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Der Schatz vom Berge Sinai
Das fünfte Gebot Gottes
Um das Gebot: „Du sollst nicht töten!" - richtig zu verstehen,
muß man es im Licht der Heiligen Schrift, der Apostolischen Tradition
und des kirchlichen Lehramtes sehen.
Erstens, was Gott durch das
fünfte Gebot nicht verbieten will -
Zweitens, was Gott durch dieses Gebot verbietet
-
Drittens, wie wir dem Willen Gottes
entsprechend auch die Seele des Menschen schützen sollen.
I. Was Gott durch das fünfte
Gebot nicht verbieten will
In der Deutung des fünften Gebotes darf man nicht einem ungesunden
Extremismus verfallen:
Nicht verboten ist das Schlachten von Tieren zur Nahrung des Menschen
Man möchte es nicht für möglich halten, wie verbohrt,
hartnäckig und extrem manche Vegetarier werden können, wenn sie
versuchen, das fünfte Gebot in unrichtiger Weise zu strapazieren.
Auf die Heilige Schrift kann man sich da nicht berufen.
Nicht verboten ist unvermeidliche Tötung eines ungerechten
Angreifers
Im privaten und im öffentlichen Leben, wenn es darum geht,
das eigene Leben, besonders aber das Leben der uns Anvertrauten zu verteidigen.
...
II. Was Gott durch das fünfte
Gebot verbietet
Gott hat dem Menschen die hohe Aufgabe übertragen, das Leben
vom Mutterschoß an sorgfältig zu schützen. Als Herr über
Leben und Tod verbietet Gott:
Im Hinblick auf das Leben jedes einzelnen Menschen
Selbstmord
Schädigung der Gesundheit durch mangelnde Selbstbeherrschung
im Essen und Trinken und durch gesundheitsschädigende Genußmittel.
Unvorsichtigkeit, wodurch man sich ohne Notwendigkeit einer Lebensgefahr
aussetzt. Durch zu riskantes Bergsteigen oder Skifahren bei Lawinengefahr.
Im Hinblick auf das Leben anderer
Mord (aus Zorn, Rache, oder auch bloß zur Erhaltung oder Förderung
des Wohlstandes) oder aus Geringschätzung menschlichen Lebens (schlimme
Auswirkungen der heutigen „Wegwerfgesellschaft"). Dazu gehört in besonderer
Weise: Das Töten wehrloser Gefangener,
Tötung des Lebens im Mutterschoß, Tötung kranker,
alter oder schwachsinniger Menschen, Gefährdung und Schädigung
des Lebens anderer durch Unvorsichtigkeit im Straßenverkehr,
Verantwortungslosigkeit bei Erzeugung von Genußmitteln, die
der Gesundheit schädlich sind.
III. Wie wir nach dem Willen
Gottes auch die Seele des Menschen vor Schaden bewahren sollen
Der Mensch hat nicht nur einen Leib; er hat auch eine Seele, deren
Leben noch sorgfältiger geschützt werden sollte als Leben und
Gesundheit des Leibes: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze
Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet!'" Nach dem Willen Gottes
sind also zu vermeiden:
Schädigungen der Seele durch Erzeugung oder Gebrauch schädlicher
Massenmedien
Von Massenmedien, welche die Phantasie und das Triebleben des Menschen
- namentlich Jugendlicher - irreführen und verderben.
Schädigungen der Seele des Menschen durch unrechtes Reden und
Schweigen:
Falscher Argwohn und freventliches Urteil - wenn man ohne hinreichenden
Grund bei anderen Böses vermutet und diese Vermutung als sicher ausspricht,
wobei die Ehre des Menschen oft schwer geschädigt wird. In ganz schlimmen
Fällen nennt man das Rufmord.
Verleumdung - wenn man einem Menschen Fehler, die er gar nicht hat,
andichtet oder tatsächliche Fehler vergrößert.
Ehrabschneidung - wenn wirkliche Fehler des Mitmenschen ohne hinreichenden
Grund weitererzählt werden.
