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Marienfrömmigkeit in der Kirchengeschichte 

P. Gerold Schmitz OFM
Wie die Kirche selbst, so machte auch die Marienverehrung in ihr eine Entwicklung durch. Der Fortschritt in der Entfaltung der Marienlehre führte zur weiteren Ausgestaltung der Marienverehrung.

Die Väterzeit
Als ältestes und noch aus der Verfolgungszeit (Ende des 3. Jahrhunderts) stammendes und erst im 10. Jh. aus dem Sand Ägyptens geborgenes und auf Papyrus geschriebenes Muttergottesgebet gilt das „Unter deinen Schutz und Schirm..." -  Es mag aus der Not der Christenverfolgung heraus erwachsen sein: Deshalb der betonte Hilferuf an die Mittlerin und Fürsprecherin.
Aber es verdeutlicht damit bereits Charakteristisches an der Marienverehrung: Die Not drängt den Beter, Maria um ihre mächtige Hilfe anzurufen, wobei ihre Mittlerrolle auf der Hochzeit zu Kana (Jo 2, 1-12), wo sie Not wendend einschreitet, einen Anstoß zu solchem Fürbittgebet gegeben haben mag.
Von großer Bedeutung vor allem für eine wachsende öffentliche Marienverehrung müssen wir das mariologische Konzil von Ephesus (431) bezeichnen. Auf diesem Konzil begrüßte der Bischof Kyrill von Alexandrien die Konzilsteilnehmer mit dem Marienlob: „Sei uns gegrüßt, Gottesgebärerin Maria,
verehrungswürdiges Kleinod des ganzen Erdkreises,
Lampe, die nie erlischt,
Krone der Jungfräulichkeit,
Szepter der Rechtgläubigkeit,
Heiligtum, das nie zerstört wird ..." Dieser marianische Lobpreis enthält bereits Elemente der später entwickelten Lauretanischen Litanei.
Schon sehr früh wird auch ihre Stellung als Mittlerin und Gnadenspenderin erkannt.
So in einem um 468 entstandenen Gebet des Basilius von Seleucia:
„O Allheilige Jungfrau,...
blicke vom hohen Himmel auf uns herab
und sei uns gnädig,
Führe uns jetzt im Frieden,
und nachdem du uns untadelig bis zum Tag des Gerichtes geleitet hast, laß uns teilhaben an der Ruhe derer, die zur Rechten deines Sohnes sitzen.
Nimm uns auf in den Himmel und laß uns mit den Engeln ein Preislied singen zur Ehre der ungeschaffenen und wesensgleichen Dreifaltigkeit."
Neben Gotteshäusern, die man der Gottesmutter weihte, entstanden liturgische Feste, die ihrem besonderen Gedächtnis gewidmet wurden, wobei das Weihnachtsfest ganz am Anfang stand.
Mehr noch direkt in den Blickpunkt des Festgeheimnisses gehoben wurde die Allerseligste Jungfrau Maria durch Feste wie Maria Verkündigung
Maria Lichtmeß
Maria Namen und andere.
Von der Gottesmutter ausgesagt, wurde folgende Überlegung angestellt:
..Diese .Arche' ist zweifelsohne die Jungfrau, die Gottesmutter.
Wenn du (Christus) die ,Perle' bist, dann ist jene mit Recht die ,Muschel'.
Wenn du ,Sonne' bist, dann notwendigerweise die Jungfrau ,Himmel'.
Wenn du die ,unverwelkliche Blume' bist, dann die Jungfrau eben die Pflanzung der Unvergänglichkeit, das Paradies der Unsterblichkeit."
Aufbauend auf dem Dogma von der Gottesmutterschaft Mariens festigte sich neben ihrer immerwährenden Jungfräulichkeit auch der Glaube an ihre leib-seelische Aufnahme in den Himmel.
Im 8. Jh. erhielt er seine liturgische Bestätigung im Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel.
Eine besondere Förderung erlebte die Marienfrömmigkeit durch Hymnen und Mariengebete, die sich seit dem Frühmittelalter bildeten. Als eines der ältesten „Mariengebete" gilt der „Englische Gruß".

