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 Bedeutung der marianischen Botschaften 
für Kirche und Frömmigkeitsleben in der Gegenwart

Zusammenfassende Einführung
in die Bedeutung der marianischen Botschaft für Kirche und Frömmigkeitsleben in der Gegenwart

«Tu gloria Jerusalem, tu laetitia Israel, tu honorificentia populi nostri; du bist der Ruhm Jerusalems, du die Freude Israels, du die Ehre unseres Volkes», so jubelten einst die Juden ihrer Retterin Judith zu, die ihr Volk aus größter Not befreit hatte. Diese Worte wendet die Kirche in ihrer Liturgie auf Maria an, und das Gottesvolk des neuen Bundes ruft zu ihr in der Bedrängnis unserer Zeit. Doch viele Verantwortliche suchen heute wie jene Ältesten in der Stadt Bethulia nach rein menschlicher Mitteln und Auswegen aus der schwierigen Lage und wollen nicht wahrhaben, daß Gott die Rettung der Kirche und die Erneuerung der Welt in die Hände Mariens gelegt hat.
Darum gilt für alle Marienverehrer das Wort: Dignare me laudare, te Virgo sacrata, da mihi virtutem contra hostes tuos; würdige mich, dich zu loben, heilige Jungfrau, gib mir Stärke wider deine Feinde! Es ist dies das Anliegen all derer, welche die Bedeutung einer tiefen Marienverehrung für die Überwindung der modernen Irrlehren und die Formung eines neuen Menschen- und eines neuen Gemeinschaftsbildes erkannt haben. Der Verherrlichung der jungfräulichen Gottesmutter Maria zu dienen und für die Anerkennung ihrer Stellung im Heilsplan und ihre Sendung in der Gegenwart nach Kräften einzutreten, damit die Menschen durch sie zu einer lebendigen Christuserkenntnis gelangen, das ist auch das Anliegen der Mitglieder des Albertus-Magnus-Vereins.
Papst Johannes Paul II. betont in seinem ersten großen Hirtenbrief Redemptor hominis: «Niemand kann uns besser in die göttliche und menschliche Dimension des Geheimnisses Christi und der Erlösung einführen als Maria. Niemand ist wie Maria von Gott selbst in dieses Geheimnis eingeführt worden.»
Es gibt viele Wege, Maria kennen und lieben zu lernen, aber einer der besten ist gewiß das betrachtende Lesen dieses einzigartigen Werkes der spanischen Äbtissin Maria von Agreda: Die Mystische Stadt Gottes. Damit die Leser es richtig verstehen, braucht es zuerst das Gebet, besonders zum Heiligen Geist. Denn Er wird die Schönheit seiner Braut, die Herrlichkeiten Mariens, nur den demütigen, ehrfürchtigen und liebenden Seelen offenbaren. Darum haben wir in jedem Band einige Gebete genannt und empfohlen, die der Lesung vorausgehen oder nachfolgen sollen. Um die Bedeutung dieses Werkes gerade für unsere Zeit aufzuzeigen, schien es uns notwendig zu sein, es in die gegenwärtige Situation der Kirche hineinzustellen. Dies konnte freilich nicht im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit geschehen, sondern es sollten nur einzelne Gedanken in den vier Bänden bei der Einführung dazu angegeben werden. Dabei ließen sich Wiederholungen nicht vermeiden. Vielleicht werden manche Leser darin eine Hilfe empfinden, die ihnen Wege zeigt, wie man anderen, denen eine solche mystische Literatur völlig unbekannt ist, Zugänge zum Geheimnis Mariens erschließen kann. Deshalb seien nun im vierten Band die Überlegungen der vorausgehenden zusammengefaßt und ergänzt in den drei Grundgedanken:

I. Die Stellung Mariens in der Heilsgeschichte nach der Lehre der Kirche
Die Verkündigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis Mariens leitete eine neue Entwicklung ein. Theologen und Bischöfe suchten es immer mehr in Zusammenhang mit den anderen Mariendogmen zu verstehen. Dabei hat besonders Professor Matthias Scheeben von Köln durch seine spekulative Schau auf die Grundwahrheit, den Personalcharakter Mariens, hingewiesen, den er als «bräutliche Gottesmutterschaft» bezeichnete. Papst Pius X. wandte sich in seiner berühmten Enzyklika Ad diem illum (1904) gegen die Versuche der Modernisten, die Marienverehrung abzuwerten. Er zeichnete ein leuchtendes Bild der unlösbaren Verbindung zwischen Christus und Maria im Heilsplan Gottes, wenn er schreibt: «Die Lebens- und Aufgabengemeinschaft zwischen Mutter und Sohn ist niemals gelöst worden». «Für wen ist es nicht eine ausgemachte Sache, daß kein Weg leichter und sicherer ist, alle Menschen an Christus zu binden und durch ihn die vollkommene Kindschaft zu erlangen, damit wir heilig und makellos seien in den Augen Gottes, als der Weg durch Maria.» «Sie, die Teilhaberin seiner Pläne und verborgenen Ratschlüsse, lebte das Leben ihres Sohnes. Niemand hat so tiefgreifend Christus erkannt wie sie; daher ist niemand so geeignet wie sie als Führerin und Lehrerin zur Christuserkenntnis», ja, wir erlangen durch sie nicht nur eine rationale, sondern eine «vitale Christuserkenntnis (vitalis Christi notitia).»
Den Höhepunkt in unserem Jahrhundert bildet ohne Zweifel die Verkündigung des Dogmas von der Aufnahme Mariens in den Himmel am 1. November 1950. Als die Völker durch den Krieg furchtbar heimgesucht worden waren, als der Tod Millionen hinweggerafft hatte, als das Menschenbild und die Menschenwürde in ungezählten entehrt und geschändet worden war, da zeigte Papst Pius XII. durch dieses Dogma der Welt das Bild des in Gott vollendeten Menschen. Er gab damit Antwort auf die brennende Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Wert des Menschenleibes, der im Krieg in so vielen Opfern zertreten und vernichtet wurde, auf die Frage nach den letzten Dingen des Menschen und der Welt. Die Assumpta ist die Antwort Gottes und zugleich die Verheißung unserer Auferstehung und künftigen Vollendung als ganze Menschen mit Leib und Seele in der Herrlichkeit Gottes. Das II. Vatikanische Konzil hat am 21. November 1964 die dogmatische Konstitution über die Kirche beschlossen, die ihren Abschluß und ihre Krönung im 8. Kapitel findet, das den Titel trägt: «Die selige, jungfräuliche Gottesmutter Maria im Geheimnis Christi und der Kirche». Es wird darin in einzigartig schöner Weise biblisch fundiert die Aufgabe der seligen Jungfrau Maria im Heilswerk dargelegt. «Sie war im Hinblick auf die Verdienste ihres Sohnes auf erhabenere Weise erlöst und mit ihm in enger, unauflöslicher Verbindung geeint . . ., sie ist Mutter der Glieder Christi, . . . denn sie hat in Liebe mitgewirkt, daß die Gläubigen in der Kirche geboren werden. Sie wird als überragendes und völlig einzigartiges Glied der Kirche wie auch als ihr Typus und klarstes Urbild im Glauben und in der Liebe gegrüßt, und die Katholische Kirche verehrt sie, vom Heiligen Geist belehrt, in kindlicher Liebe als geliebte Mutter» (K 53).
Als Vollendung der kirchlichen Lehre über Maria wird in der Gegenwart von vielen erstrebt und ersehnt, die Verkündigung der Wahrheit von Maria als Miterlöserin, Gnadenmittlerin und Fürsprecherin. Dies ist wohl eingeschlossen in dem Wort von Maria als der Mutter der Kirche, aber die Entfaltung dieses Titels und die theologische Durchdringung würde dem Glaubensleben und der Liebe zur Kirche einen mächtigen Anstoß geben. Möge der Heilige Geist, wenn die Stunde da ist, die Leitung der Kirche zu diesem «abschließenden marianischen Dogma» führen.

