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160
Jahre Dogma der Unbefleckten Empfängnis
Vor 160 Jahren, am 8. Dezember 1854, dem Hochfest der „ohne Erbsünde
empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria", verkündete Papst Pius
IX. feierlich das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis der Mutter
Jesu. Damit führte die Kirche keine neue Lehre ein, sondern erhob
eine seit dem Frühchristentum verbreitete Glaubensüberzeugung
in den Rang eines Glaubenssatzes. Dieses Dogma besagt, dass Maria vom ersten
Augenblick ihrer Existenz (der Empfängnis) an aus der allgemeinen
Schuldverflochtenheit (der „Erbsünde") ausgenommen war, in die alle
Menschen hineingeboren werden, und dass sie keine Sünden begangen
hat. Denn als Sündenfreie sollte sie den Erlöser der Welt, Christus,
gebären.
Die lateinische Bezeichnung des Dogmas „Immaculata Conceptio" lässt
den Sinn dieses Glaubensgeheimnisses besser verstehen als die deutsche,
oft missverstandene Formulierung „Unbefleckte Empfängnis", unter der
viele irrtümlicherweise die Jungfrauengeburt verstehen. Die „Immaculata
Conceptio" besagt vielmehr, dass in Maria das ursprüngliche, von der
Sünde nicht verdunkelte Konzept Gottes vom Menschen verwirklicht wird.
Denn Maria wird den Sohn Gottes gebären - und als Mutter des Herrn
und Erlösers soll sie frei sein von aller Schuld und Sünde. Maria,
die vom Makel der Erbsünde Befreite, wird so allen Menschen Vorbild
ihrer ursprünglichen und wahren Bestimmung. Sie wird zur Mutter und
zur Hilfe aller Menschen, die in Sünden, Süchten und Lieblosigkeiten
verfangen sind.
Historisch gesehen fällt die Verkündigung des Dogmas 1854
in eine kirchenpolitisch überaus unruhige Zeit. Die Kirche ist vom
herrschenden Liberalismus in die Ecke gedrängt. Der amtierende Papst
Pius IX. muss nach der Ausrufung der Republik in Rom im November 1848 nach
Gaeta fliehen. Er kann erst 1850 mit Hilfe französischer Truppen wieder
zurückkehren.
Doch die Verkündigung des Dogmas hat große Wirkung in
der Weltkirche. Das Kernland der Popularisierung ist Frankreich mit der
von der später heilig
gesprochenen Katharina Laboure begründeten Immaculata-Verehrung. Der
24-jährigen Novizin Katharina Labourè erscheint in der Nacht
zum 19. Juli und zum 27. November 1830 in ihrem Kloster in der Pariser
Rue du Bac die Gottesmutter. Dabei sieht Katharina die Jungfrau Maria auf
einer Erdkugel stehen, unter ihren Füßen eine Schlange. In ihren
Händen hält sie eine goldene Kugel als Symbol für die Welt.
Und von ihren gesenkten Händen gehen Strahlen aus: „Diese Strahlen
sind das Sinnbild der Gnaden, die ich allen schenken werde, die mich darum
bitten!", spricht Maria. Dann bildet sich um die Muttergottes ein ovaler
Rahmen mit der Inschrift: „O Maria,
ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir zu dir unsere Zuflucht
nehmen." Noch während dies geschieht, vernimmt Katharina
eine Stimme: „Lass nach diesem Muster eine Medaille prägen. Große
Gnaden werden die erfahren, die sie tragen. Die Gnaden werden überreich
sein für jene, die Vertrauen haben!" Katharina setzt den Auftrag der
Madonna um und die Medaille von der Erscheinung in der Rue du Bac verbreitet
sich schnell über die ganze Welt. Bis heute tragen Millionen Menschen
dieses Medaillon. Und so unzählig sind die Zeugnisse über wundersame
Hilfe durch diese Medaille der Unbefleckten Empfängnis, dass diese
im Volksmund nur noch die „Wunderbare Medaille" oder auch „Wundertätige
Medaille" genannt wird.
Vier Jahre nach der Verkündigung des Dogmas durch den Papst
folgt dann praktisch eine „himmlische Bestätigung" des neuen Glaubenssatzes,
als dem
armen Bauernmädchen Bernadette Soubirous zwischen dem 11. Februar
und dem 16. Juli 1858 insgesamt 18 Mal die Gottesmutter in der Grotte von
Massabielle bei Lourdes erscheint und sich selbst die Unbefleckte Empfängnis
nennt: „Je suis l'Immaculee Conception" - „Ich bin die Unbefleckte Empfängnis."
Das neu entstehende Heiligtum von Lourdes wird der Immaculata geweiht und
innerhalb von wenigen Jahren zum größten Marienheiligtum Europas.
Und auch bei den Erscheinungen der Mutter Gottes in Fatima gibt sich Maria
als die Unbefleckte zu erkennen, wenn Sie um die Andacht zu ihrem Unbefleckten
Herzen bittet.
Die Ursprünge des mit dem Dogma verbundenen Festes „Maria Unbefleckte
Empfängnis" (8. Dezember) reichen mehr als eintausend Jahre zurück.
Der christliche Osten feiert das Fest an manchen Orten schon im ersten
Jahrtausend. Im Westen führt es Anselm von Canterbury um 1100 für
seine Diözese ein. Der Franziskaner Duns Scotus (1265-1308) gilt als
Urheber der „Immaculata-Lehre". Im 17. Jahrhundert setzen sich viele Orden,
vor allem die Jesuiten, für die Immaculata-Lehre ein. Durch die Jesuiten
wird auch Kaiser Ferdinand III. von Österreich zu seinem berühmten
Immaculata-Gelübde 1645 motiviert.
Als damals in den Jahren des Dreißigjährigen Krieges
die Eroberung Wiens durch das schwedische Heer befürchtet werden muss,
gelobt der Kaiser, das Fest „Maria Empfängnis'* in seinen Territorien
einzuführen und auf einem öffentlichen Platz Wiens eine Mariensäule
aufzustellen. Tatsächlich bleibt Wien vor einer Erstürmung durch
die Schweden verschont und am 18. Mai 1647 zieht eine große Prozession
von der Augustinerkirche zum Platz „Am Hof, wo der Kaiser die Mariensäule
aufstellen lässt."
Heute gerät das Fest der Unbefleckten Empfängnis immer
mehr in Vergessenheit. „Es tut weh, hinauszugehen und zu sehen, was aus
dem 8. Dezember geworden ist", beklagt der Wiener Kardinal Christoph Schönborn.
Der Erzbischof appelliert an die Katholiken, „trotzdem dankbar dieses Fest
zu feiern und sich mitten im Trubel bewusst auf die Stille zu besinnen".
Nur in der Stille lasse sich ja zum Willen Gottes sagen. Maria habe „anstelle
der ganzen Menschheit zum Willen Gottes ja gesagt, dort, wo wir so oft
nein sagen".
mm/Franz Morawitz
„In Maria leuchtet
uns das Bild des Menschen auf, wie ihn Gott im Paradies haben wollte. Sie
ist die neue Eva, die Mutter des neuen Lebens. Dienend sollte sie in ihrer
Liebe mitwirken am Heil der Menschheit."
Basilius Senger OSB
(Quelle: "FATIMA RUFT",
4/2014 Nr. 227, S. 3 - 6, Kisslegg)