaubwürdig.'
Ein
Imperativ
Der bedeutende Theologe
Karl Rahner hat sich eingehend mit dem Thema „Privatoffenbarungen" befasst.
Er kommt zum Schluss: „Privatoffenbarungen sind in ihrem Wesen ein Imperativ,
wie in einer bestimmten geschichtlichen Situation von der Christenheit
gehandelt werden soll; sie sind wesentlich keine neue Behauptung, sondern
ein neuer Befehl."2 Muss es für die Kirche nicht verheerende Folgen
haben, wenn der Geist, der sie zu einem bestimmten Tun erwecken will, ausgelöscht,
nicht beachtet wird? Wenn sie einem „Imperativ" des Geistes nicht gehorcht?
Mit Recht wird man nun einwenden: Die Kirche verpflichtet doch niemand,
an eine Privatoffenbarung, so auch Fatima,zu glauben. Ich versuche auf
diesen Einwand so zu antworten: Der Imperativ an die Kirche und jeden einzelnen
Gläubigen zu jeder Zeit ist: „Die
Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt
an das Evangelium!" (Mk 1,15).
Fatima gibt uns konkrete Weisungen, wie wir dieser Aufforderung in unserer
Zeit nachkommen können und wir tun gut daran, diese Hilfe anzunehmen.
Wer aber demütig meint, einen anderen Weg der Bekehrung gehen zu müssen,
soll es tun. Wichtig ist, dass alle Christen Früchte der Bekehrung
bringen, die dem Ernst der Zeit entsprechen.
Maria
spricht zur Welt
So lautet der Titel
eines bekannten Buches über Fatima. Ja, aber weshalb wird dieser Offenbarung
des Himmels so wenig Aufmerksamkeit geschenkt? Bedenken wir die Gründe
für seine Echtheit.
Das
Lebenszeugnis
Am 13. Mai 2000 wurden
die Seherkinder Jacinta und Francisco seliggesprochen. Damit hat die Kirche
bestätigt, dass die beiden nicht nur vorbildlich nach dem Evangelium
gelebt, sondern auch die Wünsche der Erscheinung Mariens in beispielhafter
Weise erfüllt haben. Die letzten Tage von Jacinta waren geprägt
von großen Schmerzen, die sie aber immer wieder für die Bekehrung
der Sünder aufopferte. Bekehrung der Sünder, das war ja ihr großes
Anliegen. In Folge der„Spanischen Grippe" trat bei der kleinen Seherin
eine eitrige Brustfellentzündung auf, begleitet von verschiedenen
Komplikationen. Man entfernte Jacinta zwei Rippen. Krampfartige Schmerzen
traten besonders beim Verbinden der handbreiten Wunde auf. „Meine himmlische
Mutter, meine himmlische Mutter", das waren ihre Stoßgebete während
ihrer entsetzlichen Schmerzen. Die Schmerzen ihrer Todeskrankheit opferte
Jacinta auf - „aus Liebe zu Jesus und für die Bekehrung der Sünder".
Am 20. Februar 1920 holte die Madonna Jacinta in den Himmel. Für Francisco
ist bemerkenswert, dass für ihn die lebendige Beziehung zu Jesus wichtiger
war als etwa die Höllenvision. So sagte er zu seiner Cousine Lucia:
„Hör zu! Geh du zur Schule, ich bleibe hier beim verborgenen Jesus.
Für mich lohnt es sich nicht mehr, lesen zu lernen. Bald komme ich
ja in den Himmel." Der Pfarrer von Fatima, Manuel Ferreira, gibt über
Francisco zu Protokoll: „Der Seher Francisco ist gestorben um 10 Uhr abends
am 4. April 1919; als Opfer eines langen Siechtums, das fünf Monate
dauerte und verursacht war durch die sogenannte Spanische Krankheit; die
heiligen Sakramente hat er empfangen mit großer Klarheit des Geistes
und Frömmigkeit. Er hat bezeugt, dass er Unsere Liebe Frau in der
Cova da Iria und in den Valinhos gesehen hat." Die dritte Seherin Lucia
trat mit 14 Jahren in das Kollegium der Dorotheerinnen ein, um lesen und
schreiben zu lernen und wurde 1926 in den Orden aufgenommen. 1948 trat
sie in den Karmel von Coimbra über, wo sie am 13. Februar 2005 verstarb.
Der Seligsprechungsprozess ist eingeleitet.
Um sich ein lebendiges
Bild von den beiden seligen Seherkindern zu machen, ist die Lektüre
der Schrift „Schwester Lucia spricht über Fatima" ... zu empfehlen.
Das
Ende der katholischen Kirche in Portugal?