II. Die Marienerscheinungen der neueren Zeit
1. Tatsachen, Mahnungen und Verheißungen durch die Jahrhunderte.
Die Kirche, die die Glaubenswahrheiten über die Gottesmutter verkündet, singt ihr Lob bei allen Völkern getreu dem prophetischen Wort Mariens im Magnificat: «Selig werden mich preisen alle Geschlechter». Sie hat aber auch vom Himmel her eine Antwort erfahren durch das oftmalige Eingreifen der Himmelskönigin in der Geschichte der Kirche. Die mütterliche Sorge der Assumpta, der mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommenen Mutter des Erlösers, ist allen Erlösten auf Erden nahe, die ihr der Sohn vom Kreuz herab in Johannes mit den Worten anvertraut hat: "Siehe da deinen Sohn!".
Die ungezählten Gnadenorte in den verschiedensten Ländern geben davon Zeugnis, aber auch die wunderbare Hilfe, die die Christenheit in schwerer Not immer wieder erfahren hat; man denke an den Sieg bei Lepanto über die Türken, 1571. Ein lebendiges Zeugnis ihrer Mutterliebe und Muttersorge sind auch die Marienerscheinungen, die seit dem vergangenen Jahrhundert sich gehäuft haben. Sie waren nicht nur Begnadungen einzelner frommer Seelen, sondern bedeuteten vielmehr eine Botschaft an die Kirche und an die Völker. Ist es nicht auffallend, wie dem Dogma von der Immaculata die Erscheinung Mariens gegenüber der Vinzentinerin Katharina Laboure 1830 vorausging, wo die Allerseligste Jungfrau den Auftrag gab, die «Wundertätige Medaille» prägen zu lassen mit der Inschrift: «O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir unsere Zuflucht zu dir nehmen!» Und diese Wahrheit von dem einzigartigen Privileg Mariens, die 1854 als Dogma verkündet wurde, ist durch die Erscheinung in Lourdes 1858 vom Himmel bestätigt worden. Als Bernadette im Auftrag des Pfarrers mehrmals die Erscheinung fragte, wer sie sei, gab sie zur Antwort: «Ich bin die Unbefleckte Empfängnis». Wir dürfen mit Recht sagen, daß die Marienerscheinungen seit 1830 bis in unsere Tage die Aussagen des kirchlichen Lehramtes bestätigt und das katholische Volk im Glauben bestärkt haben. Schon der große Kölner Theologe Matthias Scheeben (gest. 1888) schrieb eine eigene Abhandlung darüber, wie das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes (1870) in einem bedeutungsvollen Zusammenhang mit der Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis Mariens zu sehen ist. Von ihr sagt ja die Kirche in ihrer Liturgie: «Tu sola cunctas haereses interemisti in universo mundo. Du allein hast alle Irrlehren in der Welt überwunden.» Die Wunder der körperlichen Heilung und noch mehr die Gnadenwunder an den Seelen, die Bekehrungen, die an solchen Erscheinungsorten sich ereigneten und weiter ereignen, wollen zum Glauben führen; sie sind Zeichen dafür, daß Gott am Werke ist. Das war auch der Sinn der Wunder des Herrn in seinem Erdenleben, wie es der Apostel Johannes bei der Hochzeit zu Kana treffend ausdrückt. «So machte Jesus den Anfang seiner Wunder und seine Jünger glaubten an ihn» (Joh 2,11).
Einen Höhepunkt der Marienerscheinungen stellt Fatima dar. Dort offenbarte sich Maria als die Königin des heiligen Rosenkranzes. Aber ihre Worte galten nicht nur den drei einfachen Hirtenkindern, sondern ihr Blick ging weit hinaus über die Cova da Iria in die Zukunft der Kirche und der Völker. In jenem Jahr 1917 brachen weltgeschichtliche Dimensionen auf, wie manche Historiker heute feststellen. Mehrere Ereignisse waren von entscheidender Bedeutung: der Eintritt Amerikas in den Ersten Weltkrieg, das Scheitern der Friedensvermittlung des Papstes Benedikt XV., wobei der damalige Nuntius Eugen Pacelli beim deutschen Kaiser Wilhelm II. vorgesprochen hatte, und die russische Revolution. In ihr brachte der gottlose Kommunismus das größte Land Europas unter seine Herrschaft, das nun zur Basis der Weltrevolution werden sollte. In jener Zeit der gewaltigen Entscheidung, als die Politiker und die Völker noch nicht im geringsten die ungeheure Gefahr ahnten, die auf sie zukam, trat als himmlische Macht die Königin des Himmels und der Erde auf den Plan, um der Christenheit den Weg zur Rettung zu zeigen: Gebet und Buße, Rosenkranz, die Sühnesamstage und die Weihe an ihr Unbeflecktes Herz.
Die Worte Mariens aber waren kein unverbindliches Angebot, das zu nichts verpflichtet, vielmehr stellte die Königin an der Seite des Christkönigs die Gläubigen und die Hirten der Kirche vor die Entscheidung: Wenn man meine Wünsche erfüllt, wird Friede sein; wenn nicht, wird Rußland seine Irrlehren über die ganze Welt verbreiten, es wird Kriege und Verfolgungen der Kirche verursachen; viele Gute werden gemartert werden, der Heilige Vater wird viel zu leiden haben, mehrere Nationen werden vernichtet werden . . . ! Hier ist uns der Schlüssel zum Verständnis des ungeheuren Kampfes der Geister, des apokalyptischen Ringens in unserem 20. Jahrhundert in die Hand gegeben. Die Fronten sind offenbar geworden. Es ist der gewaltige Kampf zwischen Glaube und Unglaube, zwischen dem feuerroten Drachen und der Frau der Geheimen Offenbarung, die als das große Zeichen am Himmel erscheint, mit der Sonne umkleidet, den Mond zu ihren Füßen und die Krone von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Die Kirchenlehrer sahen in dieser Frau seit der frühen Christenheit Maria und in ihr die Kirche.
Maria hat in den vergangenen Jahrzehnten dieses Jahrhunderts nicht aufgehört, die Menschen zu mahnen, zu warnen, sie aufzurütteln. Im zweiten Band (S.29) sind einige aus der Vielzahl der Marienerscheinungen genannt. Der Inhalt der Botschaften ist eine Entfaltung dessen, was Maria in Fatima gesagt hat, jedoch werden ihre Worte drängender, ernster. Es sind keineswegs nur Drohbotschaften, es ist nicht nur die Rede von drohenden Katastrophen, wie oft behauptet wird, vielmehr sind es vor allem Mahnungen voll mütterlicher Güte, Verheißungen ihres Beistandes und ihres himmlischen Eingreifens zur Rettung der Kirche, wenn die Feinde der Kirche triumphieren. Und sie ruft zum restlosen Einsatz für die Rettung der Seelen, für die Bekehrung der Sünder, zum Opfer, zum Kreuztragen, zur Sühne. Aber wie viele verschließen sich ihrem Ruf an die Welt. Darum klagt sie ergreifend: «Die ganze Welt bin ich durchwandert und habe an so vielen Orten gesprochen, aber man wollte mich nicht hören.» Nur das Herz einer Mutter kann so sprechen: «Ich liebe alle meine Kinder, ich will alle retten, auch die Sünder. Meine Liebe umfaßt die ganze Welt.»
Wie menschlich nahe, wie mütterlich ist die Art Mariens in ihrer Sorge um das Heil der Menschen. Wenn ein Sohn, eine Tochter sich im Trotz von der Mutter abwendet und schlechte Wege geht, Wege, die ins Verderben führen; wenn alle Worte der Mutter vergeblich sind, dann bleiben ihr nur noch die Tränen. Ja, sie weinte Tränen, damals in Syrakus 1953, und sie weint in unserer Zeit blutige Tränen. (s. Bild: Heroldsbach). Sind sie nicht vergleichbar den blutigen Tränen ihres Sohnes am Ölberg, als die Todesangst sein Herz zusammenpreßte? Tränen einer Mutter, die unsagbares Mitleid hat mit so vielen, die verloren gehen, mit so vielen, die den Kreuzweg ihres Sohnes gehen. Wir werden wohl zuerst den Karfreitag mit der Kirche durchleiden müssen, aber wir dürfen gewiß sein, daß in der größten Bedrängnis die Mater dolorosa uns nahe sein wird, die Königin der Märtyrer. Und wir dürfen auf ihre Verheißungen vertrauen.
In den dunkelsten Stunden, wenn alles verloren scheint, wenn der Satan glaubt, die Weltherrschaft an sich gerissen zu haben, wird sie erscheinen, um dem Drachen seine Beute zu entreißen und ihm aufs neue den Kopf zu zertreten. Ein neues Ostern wird der Kirche und der Welt geschenkt werden. Und der Sieg der Kirche wird in einer einzigartigen Weise der Sieg Mariens sein. Ihre Verheißung in Fatima lautet - man beachte die Reihenfolge -: «Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren. Der Heilige Vater wird mir Rußland weihen, das sich bekehren wird, und der Welt wird eine Zeit des Friedens geschenkt werden.»

