Aufnahme Mariens in den Himmel:
Hochfest am 15. August
„Den König, der Könige, dessen jungfräuliche Mutter heute
in den Himmel aufgenommen wurde, kommt, laßt ihn uns anbeten!" So
eröffnet der Priester das nächtliche Stundengebet am Festtag
der Aufnahme Mariens in den Himmel. „Den König, der Könige, dessen
jungfräuliche Mutter heute in den Himmel aufgenommen wurde, kommt,
laßt ihn uns anbeten!" Heute ist ein Tag, an dem die Anbetung Gottes
besonders sinnvoll und besonders ergreifend ist, denn heute ist der Ehrentag
Mariens und ein Ehrentag für alle Marienverehrer. Der Tag der Aufnahme
Mariens in den Himmel ist ein Ehrentag für Maria, denn erstens: Sie
hat bestanden und zweitens: Sie wird gekrönt. Das erste, was wir aussagen müssen, ist, daß Maria ihren
irdischen Lauf vollendet hat. Sie hat die Prüfungen dieses Lebens
bestanden. Als der Engel zum erstenmal sie anredete und ihr die Botschaft
brachte, hat sie ihr Fiat gesprochen: Es geschehe so, wie Gott es will;
ich bin die Magd des Herrn. Und dieses Fiat, dieses Wort der Ergebenheit
und des Gehorsams hat sie nie mehr zurückgenommen in ihrem ganzen
Leben. Immer hat sie gewußt: Ich bin die Magd des Herrn. Sie
hat ihr Leben mit dem Erlöserleben untrennbar verknüpft, und
wir wissen oder ahnen, was Gott denen zumutet, die ihr Leben mit dem seinen,
mit dem Leben seines Sohnes verknüpfen. Maria brachte in dunkler Nacht ihr Kind zur Welt, in der Fremde,
außerhalb der Herberge, wo kein Platz für sie war. Alles hat
Platz in der Welt, nur wenn Gott in diese Welt eintritt, da hat er keinen
Platz. Und das muß das Herz dieser Mutter sehr ergriffen und sehr
geschmerzt haben. Und dann ging es weiter mit der Opferung im Tempel, wo
sie schon ahnte, daß sie das Kind, das sie eben empfangen hatte,
wieder weggeben müßte. Dann kam die Flucht nach Ägypten.
Man stellt dem Kind nach, man setzt ihm nach, dem menschgewordenen Gotte,
man will ihn umbringen. Und selbst das ist ihnen gelungen. Sie haben Gott
ermordet. Was muß Maria empfunden haben in den dunklen Stunden auf
Golgotha! Da muß ihr gekommen sein, daß sie nichts anderes getan hat, als einen Gekreuzigten zu
gebären. Maria hat einen Gekreuzigten geboren; das war ihre Aufgabe.
Aber sie hat nicht gewankt unter dem Kreuz, und sie ist nicht gewichen
vom Kreuze. Sie hat bestanden, sie hat den Lauf ihres Lebens getreu dem
Wort „Ich bin eine Magd des Herrn" vollendet. Und deswegen können
wir heute jubelnd bekennen: „Den König, der
Könige, dessen jungfräuliche Mutter heute in den Himmel aufgenommen
ist, kommt, laßt ihn uns anbeten!" Weil sie bestanden hat, ist sie gekrönt worden. Wir sprechen,
wann immer wir von Gott und von göttlichen Dingen reden, wie Menschen.
Wir können nicht anders reden als Menschen; wir haben nur menschliche
Begriffe, nur menschliche Bilder, nur menschliche Vorstellungen. Wir wissen,
daß sie die Wirklichkeit nicht erschöpfen, aber wir sind auch
überzeugt, daß sie die Wirklichkeit treffen. Wenn wir also von
der Krönung Mariens sprechen, dann ist das ein Bild. Krönung
bedeutet das Aufsetzen einer Krone. Ohne Bild gesprochen, müßte
man sagen: Maria hat den Glanz und die Seligkeit der Erst- und Vollerlösten
empfangen. Sie ist die Königin geworden, erhaben über alle Engel
und Heiligen, die Königin der Patriarchen, die Königin der Propheten,
die Königin der Märtyrer, die Königin der Bekenner, die
Königin der Jungfrauen, die Königin aller Heiligen. Sie ist gekrönt,
und das ist ein Grund, warum wir heute voll des Jubels beten: „Den
König, der Könige, der seine jungfräuliche Mutter heute
in den Himmel aufgenommen hat, kommt, laßt ihn uns anbeten!"
Das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel ist ein Ehrentag für Maria. Es ist aber auch ein Freudentag für alle Marienverehrer. Denn
eine von uns ist in den Himmel aufgenommen worden, eine aus dem Menschengeschlechte,
aus der dumpfen Masse der Menschen hat die höchste Herrlichkeit erreicht.
