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Als der Apostel Paulus auf seiner Missionsreise nach Ephesus kam,
traf er dort einige Jünger Jesu. Er fragte sie: „Habt ihr den Heiligen
Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet?" Da kam die erstaunliche
Antwort: „Wir haben nicht einmal gehört, dass es einen Heiligen Geist
gibt." Paulus fragte weiter: „Welche Taufe habt ihr denn empfangen?" „Wir
haben die Taufe des Johannes empfangen." „Tja", sagte da Paulus, „das war
eine Bußtaufe zur Vergebung der Sünden. Johannes hat gesagt,
ihr sollt auf den warten, der nach ihm kommt, auf Jesus." Da sie dies hörten,
ließen sie sich taufen, und sie empfingen den Heiligen Geist. Es
waren ungefähr zwölf Männer, denen dies widerfuhr.
Dieses Begebnis, meine lieben Freunde, zeigt, dass der Heilige Geist
- übrigens auch heute - für viele ein unbekannter Gott ist. Die
katholische Lehre von der Dreifaltigkeit, die wir zu Pfingsten in besonderer
Weise betrachten werden, läßt an Macht und Wesen und Würde
keinen Unterschied zwischen dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist
zu. Sie sind ein Gott, nicht drei Götter, wie ... (manche) fälschlich
uns unterstellen, ein Gott. Aber ein Gott in drei Personen. Das Wesen Gottes
ist eines, aber drei haben daran Anteil: der Vater, der Sohn und der Heilige
Geist.
Was hat der Heilige Geist an Jesus von Nazareth, dem Menschen, dem
Logos, dem Sohne Gottes gewirkt? Er hat seine menschliche Natur gewirkt.
Der Engel Gabriel sagte zu Maria: „Der Heilige Geist wird über dich
kommen, und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten.
Deshalb wird auch das Heilige, das aus dir geboren wird, Sohn Gottes genannt
werden." Die Natur, die irdische Natur Jesu ist vom Heiligen Geist geschaffen
und vom Heiligen Geist durchwaltet. Bis zu seiner Auferstehung und zu seiner
Himmelfahrt war diese Tatsache verborgen. In der Auferstehung aber hat
der Heilige Geist die von ihm geschaffene Natur Jesu so umgewandelt, dass
sie durchscheinend geworden ist für die Gottesherrlichkeit. Jetzt
ist sie erkennbar durchglüht vom Geiste Gottes. Indem der Heilige
Geist die menschliche Natur Jesu in den Zustand der Verklärung umwandelte,
durchstrahlte er mit seinem Licht und mit seiner Glut das Haupt des Alls,
und von ihm und aus ihm geht dieses Leuchten und Glühen über
in das All und durchdringt die Menschen. Meine Freunde, jetzt verstehen
wir das geheimnisvolle Wort, das sehr schwer verständliche Wort, das
Jesus am Gründonnerstag zu den Jüngern sprach: „Es ist gut für
euch, dass ich hingehe, denn wenn ich nicht hingehe, wird der Beistand
nicht zu euch kommen." Ich wiederhole noch einmal: „Wenn ich nicht hingehe,
wird der Beistand nicht zu euch kommen. Wenn ich aber hingehe, werde ich
ihn euch senden." Ja, warum kann denn der Beistand nicht kommen, wenn Jesus
nicht hingeht? Warum muss er denn durch Tod und Auferstehung hindurchgehen,
um den Geist, um den Heiligen Geist zu senden? Die Erklärung liegt
darin, dass aus der verklärten Natur Jesu der Heilige Geist ausströmt.
Erst mußte die menschliche Natur Jesu verklärt und in ihrer
Verklärung sichtbar werden, damit aus ihr der Geist herausströmen
konnte. In Christus wohnt der Geist in der Fülle und unbegrenzt und
ungeteilt. Ihm wurde die ganze Fülle des Geistes gesandt und zugewandt,
so dass sie aus ihm herausströmen kann. In Christus verbleibt der
Quell des Heiligen Geistes, aber er ergießt sich auf alle, die von
seinem Geiste erfüllt werden. Aus seinem überströmenden
Reichtum gibt er denen, die zu ihm gehören, den Heiligen Geist.