2. Die Bedeutung der Marienerscheinungen für das Leben der Kirche

Das Leben der gottseligen Äbtissin Maria von Agreda war ungeteilte, jungfräuliche Hingabe an Gott und zugleich ein selbstloser Dienst an ihren Mitschwestern, denen sie eine erleuchtete Oberin und Führerin zu den Höhen geistlichen Lebens war. Der Einbruch des Übernatürlichen zeigte sich jedoch besonders in den Gnaden des mystischen Aufstieges und in den Charismen, die ihr von Gott zur Erfüllung ihrer Sendung gegeben wurden. Sie erhielt vom Herrn selbst den Auftrag, über das Leben seiner Mutter, der Allerseligsten Jungfrau, alles zu schreiben, was sie in seinem göttlichen Lichte geschaut hatte. Sie zögerte in ihrer Demut lange, weil sie sich nicht für würdig hielt, mußte schwere dämonische Angriffe bestehen, doch dann schenkte ihr Gottes Geist neue Erleuchtungen, die eingegossene Kenntnis der ganzen Heiligen Schrift, das Verständnis der lateinischen Sprache und die Fähigkeit, theologische Begriffe genau in ihrer Muttersprache auszudrücken. Die Gottesmutter selbst nahm sie als ihre Schülerin an, unterrichtete sie und gab ihr himmlische Lehren zur Nachahmung ihrer Tugenden. Diese Lehren der Himmelskönigin sind fast jedem Kapitel dieser Bücher beigegeben; sie können nicht nur für Priester und Ordensleute, sondern auch für alle Christen in der Welt, in Beruf und Familie, eine ausgezeichnete Schule des Vollkommenheitsstrebens werden.
Wenn wir von Erscheinungen Mariens, der Heiligen und der Engel in unserer Zeit hören, fragen wir: Welche Bedeutung haben diese ausßerordentlichen Geschehnisse und Gnadengaben für das Leben der Einzelnen und für die Gemeinschaft der Kirche? Das rationalistische Denken unserer Zeit lehnt diese Dinge rundweg ab und verweist sie in das Reich der Phantasie. Oder man schließt sie oft als völlig unbedeutende Randerscheinungen aus dem Leben der Kirche aus, betrachtet sie gar argwöhnisch und hält sie schädlich für eine «gesunde Frömmigkeit». Doch hat schon vor Jahren Bischof Dr. Rudolf Graber einmal darüber geklagt, daß der Verlust der Mystik einen unersetzlichen Verlust für die Theologie der Gegenwart darstelle.
Was lehrt die Kirche? Sie unterscheidet zunächst zwischen der kanonischen Offenbarung und Privatoffenbarungen. Die kanonische Offenbarung ist niedergelegt in der Heiligen Schrift und ist abgeschlossen mit dem Tod des letzten Apostels. Diese Offenbarung zu glauben sind alle Christen verpflichtet (Fide divina). Das schließt aber keinesweg aus, daß Gott durch alle Zeiten der Kirchengeschichte hindurch zu einzelnen Menschen sprechen und ihnen Weisungen für die Gemeinschaft der Kirche und ihre Hirten geben kann. In seiner Pfingstpredigt weist der heilige Petrus darauf hin, daß nach dem Propheten Joel, Gott seinen Geist ausgießt über Söhne und Töchter, Knechte und Mägde, die prophezeien und daß Greise Gesichte schauen, (vgl. Apg 2,17)
In den ersten Christengemeinden entfaltete sich das religiöse Leben in mancherlei Gnadengaben, wie sie der Völkerapostel Paulus in seinen Briefen wiederholt nennt (vgl. 1 Kor 12,1-31, ferner Kap. 13 und 14). Er spricht von der Gabe zu leiten, zu lehren, zu ermahnen, ebenso auch vom Zungenreden und seiner Deutung, und von der Gabe der Prophetie. Es gab noch nicht die scharfe Trennung von Amt und Charisma; alle Gaben sollten dem Aufbau des Leibes Christi dienen, wobei jeder mitwirken solle nach der Gabe, die Gott ihm gegeben (1 Petr 4,10). Damit die Einheit des Geistes gewahrt bleibt, hat die kirchliche Autorität die Pflicht, gewissenhaft und genau alles zu prüfen, was an charismatischen Gaben im Raum der Kirche sichtbar wird. Es hat zu allen Zeiten auch falsche Propheten gegeben, die Verwirrung stifteten. Darum ist es verständlich, wenn die kirchliche Behörde zunächst zurückhaltend ist und oft jahrelang prüft. Aber sie darf nicht ein Wirken des Gottesgeistes ausschließen. St. Paulus gibt die Regel: «Den Geist löschet nicht aus! Prophetengabe verachtet nicht! Prüfet alles, das Gute behaltet!" (1 Thess 5,19-21). Nachdem lange Zeit ein stark juridisches Kirchenbild diese Gaben unterbewertet hatte, hat das II. Vatikanische Konzil in seiner Konstitution über die Kirche (die wohl das Kernstück darstellt) die Bedeutung dieser Gaben von Charisma, Prophetie und Mystik für das Wachstum des Gottesvolkes und den Aufbau des geheimnisvollen Leibes Christi, der Kirche, neu herausgestellt. Die Konzilsväter haben betont, daß solche Gnadengaben in den Sorgen und Nöten der Kirche eine besondere Hilfe bedeuten: «Derselbe Heilige Geist heiligt außerdem nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente und Dienstleistungen, er führt es nicht nur und bereichert es mit Tugenden, sondern teilt den einzelnen, wie er will (1 Kor 12,11) seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden. Durch diese macht er sie geeignet und bereit, für den vollen Aufbau der Kirche verschiedene Werke und Dienste zu übernehmen, gemäß dem Wort: «Jedem wird der Erweis des Geistes zum Nutzen gegeben» (1 Kor 12,7). Solche Gnadengaben, ob sie nun von besonderer Leuchtkraft oder aber schlichter und allgemeiner verbreitet sind, müssen mit Dank und Trost angenommen werden, da sie den Nöten der Kirche besonders angepaßt und nützlich sind . . . Das Urteil über ihre Echtheit und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten (1 Thess 5,12) (K 12). Der Konzilstext stellt diese Gaben in den Rahmen des christlichen Tugendstrebens und der Arbeit für das Gottesreich und sagt: «Außerordentliche Gaben soll man nicht leichthin erstreben. Man darf auch nicht vermessentlich Früchte für die apostolische Tätigkeit von ihnen erwarten». Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß der Christ auf dem gewöhnlichen Weg im Alltag sich bewähren muß in der Übung der drei göttlichen Tugenden, besonders der Liebe. Fruchtbarkeit und Segen für das religiöse Leben und die Ausbreitung des Glaubens darf außerdem nicht allein von den besonderen Gaben erwartet werden, sondern von der Erfüllung des Sendungsauftrags, den der Herr vor seiner Himmelfahrt den Jüngern gegeben hat.
Wenn manche Theologen der Gegenwart den Marienerscheinungen ablehnend gegenüberstehen, so liegt der Grund in einer rationalistischen Geisteshaltung, die diese charismatischen Gaben in ihrer Bedeutung für das Leben der Kirche nicht erkannte und nicht einzuordnen vermochte in ihr System. Vielfach glaubte man, mit dem Wort «Privatoffenbarung» sei gesagt, diese Dinge seien, weil nicht verpflichtend, völlig unbedeutend für das Leben der Kirche; man könne dies also der Privatfrömmigkeit überlassen. Doch der bekannte Theologe Karl Rahner hat bereits 1951 in einer Abhandlung «Visionen und Prophezeiungen» erklärt: «Privatoffenbarungen sind in ihrem Wesen ein Imperativ, wie in einer bestimmten heilsgeschichtlichen Situation von der Christenheit gehandelt werden soll. Sie sind wesentlich keine neuen Behauptungen, sondern ein neuer Befehl Es gilt wohl auch hier das Wort, das in der Geheimen Offenbarung des hl. Johannes am Schluß der letzten vier Sendschreiben an die Gemeinden in Kleinasien steht: Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt (Apk 2,29, 3,6, 3,13, 3,22).
Das Wort «Privatoffenbarung» besagt ein Sprechen Gottes, der Engel und der Heiligen zu einzelnen Personen in Dingen, die sie allein angehen. Bei manchen Erscheinungen hat die Gottesmutter den Sehern Geheimnisse anvertraut, die sie als ihr persönliches Geheimnis gehütet haben. Doch in anderen Fällen gab sie den Auftrag: «Tut dies meinem ganzen Volke kund» (La Salette)! Viele erhielten die Weisung, diese Botschaften dem Beichtvater, dem Bischof oder gar dem Papst zu übermitteln (Luzia von Fatima). Manche dieser Begnadeten haben sehr darunter gelitten, daß ihre Worte oft lange nicht ernst genommen wurden, obwohl sie eine eminente Bedeutung für die ganze Kirche hatten. Denken wir an die Visionen der hl. Juliana von Lüttich, die zum Fronleichnamsfest den Anstoß gaben und an die hl. Margareta Maria Alacoque, die der Herz-Jesu-Verehrung in der Kirche den Weg bahnten. Diese Stimmen, die vom Himmel kamen, ergingen wohl an einzelne privat, aber der Inhalt war an die Öffentlichkeit der Kirche gerichtet als eine Weisung für das Handeln der Kirche in einer bestimmten Zeitlage.
Ein weiterer Grund der Geringachtung der Marienerscheinungen liegt auch in der Tatsache, daß Maria vor allem Menschen aus einfachen Verhältnissen und Frauen, ja sogar Kindern sich offenbarte. Aber entspricht dies nicht einem Grundgesetz in der Gnadenführung Gottes, wie St. Paulus an seine Gemeinde in Korinth gechrieben hat: «Das, was die Welt töricht nennt, hat Gott erwählt, um das Weise zu beschämen, und was die Welt schwach nennt, hat Gott erwählt, um das Starke zu beschämen» (1 Kor 1,26 f.).
Als die Äbtissin Maria von Agreda vom Himmel den Auftrag bekam, das Leben der Gottesmutter nach ihren Visionen niederzuschreiben, empfand sie große Hemmungen und wehrte sich lange dagegen, weil sie als «unwissende und ungelehrte Frau» dazu nicht imstande sei, während es doch sehr gelehrte und fromme Theologen gebe, die eher dazu befähigt seien. Aber die Himmelskönigin tröstete und ermunterte sie, es sei sehr angemessen, daß weder ein Engel noch ein hochgelehrter Mann dies aufzeichne, weil man sonst das Werk seiner eigenen Wissenschaft zuschreiben könnte. «Ich finde ein besonderes Wohlgefallen daran, daß gerade du das Werkzeug bist. Denn daraus werden alle erkennen, daß sich in dieser Geschichte nichts findet, was von dir stammt, und daß du dir dabei nicht mehr Verdienst zurechnen darfst als der Feder, mit der du schreibst. Denn du bist nichts weiter als das Werkzeug in der Hand Gottes und die Dolmetscherin meiner Worte». Wird hier nicht die Linie der «Exinanitio», der Selbstverdemütigung Gottes sichtbar, der sich zu den Armen, Schwachen und Kleinen herabneigt und sie erwählt für seine Pläne? Hat nicht Jesus selbst diesen Grundzug göttlichen Handelns in der Wahl seiner Apostel geoffenbart und ihn ausgesprochen in dem bekannten Logion, dieser einzigartigen Lobpreisung, nach der Rückkehr seiner Jünger von ihrer ersten Aussendung: «Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du dies vor Weisen und Klugen verborgen, den Kleinen aber geoffenbart hast. Ja, Vater, so war es wohlgefällig vor dir» (Mt 11,25, Lk 10,21).