Man kann ja manchmal, wenn man die Menschen anschaut, wenn man die Menschen
erlebt und wenn man Erfahrungen mit den Menschen macht, zu der - falschen
- Meinung kommen, daß Gott sich mit seiner Schöpfung keine Ehre
eingelegt hat. Zu viel ist, was gegen Gottes Willen aufsteht, was seine
Herrlichkeit trübt, was den Namen Gottes nicht ehrt, sondern lästert,
und zwar geht das auf das Konto der Menschen. Aber hier ist einmal eine,
die das Ideal, das Gott sich gesetzt hat, verwirklicht hat. Hier ist eine,
die das Bild, das Gott vom Menschen vorschwebt, völlig verwirklicht
hat. Eine von uns hat dem Entwurf Gottes vom Menschen entsprochen. Und
deswegen sind wir mitgeehrt, denn wenn Maria geehrt wird als eine von uns,
dann fällt auch ein kleiner Strahl dieser Ehrung auf uns, die wir
zu ihr gehören, die wir zu ihr gehören als Geschöpfe, aber
auch natürlich als Marienverehrer. Das ist ein Grund, warum wir jubelnd
bekennen: „Den König der Könige, dessen
jungfräuliche Mutter heute in den Himmel aufgenommen wurde, kommt,
laßt ihn uns anbeten!" Aber auch noch ein zweiter Grund ist es, weswegen die Aufnahme Mariens
in den Himmel ein Freuden- und Ehrentag auch für uns ist; denn Maria
ist im Himmel als unser Vorbild, und sie wurde aufgenommen uns zum Vorteil.
Maria ist im Himmel unser Vorbild. Was ihr widerfuhr, das soll uns geschehen.
Sie ist uns nur vorangegangen, aber wir sollen ihr nachfolgen. Sie ist
die Erst- und Vollerlöste, aber eine unabsehbare Schar soll ihr auf
diesem Wege nachfolgen zur vollen Erlösung. Ich bitte Sie, meine Christen,
nicht daran zu zweifeln, daß der Mensch, wenn er stirbt, ein unzerstörbares
Prinzip in sich trägt, das wir Seele nennen. Es gibt eine Seele; sie
ist nicht identisch mit den Bewußtseinsvorgängen im Menschen,
sie ist nicht unweigerlich an das Gehirn geknüpft, sondern es gibt
eine Seele, die, wenn der Leib stirbt, weiterlebt. Aber gleichzeitig müssen
wir dazu sagen, dieses Weiterleben ist unvollkommen. Es ist kein vollmenschliches
Leben, denn zum vollmenschlichen Leben gehört eben der Leib. Und so
ist das Reich der Seelen in einem Wartezustand, und dieser Wartezustand
richtet sich in Sehnsucht auf Maria, denn alle diese Seelen, die in die
Ewigkeit eingegangen sind, wollen so werden, wie Maria ist, Vollerlöste,
die also mit einem verklärten Leib wieder zur Vollmenschlichkeit berufen
sind. Maria ist unser Vorbild, aber sie ist auch zu unserem Vorteil in
die Ewigkeit eingegangen; denn sie wurde uns im Himmel gegeben als die
große Fürbitterin, als die Allmacht auf den Knien. Maria ist
uns gegeben als die Patronin, zu der wir rufen können, zu der unser
Flehen geht, an die wir unser unstillbares Weinen richten. „Maria,
hilf! Maria, hilf", so tönt es aus allen Enden und Ecken der
Erde. „Es ist noch nie erhört worden, daß
jemand, der zu dir seine Zuflucht genommen, deine Hilfe angerufen, um deine
Fürsprache gefleht, von dir sei verlassen worden." Das ist
noch nie gehört worden. Denn wenn es so wäre, daß das Flehen
zu Maria unnütz ist, dann wäre dieses Flehen längst verstummt.
Maria hilft, weil sie von Gott zur himmlischen Helferin für uns eingesetzt
ist, und das ist auch ein Grund, warum wir jubelnd bekennen: „Den
König der Könige, der seine jungfräuliche Mutter heute in
den Himmel aufgenommen hat, kommt, laßt ihn uns anbeten!" Am 3. August des Jahres 1492 stach Christoph Kolumbus mit seinem
Schiff in See, um Amerika zu entdecken. Am 11. Oktober abends um 10 Uhr
riefen seine Matrosen begeistert und befreit: „Licht! Licht! Land! Land!"
An diesem Tage landete das Schiff auf einer Insel, und das Schiff, das
Kolumbus zu dieser Insel trug, hieß „Santa Maria", heilige Maria.
Und die Insel, die er fand, nannte er „San Salvador", heiliger Erlöser.
Da wissen wir, und da sehen wir, wie wir es ihm nachmachen
müssen, meine lieben Freunde. Wir müssen mit dem Schiff, das
Maria heißt, zum heiligen Erlöser aufbrechen, und wir sind gewiß:
Wenn wir in diesem Schiff sind, dann finden wir auch unseren Erlöser,
unseren Heiland Jesus Christus. Ihn und seinen himmlischen Vater, den König
der Könige, ihn wollen wir anbeten, weil er seine himmlische, jungfräuliche
Mutter in die Himmel aufgenommen hat. Es freuen sich die Engel, und es
jubelt die Erde. Alleluja! (Quelle: "Erneuerung
in Christus", Heft Nr. 9-10-2020, S. 11f. , Gaming)
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