Der portugiesische
Justizminister Alfonso Costa3 schuf ein Gesetz zur Trennung von Kirche
und Staat. Er sagte dazu am 26. Mai 1911 :„Mit diesem Gesetz wird der Katholizismus,
der die Hauptursache des gegenwärtigen Zustands ist, innerhalb zweier
Generationen völlig ausgelöscht." Dass es dazu nicht kam, haben
die Erscheinungen in Fatima wesentlich beigetragen. Dazu die Zeitschrift
Merian: „Doch kann auch der größte Skeptiker nicht leugnen,
dass es der Fatimakult gewesen ist, der Portugal zum Katholizismus zurückgeführt
hat. Und das kann als ein echtes religiöses Wunder angesehen werden."4
Könnte nicht
auch die Kirche aus der gegenwärtigen Krise herausgeführt werden,
wenn sie dem „Imperativ" von Fatima mehr Beachtung schenkte?
Das
Sonnenwunder5
Dreimal hatte die
Gottesmutter bei ihren Erscheinungen ein Wunder angekündigt, „damit
alle glauben". Zunächst der Bericht eines Augenzeugen: Die Sonne „hatte
eine klare, schillernde Helligkeit, die an den Glanz einer Perle erinnerte.
Sie ähnelte durchaus nicht dem Mond in einer klaren Nacht, denn sie
hatte weder seine Farbe noch das eigenartige Hell-Dunkel. Sie sah aus wie
ein glänzendes Rad, das der silbernen Hülle einer Muschel entnommen
zu sein schien. Das ist nicht Poesie; meine Augen haben es so gesehen.
Sie hatte auch keine Spur von Ähnlichkeit mit der Sonne, wie sie aussieht,
wenn sie durch eine Nebelwand scheint; die Sonnenscheibe war nicht undeutlich
oder irgendwie verschleiert, sondern hob sich klar von ihrem Hintergrund
und ihrem Umkreis ab. Diese bunte und leuchtende Scheibe schien in rasender
Bewegung. Es war nicht das lebhafte Glitzern des Sternenlichtes. Sie kreiste
mit ungeheurer Geschwindigkeit um sich selbst. Plötzlich erhob sich
in der Volksmenge Geschrei, Angstrufe. Die Sonne kreiste noch immer mit
der gleichen Geschwindigkeit, löste sich jedoch gleichzeitig vom Firmament
und näherte sich blutigrot der Erde, alles unter ihrer feurigen, ungeheuren
Wucht zu zermalmen drohend. ... Alle die Phänomene, die ich anführte
und beschrieb, habe ich kaltblütig, heiter und ohne irgendeine Bewegung
beobachtet."
Der Bischof von Fatima/Leiria,
Jose Alvez Correia da Silva, schrieb in einem Hirtenbrief zum Sonnenwunder:
„Das Sonnenphänomen vom 13. Oktober 1917, über das die damaligen
Tageszeitungen berichteten, war etwas Wunderbares und hinterließ
in allen, die das Glück hatten, es zu sehen, einen unauslöschlichen
Eindruck. ... Dieses Phänomen wurde von keiner Sternwarte registriert
und war darum nicht natürlich; es wurde jedoch von Personen aller
Stände und sozialen Klassen beobachtet, von Gläubigen und Ungläubigen,
Journalisten der bedeutendsten portugiesischen Tageszeitungen, und auch
von Leuten, die vom Orte des Geschehens mehrere Kilometer entfernt waren,
wodurch die Erklärung, es könne sich um eine Massenillusion handeln,
hinfällig wird."
Ich denke, wir können
ohne Übertreibung sagen: Das Sonnenwunder ist in seiner Art eines
der größten Wunder der Kirchengeschichte. Weist uns dies nicht
auf die große Bedeutung der Botschaft von Fatima hin?
Fatima
heute
„Wer
glaubt,dass die prophetische Mission von Fatima beendet sei, der irrt sich"
(Benedikt
XVI.).
Fassen wir die Botschaft von Fatima in fünf Punkten zusammen:
1 „Ich
komme vom Himmel", sagte Maria
bei ihrer ersten Erscheinung. Fatima weist uns also darauf hin, dass es
nicht nur diese sichtbare Welt, sondern auch die Welt Gottes, den Himmel,
gibt. Allerdings spricht es auch sehr ernst davon (Höllenvision),
dass der Mensch dieses Ziel verlieren kann. Für die Menschheit, die
im Materialismus zu versinken droht (sind wir vor dieser Gefahr gefeit?),
eine einerseits tröstliche, aber auch aufrüttelnde Botschaft.
2. Sühne - Stellvertretung ist ein zentrales Thema von Fatima: Mit welchem Heroismus haben die seligen Jacinta und Francisco Sühne geleistet! Aber vor Sühne für andere ist die eigene Bekehrung nötig. Grundlegend für Umkehr ist das Hören, Bedenken und Tun des Wortes Gottes. „Das Hören auf das Wort macht so sehr das Wesen der Christen aus, dass sie geradezu Kinder des Hörens oder des Gehorsams genannt werden können" (K. H. Schelkle).