III. Apostel Mariens in unserer Zeit
1. Die Fruchtbarkeit der Marienverehrung für das religiöse Leben
Um die Allerseligste Jungfrau in das Blickfeld der Gläubigen zu bringen, die Liebe zu ihr in den Herzen zu wecken und um Apostelseelen zu bilden, schenkte Gott der Kirche immer wieder besonders begnadete, heilige Priester und Laien, Männer und Frauen, die unter dem Schutze Mariens geformt wurden und ungezählten Führer geworden sind zu einer innigen Liebe zu Christus und zur Kirche. Es zeigt sich, daß die Entfaltung der Marienlehre vom Heiligen Geist schon früher im Leben der Heiligen vorgezeichnet war, die Maria innig verehrten. Sie wurden dadurch in tiefer Weise hineingeführt in das Mysterium Christi und seines mystischen Leibes, der Kirche. Die Sendung und das Wirken der Gottesmutter waren nicht beendet mit ihrem Tod. Das Konzil erklärt: «Die Mutterschaft Mariens in der Heilsordnung («Gnaden-Ökonomie») dauert unaufhörlich fort von der Zustimmung an, die sie bei der Verkündigung gläubig gab und unter dem Kreuz ohne Zögern festhielt, bis zur ewigen Vollendung aller Auserwählten. In den Himmel aufgenommen, hat sie ihren heilbringenden Auftrag nicht aufgegeben, sondern fährt durch ihre vielfältige Fürbitte fort, uns die Gaben des ewigen Heiles zu erwirken. In ihrer mütterlichen Liebe trägt sie Sorge für die Brüder ihres Sohnes, die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen, bis sie zur seligen Heimat gelangen (K62). Maria vereinigt, da sie zuinnerst in die Heilsgeschichte eingegangen ist, gewissermaßen die größten Glaubensgeheimnisse und strahlt sie wider. Daher ruft ihre Verkündigung und Verehrung die Gläubigen hin zu ihrem Sohn und seinem Opfer und zur Liebe des Vaters.» Der Text weist ferner darauf hin, daß die Kirche in ihrem apostolischen Wirken nichts anderes will, als daß Christus in den Herzen der Gläubigen geboren wird und fährt fort: «Diese Jungfrau war in ihrem Leben das Beispiel jener mütterlichen Liebe, von der alle beseelt sein müssen, die in der apostolischen Sendung der Kirche zur Wiedergeburt der Menschen mitwirken» (K65).