Das Mittelalter
Im 10. Jh. entstand das Kleine Muttergottesoffizium, wo das volkstümlich gewordene „Ave Maria" oder auch „Englischer Gruß" genannt zwischen Psalmen und marianischen Hymnen eingeflochten wurde.
Man betete den „Englischen Gruß" häufig unter Verneigungen und Kniebeugen und verknüpfte ihn im 13. Jh. mit dem Namen „Jesus", wodurch die christozentrische Ausrichtung des Grußes hervorgehoben wurde.
Die Hinzufügung der Bitte „Heilige Maria, bitte für uns Sünder ..." bürgerte sich seit dem 14. Jh. ein und gab dem „Ave Maria" die Doppelgestalt von Lob- und Bittgebet. Das „Gegrüßet seist du Maria" ist ein Muster gesunder Frömmigkeit, die sowohl biblisch ausgerichtet ist, das Wesentliche der Erlösung aus Sündennot als Bitte in die Mitte stellt und alles auf Christus ausrichtet, dessen Anrufung beide Teile des Gebetes miteinander verbinden.
Das ganze Verkündigungsgeschehen aber fand seinen Niederschlag im „Engel des Herrn", das Gebet, das mit Recht als eines der schönsten der Christenheit gilt und wegen seiner Inhaltsfülle auch verdiente, nicht nur einmal, sondern im Angelusläuten dreimal am Tage, morgens, mittags und abends gebetet zu werden. Die Zielpunkte des Gebetes, von den drei biblischen Versen vor jedem der drei Ave angedeutet, liegen in der Erlösung durch die Menschwerdung Jesu Christi, die in der Schlußoration zu Tod und Auferstehung hinführen.
Wie der „Angelus", der „Engel des Herrn", so lädt auch der Rosenkranz zum betrachtenden Gebet ein.
„In Geist und Form an alte Traditionen der Mönche anknüpfend, die durch andächtige Wiederholung der Heilsworte (manchmal nur des Namens „Jesus") die Heilswirklichkeit auch ins Gemüt und ins ,Herz' als Wesensmitte des Menschen eindringen lassen wollten, bildete sich das Rosenkranzgebet nach dem Durchschreiten mancher Vorstufen langsam zu seiner heutigen Form heraus" (Aus: Leo Scheffczyk, Maria in der Verehrung der Kirche).
In einem sehr lesenswerten Büchlein (Hubert Mockenhaupt, Das betende Herz der Kirche) heißt es auf S. 27 über die Anfänge des Rosenkranzgebetes: „Die(se) älteste Form des Rosenkranzes, die wir bisher kennen, habe ich vor zehn Jahren in einem handgeschriebenen Gebetbuch aus St. Thomas, das heute in der Stadtbibliothek Trier (Hs 1149/451) aufbewahrt wird, entdeckt. (Man bezeichnet diesen Rosenkranz als ,Leben-Jesu-Rosenkranz'.)
Es scheint, daß der Zisterzienserrosenkranz über St. Thomas hinaus kaum bekanntgeworden ist.
Gut einhundert Jahre später, im Advent 1409, hat ein junger Mönch namens Dominikus von Preußen in der ehemaligen Trierer Kartause den Leben-Jesu-Rosenkranz sozusagen neu erfunden.
Der fünfundzwanzigjährige Novize hatte den genialen Einfall, an den Namen Jesu im ,Gegrüßet seist du, Maria' jeweils ein Betrachtungsgeheimnis aus dem Leben Jesu anzufügen. Er zerlegte das Leben Jesu, wie es in den Evangelien verkündet wird, in fünfzig Punkte, schrieb sie auf einen Zettel und meditierte so im Rosenkranz das ganze Werk Jesu von der Verkündigung bis zur Verherrlichung und Wiederkunft." Geschichtlich gesehen, hat man also den hl. Dominikus, der als legendärer Urheber des Rosenkranzgebetes gilt, mit dem Dominikus von Preußen, einem Kartäuser, verwechselt. Richtig ist allerdings, daß die Kölner Dominikaner die fünfzig Geheimnisse des Kartäusers Dominikus auf die heute üblichen fünfzehn Gesätze verkürzten.

Die Neuzeit
Ihren Beginn setzt man mit Recht an den Anfang der Reformationszeit im 16. Jh. Obwohl die Reformatoren nicht rundweg die Sonderstellung Mariens im Heilsplan Gottes ablehnten, stellten sie jedoch die Rechtmäßigkeit ihrer Verehrung in Frage. Sie sahen vor allem in der Anrufung Mariens als Fürsprecherin eine Beeinträchtigung der einzigen Mittlerrolle Jesu Christi.
Deshalb hielten sie wohl an ihren Ehrentiteln fest, verwarfen aber alles, was nicht direkt als biblische Aussage nachweisbar ist und sich in der Volksfrömmigkeit als Huldigung und Gebetszuwendung an Maria herausbildete. Auf der anderen Seite bahnte sich in Verbindung mit der Gegenreformation eine Blütezeit marianischer Frömmigkeit an, die eng verbunden ist mit großen Heiligengestalten und Ordensgründern und deren literarisches Marienlob als auch einer wachsenden Verbreitung des Rosenkranzgebetes, neuer Andachtsformen wie Marienweihe und Maiandacht und nicht zuletzt durch die auffallend vielen Marienerscheinungen in den letzten beiden Jahrhunderten. Hinzu kommt die Großzahl an Marienverehrern unter den Päpsten dieser Zeit.
(Quelle: "Dienst am Glauben", Heft 3, Juli-Sept. 2000, S. 67-69,  A-6094 Axams)



Bete jeden Tag den Rosenkranz!


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