Das ist ein Ereignis von unabsehbarer Tragweite. Seitdem ist nicht
nur Christus, sondern die Welt geisterfüllt, wenn sie es nur will.
Im Alten Bunde wurde der Geist verheißen. Beim Propheten Joel heißt
es: „Danach wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgieße über
alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein,
eure Alten werden Träume haben, eure jungen Männer Visionen.
Auch über meine Knechte und Mägde will ich den Heiligen Geist
ausgießen." Das war die Ankündigung des Geistes im Alten Bunde.
Im Neuen Bunde wurde sie aufgenommen und wiederholt. Jesus sagte seinen
Jüngern voraus, dass sie würden Verfolgungen leiden müssen
und dass sie vor Gericht gestellt würden. Und da fordert er sie auf,
sich keine Sorgen zu machen, was sie da reden würden. „Macht euch
nicht vorher Gedanken, was ihr da antworten sollt. Nicht ihr werdet reden,
sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden." Das war die Verheißung
des Heiligen Geistes im Neuen Bunde. Und noch deutlicher hat er erklärt:
„Bleibet in der Stadt, bis ihr mit der Kraft von oben ausgerüstet
werdet." Diese Verheißung hat sich am Pfingsttage erfüllt. Fünfzig
Tage nach Ostern wurde der Geist allen gesandt, die sich in dem Obergemach
zu Jerusalem befanden. Das Geschehen von Pfingsten war aufsehenerregend,
einmalig. Sturmesbrausen, Feuerflammen, Sprachenreden - unerhörte
Ereignisse, so unerhört, dass Unbedarfte sagen konnten: Die sind ja
betrunken. Aber sie waren nicht betrunken. Sie waren voll des Heiligen
Geistes. Und alle verstanden sie. Warum? Ja, weil sie nicht ihr Geschwätz
von sich gaben, sondern weil sie die Großtaten Gottes verkündeten.
Deswegen verstehen sich die Menschen nicht, weil sie nicht mehr die Großtaten
Gottes verkünden.
Wir brauchen uns nicht zu wundern, dass dieses Ereignis von Pfingsten
einmalig war. Es war für den Anfang erforderlich, aber es brauchte
nicht wiederholt zu werden. Der Geist wurde und wird auch später gesandt,
aber nicht unter so aufsehenerregenden Ereignissen. In der folgenden Zeit
vollzieht sich sein Kommen still. „Große Gedanken kommen auf Taubenfüßen",
sagt Friedrich Nietzsche, und so ist es auch beim Heiligen Geist. Er ist
aber nicht weniger wirklich und nicht weniger wirksam als am ersten Pfingstfest.
Damals wurde er in einer doppelten Richtung gesandt. Zunächst einmal
empfing jeder Einzelne der Jünger die Gabe des Heiligen Geistes. Auf
jedem Einzelnen ließen sich die Feuerzungen nieder. Jeder Einzelne
bekam die Gabe der Sprachen, jeder Einzelne wurde vom Heiligen Geiste erfüllt.
Er nahm in ihnen Wohnung. Er blieb in ihnen. Das war kein vorübergehendes
Geschehnis, das war eine bleibende Ausstattung. Der getaufte und begnadete
Christ lebt in einem wirklichen Sinne, meine lieben Freunde, im Heiligen
Geiste. Er ist ein Tempel. Jawohl ein Tempel, in dem der Heilige Geist
wohnt. Das ist die unbeschreibliche Würde des Christen.
Die vielen Einzelnen, die damals den Heiligen Geist empfingen, standen
aber nicht zusammenhanglos nebeneinander. Sie waren verbunden, verbunden
durch den Glauben an Jesus, den Nazarener. Sie bildeten die Kirche im damaligen
Zustand. Deswegen muss man sagen: Der Geist wurde nicht nur jedem Einzelnen,
er wurde auch der Gesamtheit der Getauften gegeben, der Kirche Christi.
Er lebt und wirkt seit jenem Tage in der Kirche. Man kann ihn in einem
richtigen Sinne die Seele der Kirche nennen.