2. Marienverehrer der letzten Jahrhunderte
Johannes Eudes, Ludwig Maria Grignion
Diese beglückende Wahrheit ist schon in früheren Jahrhunderten in der Gestalt großer Marienverehrer aufgeleuchtet und wird immer deutlicher sichtbar in unseren Tagen. Wir nennen einige bedeutende Gestalten, welche die Mariologie theologisch vertieft und Wege zu einer innigen Marienverehrung gewiesen haben. In Frankreich traten im 17. Jahrhundert zwei Priester auf, deren Leben, Lehre und Frömmigkeit für die theologische und aszetische Begründung von großer Bedeutung waren.
Jean Eudes (1601-1680) war zuerst Oratorianer, gründete aber dann selbst in Caen in Nordfrankreich eine Kongregation, die «Genossenschaft von Jesus und Maria», die sich vor allem den Seminarien und Volksmissionen widmen sollte. Er schrieb ein bedeutendes Werk und entwickelte eine eigene Spiritualität, die in besonderer Weise die Verehrung des Herzens Jesu und des Herzens Mariae zum Inhalt hatte. Ferner schuf er ein Offizium und Meßgebete zu Ehren des Herzens Mariae und später zu Ehren des göttlichen Herzens Jesu. Seine letzten Lebensjahre widmete er der Arbeit an einer umfangreichen Abhandlung über «Das wunderbare Herz der Allerseligsten Gottesmutter». Im Jahr 1925 wurde er heiliggesprochen.
Ein anderer französischer Priester trat in seine Fußstapfen, Ludwig Maria Grignion von Montfort (1673-1716). Henri Bremond nennt in seinem Werk über die französische Religiosität im 16. und 17. Jahrhundert Ludwig M. Grignion «den unübertroffenen Meister in Fragen der marianischen Frömmigkeit». Unter seinen Schriften sind vor allem zwei bekannt geworden, die eine weltweite Verbreitung fanden, das Buch «Abhandlung über die wahre Andacht zu Maria» und «Das Geheimnis Mariens». Beide befassen sich mit der einzigartigen Stellung Mariens im Heilswerk Christi und mit ihrer Stellung gegenüber den durch Christus erlösten Menschen. Sehr eindrucksvoll legt er die Bedeutung der «vollkommenen Hingabe an Maria» dar und die Früchte dieser Weihe-Hingabe für das gesamte innere Leben. Er suchte bewußt die Marienverehrung als Weg zur christlichen Vollkommenheit aufzuzeigen und nennt Maria «Mutter des Erlösers, dessen erhabene Gefährtin im Heilswerk und fürbittende Gnadenvermittlerin». Sein Werk wurde in 40 Sprachen übersetzt, - ein Erfolg, wie ihn nur noch eine andere marianische Schrift, nämlich «Die Herrlichkeiten Mariens» des hl. Bischofs Alfons von Liguori erreichte.
Der heilige Pfarrer von Ars, Johannes Maria Vianney, war ein Mann des Gebetes und der Anbetung vor dem Allerheiligsten Altarsakrament und ein charismatisch begnadeter Beichtvater und Seelenführer, zugleich aber auch ein inniger Marienverehrer. In seiner Pfarrgemeinde nahm er auf eine volkstümliche, kindlich anschauliche Weise eine Weihe an das Herz Mariae vor. Er schrieb die Namen all seiner Pfarrkinder auf Zettel, legte sie in eine kleine Kapsel und brachte diese an der Marienstatue am Herzen der Madonna an. - Nicht geringer war die Marienliebe der kleinen heiligen Theresia von Lisieux (1873-1897). Mit welcher Verehrung hat sie von der Gottesmutter gesprochen. Sie hatte die Überzeugung, daß sie als zehnjähriges Kind in ihrem Elternhaus durch das gütige Lächeln der Gottesmutter, deren Statue im Zimmer war, von schwerer Krankheit geheilt worden sei. - Der große Jugenderzieher Don Bosco (1815-1888) baute seine Werke unter dem Schutz Mariens auf, errichtete zu ihrer Ehre die Kirche «Maria Ausiliatrice» (Maria-Hilf) und pries sie als «die große und einzigartige Schutzwehr der Kirche» (magnum et singulare ecclesiae praesidium). Gott hatte ihm besondere charismatische Gaben geschenkt, auch die Gabe der Schau in die Zukunft. Er sah in einer Vision das große Schiff der Kirche, von andern umgeben, auf dem stürmischen Meer. Es wurde von einer feindlichen Flotte angegriffen und war aufs schwerste bedroht. Doch von zwei Leuchttürmen strahlte helles Licht in das Dunkel. Auf dem einen Turm war die Monstranz zu sehen, auf dem anderen die Statue Mariens mit dem Titel «Hilfe der Christen». All jene Schiffe fanden die Rettung, die zwischen diesen beiden Türmen hindurch in den sicheren Hafen gelangten.
Wir dürfen den schlichten heiligen Konrad von Parzham (1818-1894) nicht vergessen, der 40 Jahre als einfacher Kapuzinerbruder im St. Annakloster seinen Dienst an der Pforte verrichtete. Bei ihm zeigte sich, wie bei vielen Heiligen der neueren Zeit, die innige Verbindung der Verehrung des eucharistischen Herrn und der Gottesmutter. Man nannte ihn gerne den «Pförtner Unserer Lieben Frau». Er, der stundenlang anbetend vor dem Allerheiligsten kniete, wußte sich demütig als Kind Mariens, der Gnadenmutter von Altötting, der er die Menschen zuführte, die Pilger und die Bettler. Er lebte in dieser urkatholischen Atmosphäre und in dieser ungetrübten Einheit, wie sie Pater Philipp Jeningen, der Volksmissionar im schwäbischen Land um Ellwangen, einmal klassisch formuliert hat: Eucharistia et Maria sint nobis vita et via; die Eucharistie und Maria seien uns Leben und Weg!
Im Leben des heiligen Nikolaus von Flüe, dem Patron der Schweiz, finden wir diese Wahrheit bestätigt. Er war der große Beter und Büßer; zwanzig Jahre lebte er ohne Nahrung, nur das Brot des Lebens war seine Speise. Seine himmlische Königin erschien ihm öfter und führte ihn in die Geheimnisse der ewigen Weisheit ein, die er im Rosenkranz betrachtete. In dieses Gebet legte er die Fürbitten für die vielen Menschen, die mit ihren Nöten zu ihm kamen.

3. Marianische Gemeinschaften
Die immerwährende Sorge der Mutter der Kirche scheint in unserer Zeit nicht nur darauf ausgerichtet zu sein, die Gläubigen zu stärken und die einzelnen zur christlichen Vollkommenheit zu führen. Sie will vielmehr Gemeinschaften mit wahrhaft apostolischer Gesinnung heranbilden, die sich ihr als wohlgeordnetes Heer zur Verfügung stellen, um gegen die dämonischen Mächte der Gegenwart zu kämpfen.

Frank Duff und die Legion Mariens
In Irland entstand kurz nach dem Ersten Weltkrieg die «Legion Mariens», die sich über die ganze Welt ausgebreitet und der Kirche unschätzbare Dienste erwiesen hat. Papst Johannes Paul II. sagte über dieses Land: «Ich reise nach Irland, der Insel der Heiligen, vor allem aus Anlaß der 100-Jahr-Feier des Marienheiligtums von Knock und dann auf Einladung der Bischöfe jenes Landes. Ich möchte den Iren die schuldige Anerkennung für die diamantharte Treue, die sie im Lauf der Jahrhunderte gegenüber Christus, der Kirche und dem Heiligen Stuhl bekundet haben, zum Ausdruck bringen und darüber hinaus den lebhaften Dank für die starke missionarische Begeisterung, die sie immer angespornt hat, die Botschaft des Evangeliums in der ganzen Welt zu verbreiten.»
In der irischen Hauptstadt Dublin trafen sich am 7. September 1921 eine Anzahl von Katholiken. Sie hatten kein großes Vorhaben. Sie wollten nur beraten, wie sie in den schwierigen Verhältnissen der Großstadt Gott am besten dienen könnten. In einer Privatwohnung saßen sie um einen Tisch, auf dem inmitten von Kerzen und Blumen die Statue der Immaculata nach dem Vorbild der wunderbaren Medaille stand. Nach einem Gebet zum Heiligen Geist beteten sie kniend den Rosenkranz. Hierauf überlegten sie, wie sie in ihrer Umgebung für das Gottesreich arbeiten könnten. Es hatte wohl keiner gedacht, daß sich aus dieser Art ihrer ersten Versammlung ein System entwickeln werde, das zu einer neuen Kraft für das Apostolat und die gesamte Kirche werden sollte. Diese erste Gruppe trug den Namen «Mutter der Barmherzigkeit». Der Leiter dieser Gemeinschaft war Frank Duff, geboren am 6. Juni 1889 in Dublin, der mit der Glaubenskraft und der Zähigkeit der Iren sich für die Ausbreitung dieses Apostolats über ganz Irland und hinaus in die Länder Europas und der anderen Kontinente einsetzte. Diese Bewegung nannte sich Legion Mariens, weil sie sich im Blick auf die straff gegliederten Legionen des alten römischen Reiches als Kampftruppe zusammengeschlossen hatte, um unter der Führung Mariens der Kirche beizustehen in der Auseinandersetzung mit den gottfeindlichen Mächten der Welt. Der Vorabend des Festes «Mariae Geburt» wurde wahrhaft der Geburtstag einer tapferen Armee, die sich zu einem wirkungsvollen Instrument des Laienapostolates entwickelte. -Der Gründer Frank Duff lebte aus jener vollkommenen Hingabe an Maria, wie sie der heilige Ludwig Maria Grignion gelehrt hatte und er legte dies den Mitgliedern ans Herz: «Der Geist der Legion ist der gleiche Geist, der Maria selbst beseelt. Die Legion strebt besonders nach Mariens tiefer Demut und ihrem vollkommenen Gehorsam, nach ihrer engelhaften Milde und ihrem unablässigen Beten, nach ihrer allseitigen Abtötung, makellosen Reinheit und heldenmütigen Geduld, nach ihrer himmlischen Weisheit und ihrer bis zum Selbstopfer tapferen Gottesliebe, vor allem aber nach ihrem Glauben». Und er fügt hinzu: «Wenn die Marienverehrung solche Wunder wirkt, dann muß es unser großes Ziel sein, diese Wirkung auszulösen, der Welt Maria zu bringen. Und wie kann dies wirksamer geschehen als durch eine apostolische Bewegung . . . Maria selbst wird sich ihrer bedienen, um ihre mütterliche Aufgabe an den Seelen zu erfüllen und ihre ewige Sendung weiterzuführen, nämlich der Schlange das Haupt zu zertreten» (Handbuch der Legion Mariens, S.4 und 17).