Ein hinreichender Grund wäre vorhanden, wenn dadurch der Fehlende
gebessert oder wenn andere vor Verführung oder Schaden bewahrt werden
könnten. Ein hinreichender Grund wäre auch, wenn es darum ginge,
sein Herz dadurch zu erleichtern, daß man einen Menschen ins Vertrauen
zieht, um sich aussprechen zu können. In solchen Fällen sollte
es aber wirklich nur ein Mensch sein, dem man gewisse Dinge anvertraut;
und dieser eine Mensch ist dann im Gewissen verpflichtet, über solche
Dinge zu schweigen.
Ohrenbläserei - wenn durch gewisse Mitteilungen das gute Einvernehmen
glücklicher Menschen gestört wird.
Ehrfurchtslosigkeit - wenn man jemanden durch Worte oder Handlungen
herabsetzt, oft in seiner Abwesenheit. - Der heilige Franziskus sagt: „Selig
der Diener Gottes, der seinem Bruder, auch wenn er weit entfernt ist, die
gleiche Liebe und die gleiche Ehrfurcht erweist, als wenn er mit ihm zusammen
wäre; und der nichts hinter seinem Rücken sagt, was er nicht
in Liebe auch in seiner Gegenwart sagen könnte."
Unrechtes Schweigen - wenn Eltern oder Erzieher zu offenkundigen
Fehlern ihrer Kinder oder ihrer Untergebenen schweigen, obwohl sie reden
müßten. Oder wenn zwischen Eheleuten oder Gliedern einer Gemeinschaft
lange Zeit trotziges Schweigen herrscht.
Der heilige Franziskus sagt: „Selig der Mensch, der seinen Mitmenschen
in seiner Unzulänglichkeit genauso erträgt, wie er von ihm ertragen
werden möchte, wenn er in der gleichen Lage wäre." - Positiv
dargestellt:
Solche Schäden können vermieden oder geheilt werden durch
rechtes Reden und Schweigen. Das geschieht
durch Worte der Wohlanständigkeit: Der heilige Franziskus gibt
uns eine Mahnung auf den Weg: „Sie sollen mild, friedfertig, bescheiden,
sanftmütig und demütig sein. Und mit jedem in Wohlanständigkeit
reden, wie es sich geziemt."
In Worten des Vertrauens: Der heilige Franziskus sagt: „Wo immer
sich Brüder und Schwestern treffen, sollen sie sich als Glieder einer
Familie erweisen. Vertrauensvoll offenbare einer dem andern seine Not (was
ihm fehlt, was er braucht, was ihn bedrückt). Denn wenn eine Mutter
ihr Kind liebt und pflegt, um wieviel mehr soll ein Bruder seinen geistlichen
Bruder, eine Schwester ihre geistliche Schwester lieben und umsorgen."
In Worten der Versöhnung: Übet Verzeihung - heißt
es in der Heiligen Schrift -und ihr werdet Verzeihung erlangen. - Die Sonne
gehe nicht unter über eurem Zorn!
In Worten aufrichtiger Liebe: Sie tut sich kund in Worten der Ermunterung,
der Anerkennung, des Trostes und aufrichtiger, wohlwollender Liebe. - „Sie
sollen sich", sagt der heilige Franziskus, „als Menschen erweisen, die
im Herrn fröhlich sind, heiter und liebenswürdig, wie es sich
geziemt." Immer mit dem Ziel, daß wir vom Guten zum Besseren wachsen
und mit ganzem Herzen Gott dem Herrn und dem Mitmenschen dienen.
Zusammenfassung:
Das fünfte Gebot ist als Wohltat für den Menschen gedacht,
zum Schutz des Leibes und der Seele. - Sollten wir Gott dem Herrn für
diese Wohltat nicht danken? Und ist es nicht eigentlich so, daß wir
durch Beobachtung auch dieses Gebotes den größten Nutzen haben:
Wir werden reifere Menschen -
Wir entfernen aus unserem Herzen, was ein Hindernis ist für
die innere Freude -Wir gewinnen Sympathien bei unserem Herrn Jesus Christus
und bei den Menschen.
(Quelle: "Dienst am Glauben",
Heft 2 - 2003, S. 72-75, A-6094 Axams)