3. In
Fatima erscheint Maria. Damit wird
die überragende Bedeutung Mariens für Kirehe, Welt und jeden
einzelnen Gläubigen aufgezeigt, freilich mit dem Grundsatz: durch
Maria zu Jesus. Nach diesem Grundsatz sollen die Gläubigen die Heilige
Schrift und den Glauben besser verstehen lernen; den Rosenkranz womöglich
betrachtend als Jesusgebet beten; jede Form einer gesunden Marienfrömmigkeit
pflegen. Zu dieser Marienfrömmigkeit gehört nach Fatima auch
die Verehrung des Unbefleckten Herzens Mariens; allerdings muss noch daran
gearbeitet werden, diese Verehrung dem heutigen Menschen nahezubringen.
Schönste Frucht der Marienverehrung wäre die Weihe an Christus,
wie sie Johannes Paul II. empfahl: Die Weihe an Christus durch die Hände
Mariens ist ein wirksames Mittel, die Taufverpflichtungen treu zu leben.
Schließlich
soll das beachtet werden,was P.Klemens Stock schreibt: „Die Aussagen, die
wir im Neuen Testament über Maria finden, sind so reich und tief,
dass wir sie nie ausschöpfen können!" Daher bemüht sich
der Rosenkranz-Sühnekreuzzug, die neuen Erkenntnisse aus der Bibel
über Maria aufzugreifen und zu verbreiten und so die Marienverehrung
noch besser zu begründen.
4. Gerade die biblische
Botschaft der Sühne, Stellvertretung, stößt auch bei katholischen
Theologen - und daher auch Gläubigen - auf (oft heftigen) Widerstand.
Aber Fatima weist unmißverständlich auf die Notwendigkeit von
Sühne, in Vereinigung mit Jesus, hin. Professor Ratzinger - Benedikt
XVI. - sieht die Notwendigkeit von
Stellvertretung
- Sühne: „Insgesamt läßt
sich sagen, daß die Idee der Stellvertretung eine der Urgegebenheiten
des biblischen Zeugnisses ist, deren Wiederentdeckung dem Christentum in
der heutigen Weltenstunde zu einer entscheidenden Erneuerung und Vertiefung
seines Selbstverständnisses verhelfen kann."6
5. Bei jeder ihrer
Erscheinungen (in Fatima) bat Maria: „Betet
den Rosenkranz, um den Frieden zu erlangen." (1917:
erster Weltkrieg). Und die Erscheinung spricht auch von der Gefahr, aber
auch Überwindung des Kommunismus: „Russland wird seine Irrtümer
in der Welt verbreiten", jedoch auch „Russland wird sich bekehren". In
diesem Zusammenhang dürfen wir den Fall der Berliner Mauer und den
Zusammenbruch des atheistischen Kommunismus 1989 sehen. Eindringlich wird
in Fatima auf die Aktualität des Bibelwortes hingewiesen: „Vor
allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung
auf, und zwar für alle Menschen, für die Herrscher und für
alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit
ungestört und ruhig leben können" (1Tim2,1f).
Heute bedrohen andere
Gefahren die Menschheit, vor allem ein rücksichtsloser Materialismus,
der nicht nur die Umwelt, sondern auch den Menschen ausbeutet; der auch
das Christentum schwächt, den Irrtümern der Zeit entgegenzutreten.
Was Pius XI. angesichts der Gefahr des atheistischen Kommunismus schrieb,
ist auch heute im Hinblick auf die vorhin genannte Gefährdung aktuell:„Auch
das Übel, das heute die Menschheit quält, kann nur überwunden
werden durch einen allgemeinen Kreuzzug von Gebet und Buße." In diesem
Sinn und im Sinn der Botschaft von Fatima wirkt der Rosenkranz-Sühnekreuzzug,
die Gebetsgemeinschaft für Kirche und Welt.
P.Benno
Mikocki OFM
1 Der
Bericht der Kommission umfasste31 (!) Kapitel
2 Karl
Rahner, Visionen und Prophezeiungen, Quaestiones disputatae, Herder, 27
3 Costa
wurde 1926 zum Präsidenten der Völkerbundversammlung gewählt
4 Merian"
- Portugal, Heft 4/XXV
5 Einen
ausführlichen Bericht über das Sonnenwunder können Sie
anfordern bei der Zentrale des RSK, A-1011 Wien, Postfach 695
6 Joseph
Ratzinger, Handbuch theologischer Grundbegriffe, II. Bd. Kösel 1962,5757
(Quelle:
"Betendes Gottesvolk", Nr. 254, S. 12ff., RSK = Rosenkranz-Sühnekreuzzug,
Wien)
Bild:
aus Haussegenkalender 2010 (Mediatrix-Verlag): (C) Pfr. Josef Stocker