Pater Maximilian Kolbe und die Miliz der Immaculata
Am 17. Oktober 1971 wurde im Petersdom zu Rom der polnische Franziskanerpater Maximilian Kolbe seliggesprochen. Maximilian, der nur aus Energie und schöpferischem Drang zu bestehen schien, bejahte den Weg der geistigen Kindheit der heiligen Theresia von Lisieux und war erfüllt von einem unbegrenzten Vertrauen auf die göttliche Vorsehung. Dazu kam die innigste Hingabe an Maria. «Achten wir darauf, uns durch die Unbefleckte leiten zu lassen, denn darin besteht das Wesen der Heiligkeit.» Zur Abwehr antikirchlicher Kräfte in Rom und ganz Italien gründete er mit fünf Mitbrüdern am 17. Oktober 1917, gerade vier Tage nach dem Wunder in Fatima, die «Miliz der Immaculata». Ihr Ziel war, «sich um die Bekehrung der Sünder, Häretiker, Schismatiker und besonders der Freimaurer zu kümmern und um die Heiligung aller». Die Forderungen waren: «Sich vollkommen der heiligen, Unbefleckten Jungfrau Maria zu übergeben, Werkzeug in ihren Händen zu sein und die <wunderbare Medaille> zu tragen». Er wirkte besonders durch sein Presse-Apostolat, die Herausgabe der Zeitschrift «Ritter der Immaculata», die in dem von ihm gegründeten Konvent in Niepokalanow unter größten Opfern hergestellt, es bis zum Jahre 1939 auf eine Auflage von 1 Million brachte. Von 1930 an war Pater Kolbe in Japan und baute dort mit unglaublicher Energie und einem unerhörten Gottvertrauen in der Stadt Nagasaki ein zweites Niepokalanow auf, um durch die Presse sowohl das Volk als auch die Gebildeten mit dem Katholischen Glauben bekanntzumachen. Von dort wurde er im Jahre 1936 wieder nach Polen zurückgerufen und gab weitere marianische Zeitschriften heraus für die Jugend, für die Kinder und eine sogar in lateinischer Sprache für die Priester der verschiedenen Nationen. Nachdem im Zweiten Weltkrieg Polen von Deutschen und Russen besetzt worden war, wurde Pater Kolbe im Februar 1941 von der Gestapo verhaftet und kam gegen Ende Mai in das berüchtigte Konzentrationslager Auschwitz. Als nach der Flucht eines Lagerinsassen zehn Häftlinge als Vergeltung zum Hungertod verurteilt wurden, meldete sich Pater Kolbe freiwillig, um einem Familienvater das Leben zu retten. Er starb am 14. August, dem Vorabend des großen Marienfestes. Und das war das Geheimnis seines Lebens: «Ich möchte mich im Dienste der Immaculata bis zur letzten Faser verzehren und verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Möge der Wind meine Asche in alle Himmelsrichtungen verwehen!» Dieser Wunsch ist buchstäblich in Erfüllung gegangen,
denn die Opfer im Lager wurden verbrannt. Umso heller aber leuchtet die Spur dieses Ritters der Unbefleckten am Himmel der Heiligen unserer Kirche.
Wenige Tage, bevor der Hungerbunker ihn aufnahm, sprach Pater Kolbe über die Beziehung zwischen der Unbefleckten und der Heiligsten Dreifaltigkeit. Seine Leidensgenossen führte er inmitten des Grauens «in das Reich der unendlichen Liebe, die eine einmalige Antwort in dem uneingeschränkten Ja der Unbefleckten Jungfrau findet. Sie ist ein Meisterwerk der Schöpfung, das die Erwartung der Jahrtausende erfüllt. In ihr vereinigen sich Himmel und Erde, die Liebe des Schöpfers und die ganze Liebe des in der Ordnung der Gnade für immer fruchtbar gemachten Geschöpfes. Als Mutter des fleischgewordenen Gottes, des ganzen Christus, des Hauptes und des mystischen Leibes, lebt sie nur, um uns das Leben zu schenken, ihren Sohn, der durch seinen Tod unseren Tod besiegt hat, in dem wir schon jetzt auferstanden sind» (M. Winowska: Das Geheimnis des Paters M.Kolbe, S. 15).
 

Pater Kentenich und das Schönstattwerk
Als Apostel Mariens wirkte in Deutschland durch seine erleuchtete Priesterpersönlichkeit und die Gründung der weltweiten marianisch- apostolischen Bewegung von Schönstatt Pater Joseph Kentenich. Geboren am 18. November 1885 in Gymnich bei Köln, weihte er sich schon im Alter von neun Jahren der Mutter des Herrn. Diese Weihe war so tiefgreifend, daß er später bekannte: «Was ich bin und was in Schönstatt geworden ist, verdanke ich der Gottesmutter». Maria hat ihn in einer einzigartigen Weise geformt; sie half ihm während seiner Studienzeit, die Krise des rationalistischen Denkens zu überwinden, die er selbst schmerzlich durchlitten hat. Er erkannte schon früh den heraufziehenden Kollektivismus im Nationalsozialismus wie im Kommunismus. Gegen diese Bedrohung des Christentums suchte er einen Damm aufzubauen, dem radikal gottlosen Menschentum einen ganz in Gott verankerten, alle natürlichen und übernatürlichen Bindungen bejahenden Menschen entgegenzustellen: die christliche Persönlichkeit. In der Schule Mariens reifte er heran zu einem begnadeten Erzieher, der die Stellung Mariens in der Heilsordnung klar erkannte und die Bedeutung einer tiefen Marienverehrung für die Seelsorge und die Erziehung gerade in der Gegenwart kraftvoll herausstellte. Vorsehungsgläubig wußte er die Zeichen der Zeit zu deuten und trug in seinem Geist das Bild der Kirche am neuen Ufer, das Bild des neuen Menschen und der neuen Gemeinschaft, beseelt von der Grundkraft der Liebe. Aus der kleinen Marianischen Kongregation der Missionsstudenten der Pallottiner wurde unter seiner Führung ein großes internationales Werk mit einer vielgestaltigen Gliederung von Priester- und Laiengemeinschaften, die sich der Königin der Apostel zur Verfügung stellen für die marianische Christusgestaltung der Welt. Er hatte eine überaus fruchtbare Erziehungsmethode, indem er nicht sich selbst und seine Ideen und Pläne in den Mittelpunkt stellte, sondern die Gnadenkapelle, das Heiligtum der Dreimal Wunderbaren Mutter und die Person der Gottesmutter. «Meine Sendung war und ist es, der Welt das Mariengeheimnis zu künden. Meine Aufgabe ist es, die Gottesmutter und ihre Stellung im Heilsplan aufzuzeigen. Sie ist die amtliche Dauergefährtin und -Gehilfin Christi, des Hauptes der Menschheit bei seinem gesamten Erlösungswerk». Er wurde nicht müde, in ungezählten Tagungen den ringenden und suchenden Menschen die Immaculata als das Hochbild des erlösten Menschen, des im Reich der Natur und Gnade vollendeten Menschen, vor Augen zu stellen. Gegen das rationalistische und mechanistische Denken mit seinem zerstörenden Einfluß auf Philosophie, Theologie und Pädagogik stellte er das organische Denken, das in einer echt katholischen Ganzheitsschau die Heilsordnung sieht, besonders die Verbindung von Christus und Maria im Erlösungswerk. Für seine Sendung ist er den Kreuzweg gegangen. Im Jahre 1942 verhaftet, litt er bis Kriegsende im Konzentrationslager Dachau. Nach einer längeren Prüfung durch die kirchlichen Behörden (14 Jahre Verbannung nach Nordamerika) konnte er zum Ende des Konzils nach Rom zurückkehren und noch drei Jahre in Schönstatt dem Werke dienen. Am 15. September 1968, dem Fest der Sieben Schmerzen Mariens, starb er dort nach der Meßfeier in der neuerrichteten, großen Dreifaltigkeits- und Anbetungskirche, die zugleich seine Grabstätte geworden ist. Das steinerne Grabmal dieses Marienapostels trägt die Inschrift: Dilexit ecclesiam; er liebte die Kirche.
Es müßte noch eine ganze Reihe anderer Namen und marianischen Gemeinschaften genannt werden, z.B. die Blaue Armee, die Marianische Kongregation, der Rosenkranz-Sühne-Kreuzzug mit Pater Petrus Pavlicek, die Marianische Priesterbewegung mit Don Gobbi u.a., doch der Rahmen der Einführung ist zu eng. Ganz deutlich zeigt sich, daß Maria durch die Welt geht und ihre Streiter sammelt zum Kampf gegen die dämonischen Mächte und die gottlosen Ideologien, welche die Völker verführen. Die Königin des Himmels baut in der Stille eine Legion kleiner Seelen auf, die bereit sind, unter ihrem Banner die Schlachten Gottes zu schlagen. Es geht um das Schicksal der Kirche und der ganzen Menschheit in dieser apokalyptischen Zeit. Sie, die Heerführerin, wird uns stets zur Seite sein: «Ich bin das Zeichen des lebendigen Gottes. Ich drücke mein Zeichen meinen Kindern auf die Stirn. Der Stern wird mein Zeichen verfolgen, aber mein Zeichen wird den Stern besiegen» (Marienfried).