Unsere Feinde finden Gefallen daran, der Kirche ihre Verfehlungen,
ihre Schwächen, ihre Ohnmacht vorzuhalten. 0, wir wissen das alles,
wir wissen es noch besser als sie. Aber wir bleiben in dieser Kirche, weil
es die Kirche des Heiligen Geistes ist, aus keinem anderen Grunde, nicht
aus Nostalgie, nicht aus traditionalistischer Anhänglichkeit. Wir
bleiben in der Kirche als in der Kirche des Heiligen Geistes. Der Heilige
Geist belebt, erhält, leitet und schützt seine Kirche. Der Heilige
Geist ist die Kraft der Sakramente. Es wären leere Gesten, die wir
Priester vollziehen, wenn sie nicht vom Heiligen Geiste durchwaltet wären.
Die Wandlungsworte wären leer und ohne Wirkung, wenn nicht der Heilige
Geist die Gaben durch sie wandeln würde. Der Priester ist ein lebendiges
Werkzeug des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist ist auch die Kraft der
Verkündigung. Die Verkündiger des Evangeliums und die Hörer
des Evangeliums werden vom Heiligen Geist gelenkt, ergriffen und befruchtet.
Der Heilige Geist bewirkt, dass nicht bloß geredet, sondern bezeugt
und bekannt wird. Ohne das Wirken des Heiligen Geistes wäre die Offenbarung,
wäre das Evangelium, wäre die Lehre der Kirche längst verunstaltet
wie in den Abspaltungen von unserer Kirche. Der Heilige Geist sorgt dafür,
dass die Wahrheit Gottes nicht untergeht.
Der Heilige Geist leitet die Hirten der Kirche. In der Priester-
und in der Bischofsweihe werden sie mit der Ausrüstung des Heiligen
Geistes versehen. Sie erhalten Vollmachten, die nicht von dieser Erde sind.
Wenn die Hirten der Kirche ihr Amt recht verwalten, dann wirkt in ihnen
und durch sie der Heilige Geist. Die Apostel konnten bei ihrem ersten Konzil
das schöne Wort schreiben: „Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen."
Wahrhaftig, wer sich öffnet für den Heiligen Geist, in dem wirkt
er, in dem arbeitet er, in dem siegt er. Wir haben die Gewißheit:
Der Heilige Geist ist bei uns in unserer Kirche. Er verläßt
sie nicht. Mögen Menschen durch Schwäche fallen, mögen Untaten
geschehen, auch durch Glieder der Kirche: Der Heilige Geist bleibt bei
uns und verläßt uns nicht.
Man muss ihn nur wirken lassen. Sie haben vielleicht in der Wirklichkeit
oder auf dem Fernsehschirm schon Segelschiffe gesehen. Ein Segelschiff
ist vom Winde abhängig. Es kann nur dann über die Fluten gehen,
wenn der Wind die Segel bläht. Und darin besteht die Kunst des Seglers,
dass er die Segel so setzt, dass sie den Wind empfangen und das Schiff
in Bewegung setzt. Ähnlich-unähnlich ist es mit dem Heiligen
Geist. Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Römer: „Alle,
die vom Geiste Gottes getrieben werden, die sind Söhne - und das können
wir ergänzen - oder Töchter Gottes." Alle, die vom Geiste Gottes
getrieben werden, die sind Söhne oder Töchter Gottes. Also darauf
kommt es an: sich vom Geiste treiben zu lassen. Wenn Sie wollen, können
Sie auch sagen: führen oder lenken. Aber eines ist sicher: Der Heilige
I Geist ist ein Antreiber. Er treibt uns an, unsere Kaninchenhaftigkeit
zu vergessen und in die Weite zu streben und in die Höhe, die niederen
Gelüste zu überwinden, dem Zug zur Höhe zu folgen. Wir müssen
den Kaninchengeist aufgeben und den Heiligen Geist wirken lassen.
Pfingsten geht vorüber, aber unser flehentlicher Ruf: „Sende
aus deinen Geist, und alles wird neu geschaffen, und du wirst das Antlitz
der Erde erneuern", dieser Ruf darf nicht aufhören, auch nicht vor
oder nach Pfingsten.
(Quelle: "Erneuerung in Christus" Nr. 5/6/2014, S. 3 - 6, A-3292 Gaming; salvator-mundi.at herzliches Vergelt's Gott für die Erlaubnis!)