IV. Maria, die Mutter der Kirche, bei Papst Johannes Paul II.

Die drei aufgezeigten Quellen, aus denen Maria in die Kirche Leben hineinströmen läßt, die Marienlehre, die marianische Prophetie und Mystik und die Gestalten von marianisch geprägten Heiligen, führen mitten hinein in den großen Lebensstrom der Kirche. In zunehmendem Maße haben die Nachfol­ger des Petrus in Rom, von Pius IX., dem Papst der Immaculata, bis zu Pius XII., dem Papst der Assumpta, die Bedeutung der Gottesmutter für das religiöse Leben sowie für das Apostolat der Kirche erkannt, das katholische Volk zu einer lebendigen Verehrung hingeführt und die Weihe an Maria selbst vollzogen. Im jetzigen Heiligen Vater treffen sich all diese Elemente in einer seltenen Synthese. Schon sein Wahlspruch als Bischof zeigt seine tiefe Bindung an Maria: «Totus tuus, ganz dein eigen». Sein Papstwappen ist ein Symbol für das zentrale Geheimnis des Christentums, die Erlösung. Das Kreuz ist das monumentale Zeichen und darunter steht das große M, das Zeichen Mariens. Dadurch soll die Gegenwart Mariens unter dem Kreuz und ihre besondere Stellung im Geheimnis Christi und der Kirche beim Erlösungswerk ausgedrückt werden. Die erste Enzyklika «Redemptor hominis» ist sein Regierungsprogramm. «Der Erlöser des Menschen, Jesus Christus, ist die Mitte des Kosmos und der Geschichte.» Die Erlösung ist aber untrennbar verbunden mit der Menschwerdung des Gottessohnes, die nach dem ewigen Ratschluß in Maria geschah. Ihre Mutterschaft ist nicht begrenzt auf den historischen Jesus, sondern wirkt in der Kirche immerdar fort in der Geburt der Gotteskinder, im Aufbau des mystischen Leibes Christi. Den Papst trägt nicht nur die ausgeprägt marianische Frömmigkeit seiner polnischen Heimat, sondern er ist durchdrungen von jener großen theologischen Schau der Gottesmutter, wie sie im Schlußkapitel der Konzilskonstitution über die Kirche enthalten ist. Diese marianische Schau des Erlösungsgeheimnisses hat Papst Johannes Paul II. verdeutlicht und bekräftigt im letzten Abschnitt seiner ersten Enzyklika, mit dem Titel: «Maria, die Mutter unseres Vertrauens». Er spricht sogar von der «mütterlichen Dimension im ganzen Mysterium der Geburt Gottes».
Ein weiterer Grundzug seiner marianischen Einstellung ist die innere Verbundenheit mit den marianischen Gnadenorten überall in der Welt. Ist es nicht auffallend, daß er bei seinen apostolischen Reisen und Pilgerfahrten stets zuerst die Kathedralen und die Marienheiligtümer und die Orte der Marienerscheinungen besucht und dann erst die Konferenzen. Er weiß, was diese Gnadenstätten bedeuten, daß sie «Orte besonderer Begegnung zwischen Gott und den Menschen sind», daß es in jedem Land heilige Stätten sind, «in denen das Herz des ganzen Gottesvolkes sozusagen lebhafter schlägt». So hat er es erlebt in Guadalupe in Mexiko, in Tschenstochau in Polen, in Loreto, zu Knock in Irland. «Maria ist Mutter, Königin, Schützerin und Vorbild. Man kommt zu ihr, um sie zu ehren, um ihre Fürbitte zu erflehen und sie nachzuahmen, mit anderen Worten, um zu lernen, ein wahrer Jünger Jesu zu sein». -Und auf seinem bisherigen Weg als Priester und Bischof schaute er gerne zu den marianischen Heiligen auf, zum heiligen Martyrerbischof Stanislaus von Krakau und zu Pater Maximilian Kolbe, dem glühenden «Ritter der Immaculata». In Tschenstochau gab Papst Johannes Paul II. seiner Marienliebe einen ergreifenden Ausdruck im Abschiedsgebet vor dem Bild der schwarzen Madonna: «Erhabene Mutter der Kirche! Dir weihe ich mich nochmals als «Knecht deiner mütterlichen Liebe»: Totus tuus, ganz dein eigen! Dir weihe ich die ganze Kirche - bis an die Grenzen der Erde. Dir weihe ich die Menschheit und alle Menschen - meine Brüder -, alle Völker und Nationen. Dir weihe ich Europa und die anderen Erdteile. Dir weihe ich Rom und Polen, durch deinen Diener mit einem neuen Band der Liebe vereint. Mutter, nimm uns an! Mutter, verlaß uns nicht! Mutter, führe uns!»

V. Die Lehre der Himmelskönigin
Wer die «Mystische Stadt Gottes» von Maria von Agreda liest, der wird hineingeführt in das Geschehen der Erlösung. Mit den Augen und dem Herzen Mariens darf er Jesus Christus in all dem begleiten, was der Herr für unser Heil gesprochen, getan und gelitten hat. Diese Schau der göttlichen Wahrheiten wird für den Leser zugleich ein starker Antrieb, das eigene Leben im Lichte des Evangeliums zu gestalten, Christus nachzufolgen und in seinem Erlösungswerk mitzuarbeiten. Christus selbst hat gesagt: "Selig sind, die das Wort Gottes hören und es befolgen" (Lk 11,28). Die Allerseligste Jungfrau hat ihre Dienerin Maria von Agreda in ihre Schule genommen und sie gelehrt, ihre Tugenden nachzuahmen, Jesus zu dienen und Seelen zu retten. Darum gab Maria ihr nach der Schau der biblischen Ereignisse stets eine Lehre, die sich dem einzelnen Kapitel anschließt, die «Lehre der Himmelskönigin». Wenn wir nun dieses Marienleben lesen, müssen auch wir uns fragen: Was verlangt die Gottesmutter von uns Christen, von Laien, Priestern und Ordensleuten in dieser entscheidenden Zeit? Was ist für uns die Lehre der Himmelskönigin?
Die Antwort ist nicht schwer: «Stellt Christus in die Mitte eures Lebens!» Maria hat das Leben Christi gelebt, sie lebte mit ihm und allein für ihn und sein Erlösungswerk. «Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir» (Gal 2,20), so sagte Paulus; mit wieviel größerem Recht gilt dies von Maria. Sie hat ihr Ohr seinen Worten geöffnet und sie im Herzen bewahrt, sie hat ihn begleitet auf den Wegen seines öffentlichen Lebens, sie stand unter dem Kreuz. Und sie hat das Leben der Urgemeinde zu Jerusalem und das Wirken der Apostel für die Ausbreitung des Evangeliums mit ihrem Gebet und ihrer immerwährenden Mutterliebe und Muttersorge begleitet und hatte nur das eine Ziel, alle Menschen zu ihrem göttlichen Sohn zu führen. Er allein ist auch heute der Weg, die Wahrheit und das Leben für den einzelnen wie für die Völker. Darum bittet und beschwört Maria, die neue Eva, die Mutter der Lebendigen, die Menschen, die sie als ihre Kinder angenommen hat, umzukehren von den Wegen der Gottesferne und der Sünde und in wahrer Buße zurückzukehren zu Christus, dem Gekreuzigten, in dem allein sie Heil, Leben und Auferstehung finden (Gal 16,14). Sie ruft uns in der Kirche durch das Wort der Päpste, sie spricht zu uns in eindringlicher Weise an ihren Erscheinungsorten. Und das ist ihr Ruf an die Welt von heute, ihre Botschaft, die sie in Fatima kundgetan hat:
«Betet viel, betet täglich den Rosenkranz! Ich bin die Königin des hl. Rosenkranzes!» Der Rosenkranz ist eine ausgezeichnete Schule des Gebetes, ein kurzes Credo unseres Glau­bens und eine Schule christlichen Lebens. Es gibt kein Pro­blem, das nicht durch das beharrliche Rosenkranzgebet gelöst werden könnte. Mit dem Rosenkranz als Waffe in der Hand werden in unserer Zeit die Christen die Schlachten Gottes schlagen.
Buße und Sühne: Die Welt hat heute das Verständnis für Schuld und Sühne verloren. Umso mehr gilt die Mahnung des Täufers: «Metanoeite! Kehret um, tut Buße!» Luzia, die Seherin von Fatima, berichtet, es habe auf sie einen tiefen Eindruck gemacht, als Maria so mütterlich ernst und zugleich traurig sagte: «Beleidigt den Herrn nicht mehr, denn er ist schon zu sehr beleidigt worden».
Maria mahnt zur Sühne. Sie fragte damals die drei Kinder: «Wollt ihr euch Gott opfern zur Sühne für die Sünden?» Ergreifend ist die Klage Mariens bei jener dritten Erscheinung, als sie den Kindern die Hölle zeigte und sagte: «Betet, betet viel und bringt Opfer für die Sünder. Denn viele Seelen kommen in die Hölle, weil niemand für sie opfert und für sie betet.»
3. Weihet euch meinem Unbefleckten Herzen. Im Juli 1917 hatte die Gottesmutter in Fatima verheißen, daß sie wiederkommen werde, um die Weihe Rußlands an ihr Unbeflecktes Herz und die Sühnekommunion an den ersten Samstagen zu erbitten. Dieses Versprechen erfüllte die heiligste Jungfrau am 10. Dezember 1925, als Luzia im Postulat der Dorotheerinnen in Pontevedra an der Nordwestküste Spaniens weilte. Maria zeigte ihr ein von Dornen umgebenes Herz und sprach: «Meine Tochter, schaue mein Herz, umgeben von Dornen, mit denen die undankbaren Menschen durch ihre Lästerungen und Undankbarkeit es ständig durchbohren. Suche wenigstens du mich zu trösten und gib folgendes Versprechen bekannt: Ich werde all jenen in der Todesstunde mit allen für das Heil ihrer Seelen notwendigen Gnaden beistehen, die fünf Monate lang jeweils am ersten Samstag beichten, die heilige Kommunion empfangen, einen Rosenkranz beten und mir während 15 Minuten durch Betrachtung der fünf Rosenkranzgeheimnisse Gesellschaft leisten, in der Absicht, mir dadurch Sühne zu leisten». (Prof. Alonso: Die Botschaft von Fatima in Pontevedra, S.7). Als Luzia später wiederum anfragte, wurde ihr gesagt, die Beicht könne auch im Laufe eines Monats abgelegt werden und es könne auch derjenige, der am Samstag verhindert ist, am Sonntag diesen Sühnetag halten.

VI. Die Weihe an das Heiligste Herz Jesu und an das Unbefleckte Herz Mariae
Die Seele der Botschaft von Fatima ist die Verehrung des Unbefleckten Herzens Mariae und die Weihe an ihr Herz. Alle anderen Bestandteile führen hin zu diesem Quell, aus dem sämtliche Mahnungen und Verheißungen fließen. Die Gottesmutter selbst hat am 13. Juni 1917 auf das Ziel ihrer Erscheinungen hingewiesen und es zugleich als ausdrücklichen Willen Gottes gegenüber Luzia genannt: «Jesus will sich deiner bedienen, damit die Menschen mich kennen und lieben lernen. Er will die Verehrung meines Unbefleckten Herzens in der Welt begründen. Wer sie übt, dem verspreche ich das Heil. Diese Seelen werden von Gott bevorzugt werden wie Blumen, die ich vor seinen Thron bringe.»

Die Lesung der Bücher von Maria von Agreda führt uns hinein in das innerste Heiligtum des Herzens Mariae, das unlösbar verbunden ist mit dem göttlichen Herzen Jesu. Die Einheit dieser beiden Herzen hat Papst Pius XII. in der Weltweihe 1942 betont. Sie ist schon vor 150 Jahren bildhaft dargestellt worden auf der «Wunderbaren Medaille», die Katharina Laboure 1830 in Paris prägen ließ. Diese zeigt das Bild des Herzens Jesu und Mariae und darüber das Zeichen des Kreuzes und das M. Der französische Priester Jean Eudes war ein Wegbereiter der Verehrung der beiden heiligen Herzen.
In unserer Zeit hatte die belgische Mystikerin Berthe Petit (1870-1943) vom Herrn selbst in einer Vision den Auftrag er­halten:
«Tue alles, damit das Herz meiner Mutter geliebt werde, das durchbohrt wurde von den Schmerzen, die mein Herz zerrissen.» Und er lehrte sie die Anrufung:

«Heiligstes Herz Jesu, erbarme dich unser, schmerzvolles und Unbeflecktes Herz Mariae, bitte für uns und rette uns!»

Es ist kein Zweifel, daß Gott der Kirche und der Welt von heute die Rettung zeigt durch die Heimkehr der Menschen zu den heiligsten Herzen Jesu und Mariae. Die Vorsehung hat dies vorbereitet durch die Erscheinungen des Heilandes gegenüber der heiligen Margareta Maria Alacoque in Paray le Monial (1675) und durch Fatima (1917). Die Kirche hat diese Botschaften aufgenommen und die Päpste haben die Weihe vollzogen, Papst Leo XIII. 1899 die Weihe der Welt an das Heiligste Herz Jesu und Papst Pius XII. 1942, die Weltweihe an das Unbefleckte Herz Mariens.
Nichts anderes ist das Ziel dieses marianischen Werkes von Maria von Agreda, das innerste Anliegen aller, die zu seiner Herausgabe und Verbreitung beitragen, der Erneuerung der Kirche und der Rettung der Menschen zu dienen, als dies: alle Gläubigen durch das Schmerzvolle und Unbefleckte Herz Mariens hinzuführen zum göttlichen Herzen Jesu. Denn es gibt für unsere Zeit kein anderes Zeichen des Heiles als das göttliche Herz Jesu mit dem Unbefleckten Herzen Mariae, beide vereint im Heiligen Geist, zur Erlösung der Menschen und zur Verherrlichung des Vaters.

«Kommt in mein Herz durch das Herz meiner Mutter!»

Keine menschlichen Worte können besser dieses Geheimnis ausdrücken als jene Worte, die Jesus am 28. April 1959 zur bretonischen Seherin Jeanne Louise Ramonet sprach:

«Als die Welt Gott verworfen hatte, sandte mich mein Vater, um sich zu offenbaren. Jetzt stößt mich die Welt von Neuem zurück. Darum habe Ich euch meine Mutter gesandt. Ihr Licht leuchtet in der Nacht, um die Welt zum Frieden zu führen.
Warum ist sie denn Gegenstand von soviel Widersprüchen? Sie kommt in einer so großen Mission: Sie ist das Band zwischen Gott und Euch.
Ihr glaubt zu wenig an ihre Mission in der Geschichte der Erlösung. Und doch könnt ihr euer geistiges Leben ohne sie weder befruchten noch aufbauen. Denn sie hat eine bestimmte Rolle im göttlichen Wirken, durch welche die Menschheit aus ihrer Sündhaftigkeit herausgerissen wird, um am Leben der Dreifaltigkeit teilzunehmen. Ihr könnt also nicht teilhaben an der Erlösung, ohne eure Haltung gegenüber meiner Mutter zu ändern.
Seid also überzeugt: Sie ist seit jeher zur Rettung der Welt mitbestimmt.
Sie ist wesentlich an der Erlösung beteiligt. Darum wollte Ich sie an meiner Seite, als Ich für euch am Kreuze starb, damit sie an eurer Erlösung mitwirke bis ans Ende. Im Himmel wollte Ich sie neben mir haben in ihrem jungfräulichen Leib, ohne die Verklärung am Jüngsten Tage abzuwarten.
Ich will meine Gnaden nicht allein austeilen, sondern durch sie, die so zum Kanal wird, durch den alle Gnaden fließen. Die Andacht zu ihr ist also nicht dem Belieben überlassen, sie ist unbedingt nötig. Betrachtet sie als meine göttliche Ergänzung: Eure Miterlöserin . . .
Ich bin Jesus mit dem verwundeten, aber ganz barmherzigen Herzen. Ich komme, jene zu suchen und zu retten, die verlorengehen. Glaubt an meine Liebe und fürchtet nichts. Aber kommt in mein Herz durch das Herz meiner Mutter.
Ich hätte meine Mutter nicht gebraucht, um mich als Erlöser vorzustellen. Als Gott hatte ich tausend andere Wege, um zu den Menschen zu gelangen. Wenn ich also durch ihren unvergleichlichen und kostbaren Schoß gehen wollte und Mensch wurde, so war es, um euch ein Beispiel zu geben und eine Wohltat zu spenden.
Meine Mutter ist wie eine goldene Brücke zwischen der Menschheit und mir, eine Vermittlerin der Hoffnung, die die tiefsten Wege der Liebe meines Herzens kennt. Denn so wie sie mich nach ihrem Ebenbilde in meinen menschlichen Zügen geformt hat, habe ich ihre Seele und ihr Herz geformt nach meinem göttlichen Ebenbilde.»

(Quelle: Maria von Agreda: "Das Leben der jungfräulichen Gottesmutter Maria", Bd. 4, S. 24 - 66)



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